Wie kann ich besser mit Bi Erasure umgehen?

DerKleine202681  27.06.2025, 03:00

Wie alt bist du

Inkognito-Nutzer   27.06.2025, 03:10

26 tatsächlich. Ja, bin nicht mehr ganz so jung, mach mir trotzdem manchmal zu viele Gedanken und hab auch psychische Probleme (wegen denen ich schon in Therapie war).

Darwinist  27.06.2025, 11:32

Fürs bessere Verständnis: du bist weiblich?

Inkognito-Nutzer   27.06.2025, 12:04

Ja, ich bin weiblich.

5 Antworten

"Hallo und willkommen im Club", würde ich mal sagen.

Bisexualität ist leider eine extrem unsichtbare sexuelle Orientierung. Obwohl Bi+ die größte Untergruppe innerhalb der Gemeinachaft der LGBTQ ist, wird sie selbst inneehalb der Community kaum thematisiert. Es gibt sogar queere Mitglieder, die selbst Bi Erasure betreiben. So gibt es z. B. einige Homosexuelle, die behaupten, dass Bisexuelle in Wahrheit nicht existierten, sondern nur "verkappte Homos" wären, die sich eine Hintertür in die "normale Hetero-Welt" offenlassen wollten.

Und hinzu kommt dann noch, dass einem die sexuelle Iruentierung nicht auf die Stirn geschrieben steht. Bist du mit einer gleichgeschlechtlichen Person zusammen, geht dein Umfeld automatisch davon aus, dass du homosexuell bist. Bist du in einer Beziehung mit einer andersgeschlechtlichen Person, geht es hingegen wie selbstverständlich davon aus, dass du hetero bist. Dass du auch bi sein könntest, haben die wenigsten auf dem Schirm.

In der schwulen und lesbischen Gemeinschaft haben sich im Lauf der Jahre bestimmte Kleidungsstile gebildet, mit denen die Angehörigen ihr Schwul- bzw. Lesbischsein offen zeigen können - auch wenn natürlich nicht jeder Schwule und jede Lesbe diesem "Gay Dress" zwingend folgen muss. Für Bisexuelle gibt es hingegen (noch?) keinen "Bi Dress", der für eine bessere Sichtbarkeit bisexueller Leute sorgen könnte. Wenn du dennoch besser als Bisexuelle erkennbar sein möchtest, könntest du das subtil z. B. durch Tragen eines Armbands in den Farben der Bi-Flagge zeigen oder durch einen entsprechenden Button an deinem Rucksack. Ich selbst habe z. B. auch mein Whatsapp-Profilbild in diesen Farben gehalten. Man kann aber etwa auch T-Shirts, Tops usw. mit Aufdrucken versehen (es gibt im Bastelladen auch Folien, die man mit einem handelsüblichen Drucker mit Motiven seiner Wahl bedrucken und dann auf Kleidung aufbügeln kann).

Und ganz wichtig, wenn man zu einer besseren Sichtbarkeit von Bisexuellen beitragen will: sich outen! Tatsächlich sind Bisexuelle nämlich auch die Untergruppe der LGBTQ-Community, die sich am seltensten traut sich zu outen. Laut dem Bi Report 2020 der Organisation Stonewall sind in Großbritannien Bisexuelle nur halb so oft geoutet wie Homosexuelle. 80 % der Bisexuellen verheimlichen demnach ihre Sexualität selbst vor ihrer Familie und 64 % vor ihren Freunden. Ein ähnliches Bild zeichnet eine Studie von 2019 des Pew Research Center in den USA: demnach waren 74 % der Bisexuellen ungeoutet, während es unter den Lesben nur 29 und unter den Schwulen sogar nur 23 % waren.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin bisexuell. 💕💜💙

Es erfordert Mut und Überwindung, mit so etwas offen umzugehen. Aber nur so können Leute dich als die Person kennenlernen, die du wirklich bist. Außerdem: Wer nach deinem Outing den Kontakt zu dir abbricht, war nie ein echter Freund. Insofern profitierst du in vielfacher Hinsicht von der neuen Offenheit: Du fühlst dich verbundener, und du erkennst, mit wem du überhaupt verbunden sein willst.

