Wie habt Ihr früher Eure Kindheit erlebt?

23 Antworten

Guten Morgen zusammen,

wenn es um meine Kindheit geht erinnere ich mich vor allem an gefühlt 100 Umzüge. Mein Vater war Bergbauingenieur und sein Spezialgebiet war Bergbausicherheit. Er arbeitete als so eine Art Feuerwehrmann für eine kanadische Firma in diesem Bereich und wurde laufend an andere Projekte vermittelt.

Geboren bin ich in Deutschland, als es bei der Auflösung dieser bekannten Zeche in Essen (Name fällt mir grad nicht ein) Probleme gegeben hat. Bis ich 5 war haben wir dort gelebt.

Ich kann mich daran zwar nur noch bruchstückhaft erinnern, aber was ich noch weiß, hat es mir in Essen gut gefallen. Meine Mutter (sie war Österreicherin) ist immer mit mir in den Park und an den Spielplatz gegangen und dort hatte ich auch viele Freunde.

Dann sind wir nach Südkorea gezogen wo mein Vater irgendwelche Probleme von einem Kupfererzbergwerk lösen musste. Das war ein völlig anderes Land, andere Kultur, eine Sprache die ich nicht verstand (obwohl ich zweisprachig Deutsch/Englisch aufgewachsen war und daher auch englisch gut konnte, aber das hat im Südkorea Mitte der 80er-Jahre auch nicht so viel weitergeholfen. Ich hatte keine Freunde und die Kinder der amerikanischen Soldaten, die dort stationiert waren, wollten irgendwie mit mir genausowenig zu tun haben, wie die koreanischen Kinder, die ich nicht verstand und die auch mich nicht verstanden haben. Zum Glück waren wir dort "nur" dreieinhalb Jahre lang.

Dann sind wir nach Chile gezogen. Für meinen Vater ging es wieder um Kupfer, aber für mich war es wieder ein neues Land mit einer für mich neuen Kultur. Wir hatten da aber sogar ein Kindermädchen, das auf mich aufgepasst hat und mir auch spanisch beigebracht hat. Sie hat viel mit mir unternommen und ich lernte schnell viele Leute kennen. Am meisten habe ich mit zwei Mädchen aus der Nachbarschaft unternommen, die die Töchter von einem Südafrikanischen Arzt waren und auf die mein Kindermädchen auch aufpassen musste. Wir drei waren quasi immer zusammen und haben fast immer draußen gespielt, oder wir waren im Meer schwimmen. Die knapp drei Jahre dort waren für mich eine herrliche Zeit an die ich mich sehr gerne zurückerinnere.

Danach ging es dann für eineinhalb Jahre nach Österreich in die Montansteiermark. Da hab ich dann auch meine Omi (mütterlicherseitig) kennengelernt. Das muss man sich mal vorstellen: Mit 10 erfahre ich, dass ich noch Großeltern habe und mit 11 lerne ich diese erst kennen... Meine Mutter war mit ihrem Vater nämlich verkracht und erst kurz vor seinem Tod haben die beiden sich wieder versöhnt. Als wir nun in Österreich waren und es nur 2 Stunden Fahrtzeit von unserem Wohnort zur Omi waren, haben wir die dementsprechend oft besucht. Meine Omi wohnte auf dem Land, hatte früher einen Bauernhof betrieben. In der Nachbarschaft gab es immer noch Bauern die Kühe, Pferde und Hühner gehalten haben (Omi selbst hatte auch noch Hühner, einen Hund und jede Menge Katzen. Aber nicht nur bei Omi hab ich mich wohl gefühlt, sondern auch in der Schule. Ich ging auf ein Realgymnasium und war nicht nur was meine Noten angeht ganz gut, sondern ich konnte auch schnell Freunde finden mit denen ich nachmittags meist auf dem Radl unterwegs war.

