Wie konnten wandernde Händler früher eigentlich überleben?

6 Antworten

Es waren in erster Linie lang haltbare Waren. Noch um 1900 waren solche "fliegenden Händler" völlig normal. Im Königreich Hannover war für Fisch unter anderen die Familie Trojan zuständig. Die hatten eine Kutsche mit Pferd und da wurden ihre Fische meist in gesalzener Form zu Haltbarmachung angeboten. "Wer zieht denn da durch Nacht und Wind, das ist der Trojan mit Schellfisch und Stint", war ihr Werbespruch. Der war immerhin so einprägsam, dass ich diesen aus Erzählungen noch kenne.

Ein weiterer fahrender Händler war ursprünglich Tischler im Moor und verkaufte nebenbei in der näheren und weiteren Umgebung Lebensmittel für die Bauern. Ab 1910 hatte er dann auch sein erstes kleine Geschäft für Gemischtwaren, damals Kolonialwaren genannt. 1925 erweiterte er seinen Verkauf indem er das Nachbarhaus dazu kaufte. In der Kronik wirkt es etwas verwirrend, da zwischen beiden Häusern die Dorfgrenze verläuft. Der ursprüngliche Überlandverkauf, welchen Dodenhof immer weiter geführt hatte, nachher auch mit Rädern, wurde ab 1951 auf LKW-Transport für den Verkauf erweitert. Weiteres siehe https://shoppingwelt.dodenhof.de/posthausen/unternehmen/chronik/

Ich weiß, das aus dem Thüringer Wald Händler mit "Olitäten", also Heilmitteln, durch ganz Europa gezogen sind. Die haben in Gasthäusern übernachtet und dort auch gegessen. Sie hatten relativ feste Touren und auch einen Kundenstamm, den sie beliefert haben. Nebenbei haben sie auf Märkten verkauft.

Waren haben sie nur für einen Teil der Tour mitgeführt. Sie bekamen Nachschub zu bestimmten Orten geschickt, wo sie dann aufgefüllt haben.

Offenbar war das Geschäft längere Zeit sehr einträglich.

Aus Kinderzeiten (<10 Jahre) erinnere ich mich, dass in größeren Abständen fahrende Händler bei uns klingelten und meine Oma und meine Mutter etwas kauften.

Da gab es einen mit einem Koffer voll Bürsten aller Art und Größen, die handwerklich sehr gut gemacht waren - meine Oma konnte sowas gut beurteilen.

Ich hatte es so verstanden, dass es ein Meister war, der sich aus Tradition selbst auf den Weg zu seinen Kunden gemacht hatte aber diese romantische Vorstellung habe ich abgelegt, als ich älter wurde. 😀

Ein Händler mit 'Blindenware' war auch dabei. Ich glaube mich zu erinnern, dass er mit Seife, besonders mit 'echter Kernseife' handelte. Es wurde jedesmal etwas gekauft.

Meine Oma hat oft - gersde in der heißen Jahreszeit - etwas zu trinken bereit gehabt, was von dem Händler dankend angenommen wurde. Sicher hat er seine Stationen gehabt, wo er sich etwas zu essen kaufen konnte.

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Die Mühen, die der Händler auf sich genommen hatte, um uns seine Waren zu präsentieren, wurden angemessen gewürdigt. So habe ich noch vorgelebt bekommen, wie menschenwürdiger Umgang funktionierte - der sich allgemein spätestens ab der Zeit des 'Wirtschaftswunders' dann schnell legte.

Ein nicht zu unterschätzender Faktor war der Tauschhandel. So wurde z. B. ein Kamm gegen einen halben Laib Brot getauscht. Auch wurden Diens- und Arbeitsleistungen gegen das tägliche Brot getauscht.

Klaraaha  02.04.2023, 15:24

Richtig. Ich kenne auch noch die Scherenschleifer.

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das Reisegewerbe gibt es heute noch - geregelt u.a. in § 55 Gewerbeordnung - dort findest du die genaue Definition, was man darunter versteht

solange es jemand macht, muss es wohl ein lohnendes Geschäft sein

belehe 
Fragesteller
 02.04.2023, 19:11
solange es jemand macht, muss es wohl ein lohnendes Geschäft sein

Offensichtlich.

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Machtnix53  03.04.2023, 12:56

Solange es jemand macht, kann er sich damit wohl gerade noch über Wasser halten. Lohnende Geschäfte sind was anderes.

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