Das trifft auf die anderen von dir genannten Punkte ebenso zu. Ein Verstecken der eigenen Identität ist eine natürliche Schutzreaktion, die jedoch langfristig nur zu Entfremdung führt. Deinem Text entnehme ich, dass du das ebenfalls bereits erkannt hast oder zumindest spürst. Und bereits das Bewusstsein dafür ist bereits ein sehr guter und notwendiger erster Schrit.

Ich hab das Gefühl, dass das Thema Bi Erasure an sich dich zwar belastet und verunsichert, das aber Teil eines größeren Themas ist, was dich schon lange und in vielen verschiedenen Lebensbereichen beschäftigt.

Es scheint als würdest du dir ganz allgemein die Frage stellen, wie du das was dich ausmacht und dich im Leben bewegt ausdrücken kannst, sei es deine Sexualität, aber auch deine Hobbies und Leidenschaften, ohne Angst vor Verurteilung zu haben. Indem du diese Teile deiner Identität zurück hältst schützt du dich zwar, gleichzeitig macht es dir aber auch zu schaffen und du fühlst dich in deinem Umfeld nicht gesehen.

Diese Angst abgewertet zu werden und das Bedürfnis dich zu schützen hat bestimmt gute Gründe. Wenn du aber mal mit jemandem darüber reden willst und vielleicht Wege suchst wie ein Leben aussieht, das nicht oder weniger durch diese Angst bestimmt ist, kannst du dir auch Unterstützung holen. An einigen Orten gibt es Queer* oder Jugendberatungsstellen an denen du kostenlos, professionell und vertraulich mit Berater*innen darüber sprechen kannst und gemeinsam nach Lösungen suchen kannst. Auch queere Gruppen, in denen Toleranz und offener Selbstausdruck gefördert wird, könnten eine bereichernde Erfahrung sein.

Wenn du mal mit jemandem reden willst, kannst du dich auch gerne bei mir melden. Ich bin von Digital Streetwork Bayern, wir bieten professionelle Online-Beratung an, kostenlos, anonym und unverbindlich. Wir sind immer Mi/Do/Fr bis 18 Uhr online. Weitere Infos findest du auf unserem Profil oder unter www.digital-streetwork-bayern.de

Diese Angebote gelten natürlich auch für alle die in einer ähnlichen Lage sind.


Inkognito-Nutzer   27.06.2025, 12:51

Danke! Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, genauso ist es. Das Ganze betrifft sowohl berufliche als auch private Angelegenheiten und geht so weit, dass ich in vielen Bereichen nicht mal selber sicher bin, wer oder was ich sein möchte (da ich mich ja auch teilweise vor mir selber verleugne) und dass ich mich selber ständig frage, ob ich überhaupt in der Lage dazu bin, so zu sein. Das wiederum führt zu Blockaden, einem eher negativen Selbstbild, Unsicherheiten und Ängsten (hab eine diagnostizierte generalisierte Angststörung). Eineinhalb Jahre bin ich in Therapie gegangen, allerdings bin ich umgezogen und muss mir wieder eine neue Therapiestelle suchen. Beratungsstellen könnten in der Zwischenzeit eine gute Möglichkeit sein, danke für dein Angebot, ich werde mir das mal anschauen.

DSWOberfranken  27.06.2025, 13:21
@Inkognito-Beitragsersteller

Dieser Selbstschutz, der bestimmt auch gute Gründe in der Vergangenheit hatte, scheint dich jetzt einzuschränken und klein zu machen. Aber so wie es jetzt ist, muss es nicht bleiben und du hast die Kraft Dinge zu verändern. Zu erkennen, dass es dir so nicht gut geht und dir Unterstützung zu holen ist schon der erste Schritt.

Wenn du Fragen zu Beratung hast, oder Hilfe bei der Therapieplatzsuche brauchst, kannst du dich gerne an mich wenden :)

Ich wünsche dir alles Gute!

"eigentlich ist meine Hauptaussage, dass es nervt, dass Leute einen einfach kategorisch, je nach Verhalten, in die hetero- oder homosexuelle Schublade einkategorisieren"

Das ist ein Problem, das bei dir liegt. Denn dieses Verhalten ist völlig normal, und anderen Leuten einen Vorwurf daraus zu machen, ist ungerechtfertigt.