Als wir dann nach Saskatchewan (Kanada) umgezogen sind wäre ich am liebsten in Österreich geblieben. Aber das ging natürlich nicht. Doch sehr schnell konnte ich mich mit diesem (im Winter wirklich extrem kalten und schneereichen Ort) versöhnen. Dort war ich nämlich zum ersten mal verliebt und zwar in die Tochter eines Kollegen meines Vaters. Als mein Vater das mitbekommen hat. hat er aber leider verhindert, dass wir uns wiedersehen und sie ging auch auf eine andere Schule als ich sodass ich sie dann erst viele Jahre später auf der Hochzeit eines gemeinsamen Freundes wiedergesehen hab. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits verheiratet... In Kanada war es nur selten möglich wirklich draußen was zu unternehmen. Gefühlt hat es dort immer geschneit (so ist es jedenfalls in meiner Erinnerung). Natürlich stimmt das sicher nicht, aber ich erinnere mich hauptsächlich an Indoor-Aktivitäten. Lag vielleicht aber auch an mir, denn zu dieser Zeit erwachte mein Interesse an Computern und Computerspielen (die damals aber noch bei weitem nicht so ausgereift waren wie heute).

Danach haben wir nochmal für 3 Monate in Essen gewohnt - daran habe ich aber auch kaum noch Erinnerungen. Am ehesten noch daran, wie es war diese Wohnung, die noch nicht mal komplett eingerichtet war, wieder ausräumen zu müssen und alles in einen Überseecontainer zu packen.

Denn danach ging es dann nach Australien. Australien war schon irgendwie cool, und ich hatte dort mit 16 auch meine erste Freundin. Wir waren meistens am Strand und haben rumgeknutscht, Musik gehört, sind im Meer geschwommen oder haben gesurft (Wellenreiten). Wir waren halt ganz typische Aussie-Teenie-Mates.

Also wie man sieht habe ich in meiner Kindheit viele verschiedene Kulturen kennengelernt, verschiedene Arten sein Leben zu führen gesehen und auch selbst ganz verschiedene Arten von Spiel und Spaß erlebt. Ich habe immer versucht das Beste aus jeder Situation zu machen, aber oft genug habe ich mich auch hilflos und ausgeliefert gefühlt. Abgesehen von Südkorea, wo es mir wirklich nicht gefallen hat, habe ich NIE umziehen wollen. Aber ich musste umziehen während meine jeweiligen Freunde bleiben durften wo sie waren. Das hab ich oft als sehr ungerecht empfunden und ich denke, dass das einer der Gründe war, warum zwischen meinem Vater und mir immer eine kühle Distanz blieb. Ich hatte nie einen richtigen Vater von dem ich mich so richtig geliebt gefühlt hätte - so wie von meiner Mutter. Auch das ist eine sehr wesentliche und prägende Kindheitserinnerung für mich.

Ich danke jedenfalls für diese schöne Frage, die mich zu einer kleinen Zeitreise gebracht hat, mit der ich heute früh beim aufstehen noch gar nicht gerechnet hätte...

COSMIA 
Fragesteller
 17.10.2022, 10:57

Guten Morgen ps1980,

lieben Dank für Deine Antwort. Ich wünsche Dir nun eine gute neue Woche!

LG von COSMIA

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ps1980  17.10.2022, 10:57
@COSMIA

Danke sehr. Die gute neue Woche wünsch ich dir auch.

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Einen wundervollen guten Abend in die interessierte Runde.

Da ich bis jetzt noch arbeiten war, kann ich erst jetzt darauf antworten. Die Frage gefällt mir.

Wir lebten in einer sehr großen Wohnung für Bedienstete der Behörde, in der mein Vater tätig war. Auf dem Flur hing eine Schaukel und mit den Dreirad fuhren wir über den Flur. Bruder und ich teilten uns ein Zimmer. Dort stand auch ein Vogelkäfig mit zwei Wellensittichen, um die wir uns kümmern mussten. An einer Wand war eine ausgediente Schultafel angebracht, dort lernten wir Zahlen und Buchstaben.

In den 60er Jahren waren Walki Talki für Kinder etwas besonderes. Wir wurden von den Anderen Kindern beneidet, dass wir zwei solcher Geräte besaßen. Damit konnte man sich zumindest unterhalten, auch wenn man in verschiedenen Räumen oder wenn wir uns im Garten aufgehalten hatten. Die Reichweite betrug wohl knapp einen Kilometer.

Meist spielten wir mit Nachbarskindern draussen. Fangen, Räuber und Gendarm, Verstecken etc. das waren unsere Spiele. Wenn es regnete spielten wir mit Lego, Fischertechnik und vielen anderen Spielen. Das Kinderzimmer war überfüllt mit Spielsachen. Bruder und ich waren die einzigen Enkeln von den Großeltern väterlicherseits und so wurden uns alle Wünsche erfüllt.

Ende der 70er Jahre bekamen wir ein Spielegerät für Ping Pong und ähnliche einfach aufgebaute Spiele, die wir auf dem Fernsehbildschirm spielen konnten. Da waren wird dann seltener draußen und alle Kinder der Nachbarschaft kamen zu uns, um damit spielen zu können.

In den frühen 80er Jahren erhielt ich meinen ersten C 64 (Commodore 64) mit dem sehr guten Schreibprogramm Visawrite. Damit war es nun leichter auch etwas zu schreiben und der Typendrucker druckte es so aus, als wenn alles mit der Schreibmaschine geschrieben worden wäre. An der Uni war das Arbeiten mit Computern nicht gestattet.

Ich glaube, so extrem anders zu heute war es nicht, auch wenn ich schon Ü 60 bin.

Ich wünsche allen lieben Lesern noch einen tollen Restsonntag, euer Neugier4711.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
COSMIA 
Fragesteller
 17.10.2022, 11:00

Guten Morgen,

lieben Dank für Deine Antwort. Ich wünsche Dir nun eine gute neue Woche!

LG von COSMIA

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Meine Kindheit - ich bin so froh und dankbar, dass ich so früh geboren wurde und diese Kindheit erleben konnte. Ich habe es auch geschafft, diese Kindheit, zwar nicht ganz genau, aber doch zum großen Teil meinen Kindern zu ermöglichen. Da hatte ich auch einfach Glück, bei meiner Wohnungssuche auf dem Land ein altes Holzhaus, das früher als Jagdhütte verwendet wurde, mit 5.000 qm verwildertem Garten zu finden, und das zur Miete! Ein alter Obstbaumbestand, zur Straße hin geschützt von riesigen hohen Fichten und eine Quelle, die den Hang hinunter sprang. Das ermöglichte auch das Halten von Enten und Gänsen, einem Kaninchen und einer Katze. Der große Garten war auch Anziehungspunkt für die Nachbarskinder.

Aber ich wollte von meiner Kindheit schreiben. Die erlebte ich an drei Orten: In Unterfranken in einem kleinen Bauerndorf, auf unserer kleinen abgelegenen Hühnerfarm und in einem sehr kleinen Städtchen in der sog. Wasservorstadt.
Das erste Lebensjahr noch im Sudetenland unter russischer Besatzung, mein zweites Lebensjahr in einem Flüchtlingslager, aber dann ging die Kindheit richtig los.
Das ganze Dorf gehörte mir, bzw. den Kindern. Wir liefen überall hinein, in die Gärten, die Scheunen, niemand verscheuchte uns. Uns Kinder übersah man, wir waren halt da, wie die Vögel, die Katzen und Hunde. Und überall bekamen wir was zu essen. Wenn ich Hunger und Mama im Garten zu tun hatte, schaute ich bei freundlichen Nachbarn in die Stube und hoffte, dass mich eine freundliche Bäuerin fragte: Hast Hunger? Magst a Brot? Ich war zu schüchtern, um zu reden, aber Nicken war auch eine Antwort. Und oft hatte ich Glück. Man hat einfach vorausgesetzt, dass Kinder immer Hunger haben.
Ich war die Kanalratte, erforschte alle Kanäle im Dorf.
Im Garten hatte ich eine Schaukel und viele Beerensträucher.

Auf der Hühnerfarm waren meine Spielgefährten der Schäferhund, die Katze, die Ziegen und die Hühner und Truthühner. Und am Abend mein Vater, der sich mit seiner kleinen Familie die Zeit vertrieb. Ich erlernte verschiedene Kartenspiele, ich las mich durch die kleine Pfarrbücherei im entfernten Dorf. Das war meine Winnetou- und Old Shatterhand-Zeit. Wir hatten weder Telefon noch Auto, kein elektrisches Licht und kein fließendes Wasser. Wir gingen beim Dunkelwerden ins Bett. Mein Vater war ein ausgezeichneter Geschichtenerzähler. Am Sonntag spielte er Geige und Mama sang dazu. In ihrem/unserem Heimatdorf wurden oft Singspiele aufgeführt, und nun war ich das begeisterte Publikum. Die Katze und der Hund wohl weniger. Mein Vater hängte mir eine Schaukel an einen sehr hohen Buchenast, direkt an einem kleinen Teich.
Am schönsten war es, wenn in den Ferien mein Bruder aus dem Internat nach Hause kam.