Es ist interessant das du jeden davon überzeugen willst nicht hetero zu sein, während du in einer Hetero Beziehung bist.

Magst du vielleicht deinen Freund nicht so sehr und willst es ihm nicht sagen?


Inkognito-Nutzer   27.06.2025, 06:16

Ich mag ihn sogar sehr gerne. Er ist auch offen, DInge mit mir auszuprobieren, rein hetero wäre die Beziehung also in Zukunft vermutlich eher nicht (was ich an dieser Stelle nicht weiter konkretisieren werde). An welcher Stelle habe ich eigentlich erwähnt, dass ich "jeden davon überzeugen will, hetero zu sein"? Zitat: "Ich würde das nicht allen ohne Anlass einfach so erzählen wollen, klar. Aber wenn das Thema (aus welchem Grund auch immer) jemals aufkommen sollte, auch ohne aktuelle Partnerin, hoffe ich, dass ich nicht lügen bzw. mich selbst verleugnen würde, nur, weil sich Sachen schnell herumerzählen." Hört sich doch etwas anders an, als würde ich das allen auf die Nase binden wollen.... Ich würde nicht lügen wollen, wenn mich jemand fragt oder wenn das Gespräch in die Richtung geht.

Vallon0575  27.06.2025, 06:28
@Inkognito-Beitragsersteller
An welcher Stelle habe ich eigentlich erwähnt, dass ich "jeden davon überzeugen will, hetero zu sein"?

Hier:

irgendwie ist es so, als würden die Leute, bei denen ich nicht geoutet bin, mich nicht wirklich kennen, als würde ich mich verstecken.
es nervt, dass Leute einen einfach kategorisch, je nach Verhalten, in die hetero- oder homosexuelle Schublade einkategorisieren

Außerdem, wie kam es zu:

Bin bei meiner Kernfamilie (bis auf meinen älteren Bruder, seine Reaktion will ich mir vorerst eher ersparen) sowie bei meinen engsten Freund*innen geoutet

Obwohl du selbst sagst

Sexualität ist nichts, was man in einer Gesellschaft öffentlich auslebt und ist eher in privaten/vertraulichen Gesprächen präsent. Ich würde das nicht allen ohne Anlass einfach so erzählen wollen, klar. 
Inkognito-Nutzer   27.06.2025, 07:04
@Vallon0575
irgendwie ist es so, als würden die Leute, bei denen ich nicht geoutet bin, mich nicht wirklich kennen, als würde ich mich verstecken.
es nervt, dass Leute einen einfach kategorisch, je nach Verhalten, in die hetero- oder homosexuelle Schublade einkategorisieren

Das heißt halt nicht, dass ich das allen Leuten erzählen will. Es heißt, dass ich das Gefühl habe, mich zu verstecken, weil ich vermutlich bei vielen Leuten immer noch lügen würde, wenn ein Gespräch in die Richtung geht (z. B. "Wusstest du, dass der/die bi ist? Ich kenne sonst kaum jemanden/niemanden, kennst du wen?" (Ja, ich bin auf dem Land aufgewachsen und da sorgt sowas tatsächlich noch öfter für Erstaunen) oder z. B. "Was hast du eigentlich letztes Wochenende gemacht?" - (war dieses und letztes Jahr auf der Pride und hätte diesbezüglich tatsächlich gelogen, weil ich nicht gewollt hätte, dass Nachfragen kommen)
Das mit dem Einkategorisieren heißt ebenfalls nicht, dass ich mich überall outen will, d. h. einfach, dass ich es cool finden würde, wenn die Gesellschaft nicht automatisch davon ausgehen würde, dass Bisexualität quasi nicht existent ist, dass nicht jeder automatisch hetero- oder homosexuell ist, nur, weil die aktuelle Beziehungsperson ein Geschlecht hat.

Bin bei meiner Kernfamilie (bis auf meinen älteren Bruder, seine Reaktion will ich mir vorerst eher ersparen) sowie bei meinen engsten Freund*innen geoutet

Uhm, weil das auch ein privater bzw. vertraulicher Kontext ist? Familie und enge Freundschaften zähle ich zum privaten Umfeld. Wenn man mit denen nicht mal Themen besprechen kann, die einen beschäftigen..