Dann ein Haus aus Stein in der kleinen Stadt. Davor eine Schmiede, in der Pferde neue Hufeisen bekamen, und ein Hof mit Traktoren, Pflügen, Eggen usw., die zum Verkauf standen. Gegenüber das große Tor einer Maschinenhalle, gegen das man wunderbar ballern konnte. Wir hatten einen großen Kaninchenstall mit einem Stück Wiese dran und einen Gemüse- und Beerengarten. Und einen Hühnerstall. Nur die Kaninchen waren eingezäunt, Hühner, Nachbarskinder und ich liefen überall herum. Niemand verscheuchte uns. Ich bekam 2 weiße Mäuse, zwei Männchen, sagte mir der Nachbarsjunge. Die beiden vermehrten sich trotzdem und irgendwann hatte ich 10 Holzkisten mit weißen Mäusen und mein ganzes Taschengeld ging für Haferflocken drauf. Bis sich mein Vater erbarmte und mich von dem Mäusevolk befreite und es ertränkte.
Als in den 50er Jahren das große Hochwasser kam und der Bach rückwärts floß, sich staute und über die Wiese kam, kamen die Mäuse aus den Löchern und versuchten, die Bäume hochzuklettern. Ich packte die Mäuse an den Schwänzen und hielt sie in meinem Röckchen fest. Wenn ich einige hatte, lief ich den Abhang hinauf und schüttelte sie in die Wiese. Dann zurück, die andern Mäuse retten. Bis das Wasser immer höher stieg und mein Vater mich ins Haus rief.
Und ich hatte eine Freundin, die beste und fantasiereichste der Welt. Wir spielten Indianer, Schiffbrüchige, Seeräuber, kletterten auf die Bäume, machten die Erfahrung, dass sich die Sandbänke im Fluss verschieben und dass es gefährlich für uns hätte ausgehen können. Mit Puppen spielten wir eigentlich nie. Nur an Wettrennen kann ich mich erinnern, mit dem Kinderwagen und dem Baby des Nachbarn drin. Und an lange Nachmittage, in denen ich auf dem kleinen Holzsteg über dem Bach auf dem Bauch lag und mit dem Küchensieb ins Wasser gefallene Insekten rettete.
Und dann das allerbeste: Ich bekam Klavierunterricht und durfte bei unseren Vermietern üben. Und dann der glückliche Zufall: Mein Vater bekam für 60 Mark einen Flügel, einen echten wunderbaren Flügel. Es spielte sich schnell ein Abendritual ein. Mama schlief immer mit mir zusammen, mein Vater hatte sein Stübchen alleine. Wenn wir im Bett waren, kam er Gute-Nacht sagen. Er setzte sich ans Klavier und spielte eine seiner Ouvertüren, die er mal gelernt hatte. Im Gymnasium hatte er ja Geige gelernt, Klavier brachte er sich selbst bei, als er eines vererbt bekam. Und dann setzte er sich auf Mamas Bett und fischte unter der Bettdecke nach ihrem Fuß. Mama kicherte und versuchte, ihre Füße zu verstecken. Doch es gelang ihm immer, packte ihn und drückte einen Kuss darauf.

Und dann kam ich ins Internat. Da war Überlebenstraining angesagt, wir Kinder entwickelten Zivilcourage. Ich hab mal einen Schulaufgabenstreik angezettelt. Ging leider schief, weil zuerst ein Mädchen abgesprungen ist, dann das zweite, und dann gaben die andern auch auf. Ich bekam dann die Strafe. Mir wurde vorgeworfen, dass ich die Autorität der Lehrer unterminiere (ich verstand den Begriff nicht, rätselte noch lange herum, weil ich un-terminieren verstand), und dass ich sittlich-religiös nicht einwandfrei wäre. Letzteres verstehe ich heute noch nicht. Ich empfand mich immer als einwandfrei und gut gelungen.
Und religiös war und bin ich auch. Zwar nicht domestiziert religiös, sondern wild. Nur das Unnennbare und ich. 😊

Danke für die Frage, die mir die Erinnerungen hochbrachte.
Ich hatte eine Kindheit voller Freiheit und Abenteuer.
Und dann kam das Erwachsenwerden und die Berufstätigkeit. Der sogenannte Ernst des Lebens.
Ein schleichender Schrumpfungsprozess.

Ich kann mir vorstellen, dass so eine wunderbare Kindheit seine Fortsetzung erfahren könnte, wenn man z.B. einen Beruf hätte, in dem man ganz aufgeht,
der soviel Kreativität zulässt, wie man will.
Was ich aus meiner Kindheit am meisten vermisse, das ist diese Freiheit.

COSMIA 
Fragesteller
 17.10.2022, 10:58

Guten Morgen,

lieben Dank für Deine Antwort. Ich wünsche Dir nun eine gute neue Woche!

LG von COSMIA

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Guten Abend,

das waren die 90er und frühen 2000er, eine überwiegend heile Welt trotz in meinem Fall ungünstiger familiärer Ausgangssituation. Bei meinem Opa war es schön und gemütlich und er hat alles dafür getan, dass es mir gut ging.

Wie habt Ihr früher, als es noch keine Handys/Smartphones und auch noch keine Computer gab, Eure Kindheit erlebt bzw. womit habt Ihr früher Eure Zeit verbracht?

Irgendwas war immer: In der Hauptsache Spielplatz, Freunde treffen, Musik (Radio) hören, zuhause konnte man sich immer beschäftigen (ich habe gern gezeichnet und gelesen) oder oder ich war Onkel Rudi besuchen, der um die Ecke gewohnt hat und wenn mein Opa einkaufen ging, war ich sowieso dabei. Bis ich so 10/11 Jahre alt war, war ich nur ganz selten allein zuhause, mein Opa war ja auch Rentner. Und auch so, langweilig war meinen Freunden und mir nicht :-)

Später war ich gern mit Freunden mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs, aber das war dann eher so ab 11/12 Jahren. Allgemein waren wir oft draußen. War auch immer schön, so in der Siedlung gab es immer was zu sehen und zu erleben. Was mir noch gut auffällt: Es gab in meiner Kindheit einen Mann in der Siedlung, der einen rauchblauen BMW 7er (E23 Serie) hatte - das Auto war extrem laut. Ich höre das Geräusch heute noch vor mir. Der Wagen sah auch optisch irgendwie bedrohlich aus, obwohl er aus heutiger Sicht viele Kriterien eines kultigen Oldtimers erfüllt.

https://www.youtube.com/watch?v=TVY2BWJKwzk

Sobald der Wagen angefahren kam - meist tat er das zu allem Überfluss auch noch nachmittags, wenn wir Kinder nach der Schule und den Hausaufgaben irgendwo mit den Rädern waren oder zu Fuß zum Spielplatz wollten - hatten meine Kumpels und ich immer versucht Land zu gewinnen. Da passierte es schon mal, dass wir uns der Reihe nach in einen Graben warfen oder ins Gebüsch sprangen ... bis diese Kiste endlich weg war. So um 2001 ist der Wagen dann verschwunden, wahrscheinlich wurde er entsorgt ;-)

Es gab aber noch ein Vorkommnis, das ich nie vergessen habe, das war im Frühjahr / Sommer 1999, als mein noch heute bester Kumpel und ich acht/neun Jahre alt waren und gemeinsam in die zweite Klasse der Grundschule gingen (sind beide Jahrgang '90). Wir spielten oft nach der Schule zusammen auf einem Spielplatz an einem Hochhaus, der so ein schönes Klettergerüst und einen Sandkasten hatte. Häufig saß dort ein merkwürdiger älterer Mann herum, der sich so komisch benahm. Er sah verklemmt und spießig aus, irgendwie hässlich. Er sagte meist nichts, er saß einfach nur da; er trug typisch "rentnerbeige" Kleidung mit einem Blouson, eine große Brille, war vielleicht um die 60 (jünger als mein Opa, er sah aber alt und altmodisch aus) und wahrscheinlich Frührentner. Ich weiß noch, dass er einen weißen, dreitürigen Fließheck Ford Escort der Baureihe von 1986 bis 1990 fuhr. Er saß oft da auf einer Bank, auf der schattigen Bank, und schaute uns zu, gesagt hat er in meiner Gegenwart kaum was und er hat uns auch nie was mitgebracht.. ich fand den Typen komisch und unseriös, aber nicht beunruhigend. Wahrscheinlich fand er mich nicht interessant und ich hätte ihm auch weiß Gott was gesagt (ich war ruhig, konnte meine Meinung jedoch immer gut vertreten^^), aber er muss auf diesem Spielplatz und auf zwei anderen Spielplätzen in jeweils 200 Metern Entfernung regelmäßig Kinder angequatscht haben, die da spielten. Der Mann muss auch eine Freundin von mir und meinen besten Kumpel angesprochen haben und sie in seine Wohnung in einem der Hochhäuser sowie sein Auto gelockt haben. Mehr weiß ich nicht, außer dass mein bester Freund eines Tages im Sommer '99 auf einmal partout nicht mehr dort spielen wollte ohne einen Grund zu nennen. Im Nachhinein erfuhr ich, dass er sich vor diesem älteren Herrn ekelte und unvorstellbare Angst hatte, ihn wieder zu treffen / wieder zu sehen. Was geschehen war, weiß ich aber nicht. Im Nachhinein wird mir immer noch heiß und kalt. Den Typen haben wir hinterher in der Tat noch einige Male mit seinem Auto durch die Straßen fahren sehen oder wir haben sein Auto wo stehen gesehen ... und mein bester Kumpel drehte sich so ab Juni oder Juli '99 echt immer weg oder versteckte sich in Gärten oder im Gebüsch, wenn er den Ford Escort mit diesem Alten gesehen hat. An den Spielplatz wollte er auf keinen Fall mehr und wir spielten seither auch nie wieder dort, sondern nur noch bei uns oder bei ihm vor dem Haus oder bei der Freundin oder bei meinem Cousin im Garten. Meine Freundin hat mir berichtet, dass er sie mehrfach angesprochen habe, sie aber selbstbewusst genug war ihm sehr frech zu antworten, er muss doof gegrinst und dann nix mehr gemacht haben, aber mein bester Kumpel muss laut ihr mit ihm in die Wohnung in einem dieser Hochhäuser gegangen sein... der Typ war optisch jedenfalls die Blaupause eines solchen Typen, dem man Sätze wie "komm, ich zeig dir meine Häschen" zutraut. Er hatte auch oft so eine lederne Herren-Handtasche bei sich, das war sehr "morbide". Der Mann wirkte sehr gepflegt, aber er war einfach komisch. Ich hatte bei meinem letzten Besuch da mal ein Foto von dem Areal gemacht, wenn ich dran denke, das gibt einem dann den Rest. Das sieht immer noch genauso aus wie im Sommer 1999. Sogar die Bank steht noch, auf der dieser Typ immer saß. Es gab dort mehrere Parkbänke, er saß immer im Schatten unter ein paar Hecken herum. Aber Gott, so kommt man vom Hundertstel ins Tausendstel... tut mir leid.

Wir waren aber nicht immer unterwegs - Hausaufgaben machen und/oder lernen musste man unter der Woche ja auch noch, wobei ich ehrlich gesagt nicht soooo viel gelernt habe. Wie gesagt, irgendwas gab es immer zu tun und nur weil es noch nicht so viele Medien gab, war es nicht langweilig.

Mein erstes Handy hatte ich 2005 als Achtklässler bekommen, als wir ins Landschulheim gingen und der Lehrer "erwünscht" hat, dass jeder zur besseren Koordination ein Handy mitnimmt. Es war ein "Sagem my x-1 trio", das ich noch einige Jahre hatte. Ich habe als spaßeshalber SMS hin- und hergeschickt mit Mitschülern, aber die meiste Zeit lag es in der Schublade und war uninteressant. Ich hatte "Besseres" zu tun, als am Handy zu sitzen. PC hatten wir, aber mehr so am Rande, interessant wurde das erst Ende 2006 durch das Internet. Unser Telefon war das "Telekom Signo", das ich heute noch in Betrieb habe.

Das ganze Leben war eine Wundertüte, frei nach den Flippers ... das ist einfach eine Gruppe, mit der ich aufwuchs. Mein Opa hat sie gern gehabt und wir haben zuhause meist Schlager gehört - und einige Songs von denen finde ich auch ganz objektiv gut.

https://www.youtube.com/watch?v=Sy-ddOgfg5k

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
ps1980  17.10.2022, 09:58

Was für eine Antwort... Insbesondere der Teil mit dem Escort-Fahrer. Ufffff!!!

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rotesand  17.10.2022, 10:31
@ps1980

Ja, der war einigermaßen eklig. Ich habe den lang verdrängt gehabt, es kam erst vor ein paar Jahren wieder so richtig raus, als ich bei einem Psychologen war. Dort habe ich einige Ereignisse der Kindheit aufgearbeitet (die familiären Spannungen, die ich erst als Erwachsener hinterfragt und erfahren habe; mein Opa hat vieles für sich behalten oder anders dargestellt als es war, wohl um mir nicht die ganzen nicht sehr schönen Wahrheiten vorrangig über meine Eltern und seine Tochter/meine Mutter sagen zu müssen ... er war ein guter Mann und ich mache ihm keinen Vorwurf, er hat es sicher nur gut gemeint) und kam dann wieder auf Einiges - auch durch die Gespräche mit der erwähnten Freundin, die ich seit dem Kindergarten kenne und mit meinem besten Kumpel.

Erst dadurch lernte ich auch meine Zeit an der Realschule richtig einzuschätzen und als so mies wahrzunehmen, wie sie unterm Strich war. Ich habe auch einer ehemaligen Lehrerin, die inzwischen sehr betagt ist, mal meine Meinung dazu gesagt. Die weinte dann hinterher zwar bitterlich, aber ich sagte mir ... hätte sie uns in Ruhe gelassen, müsste sie heute nicht weinen.

Als ich dieses Jahr im Sommer wieder an diesem Spielplatz war, war das Gefühl immer noch eigentümlich und ich hatte für einen Moment echt gedacht, was mache ich, wenn der Typ immer noch da wohnt ... für einen Moment war dann wieder "das innere Kind" präsent, das passiert immer wieder, ist aber nicht schlimm - ganz im Gegenteil. Man muss sich auch so was behalten können, für mich war es ein wichtiger Schritt nach vorne und zu mehr Selbstbewusstsein und Kraft.

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COSMIA 
Fragesteller
 17.10.2022, 11:03

Guten Morgen,

lieben Dank für Deine Antwort. Ich wünsche Dir nun eine gute neue Woche!

LG von COSMIA

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Guten Abend liebe COSMIA und in die Runde,

ich gehöre zu denen die immer mit dem Kopf schütteln wenn ich mir die heutige Jugend anschaue.

Aber Moment hat meine Mutter und meine Oma das nicht auch getan? Oooohhh weia, nun bin ich wirklich alt, ich rede das gleiche Zeug.

Ich habe nach der Schule gegessen und Hausaufgaben gemacht, danach ging es raus. Früher haben alle Kinder draußen zusammen gespielt.

Gummi Twist, Seil springen, Roller oder Rollschuh fahren, der Puppenwagen war mit draußen, mit Murmeln wurde gespielt oder wir tobten auf dem Spielplatz …..

Später wurden Staudämme gebaut, ein Baumhaus, Indianer Tippis usw

In der Wohnung wurde nie gespielt, Abends war ich müde von den vielen Aktivitäten des Tages.

An Regentagen spielte ich alleine in meinem Zimmer.

Die Zeiten ändern sich, daran ist nichts zu ändern. Es bleiben nur die Gedanken und Erinnerungen.

Allen einen schönen Abend und ganz 💚liche Grüße

Lazarius  16.10.2022, 21:02

Liebe Freundin, wir waren auch den ganzen Tag draußen. Das ging gar nicht anders und oft hat uns nicht mal das schlechte Wetter drinnen behalten können.

Wir hatten auch nie lange Weile und wussten uns auch immer mit etwas zu beschäftigen, obwohl es noch keine Handys oder PCs gab.

Dir noch einen schönen Abend und herzliche Grüße von W.

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Fredlowsky  16.10.2022, 21:14

Wünsch dir, liebe Moewe, noch einen sehr schönen Spätabend und grüß dich herzlich!

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COSMIA 
Fragesteller
 17.10.2022, 11:00

Guten Morgen,

lieben Dank für Deine Antwort. Ich wünsche Dir nun eine gute neue Woche!

LG von COSMIA

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Spielwiesen  17.10.2022, 14:04

Schöne Antwort, liebe Möwe, ich habe dich wirbeln sehen! Wer früher Langeweile hatte, hatte eine Vorstufe von Grippe, glaube ich! Liebe Grüße! 😀

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