Wie erklärt man einem Kind das ohne Mutter/Vater aufwächst, dass das "nicht normal" ist?

9 Antworten

Vor allem finde ich Ehrlichkeit wichtig. Die Ehrlichkeit sollte altersgerecht sein. Aber Umschreibungen wie "Mama ist im Himmel" muss jeder in sein eigenes Umfeld einbetten. Ich würde sagen: "Mama ist gestorben".

Außerdem, was ist normal? Viele Kinder leben als Trennungskinder oder haben aus welchen Gründen auch immer nur eine Bezugsperson. Es gibt Elternteile, die beruflich viel im Ausland unterwegs sind, es gibt Elternteile, die Alkoholiker sind und eben auch welche, die nicht mehr leben. Meine Erfahrung aus meiner "ganzen normalen" Trennung ist, dass die Kinder an Unehrlichkeit mehr zu tragen haben, als unter dem konkreten Verlust.

Ich bin bei meinem Opa aufgewachsen, bei dem ich es sehr gut hatte und der mir auf diese Frage (da war ich ca. sechs Jahre alt und wollte von ihm wissen, warum ich eigentlich nicht mit Mama und Papa wohne wie alle meine Freunde, sondern bei ihm) erklärt hat, dass es besser so ist und dass meine Eltern nichts von mir wissen möchten und es Probleme gibt (es war objektiv letztlich auch so, er hat nichts direkt Falsches gesagt). Ich habe das schon geglaubt und war ja auch gewohnt, dass er auf jede Frage die passende Antwort hat. Für mich war das Thema mehr oder weniger abgehakt, ich war aber allgemein keiner, der immer "aber, aber, aber" gesagt und noch mehr wissen gewollt hat.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

AgentSally 
Beitragsersteller
 29.03.2025, 03:05

Das ist echt hart, dass er sofort die Wahrheit gesagt hat. Hat dich das nicht verletzt, dass deine Eltern nichts mit dir zu tun haben wollten? Auch wenn du es gut bei deinem Opa hattest, könnte so etwas doch Selbstzweifel auslösen und zu Gedanken wie "Bin ich etwa schuld, was habe ich falsch gemacht?"(was natürlich niemals der Fall ist) führen. War das bei dir so oder hast du das gar nicht hinterfragt?

Warum sollte man einem Kind weismachen wollen "so wie du lebst, das ist nicht normal"?

Das was das Kind im Alltag erlebt, die Familienkonstellation in der es aufwächst - das ist für das Kind Normalität (also "normal"). Egal ob 2 Mamas, 2 Papas, ob Mama und ihr Partner unter der Woche und Papa und seine Partnerin am Wochenende, egal ob es bei Oma und Opa aufwächst so als wäre diese die Eltern, egal ob man von dem wesentlich älteren Geschwister aufgezogen wird, egal ob man beim alleinerziehenden Elternteil aufwächst. All das ist für das Kind dann Normal(ität).

Warum also das Kind verunsichern, demotivieren, brechen, indem man versucht dem Kind zu sagen "Das ist nich normal"?

Es hat also ein Elternteil verloren.... dieses Elternteil ist für alle Zeit weg. Da passt die Überschrift "wie erklärt man dem Kind... das das nicht normal ist" null. Es wäre eine unnötige zusätzliche Belastung.

Wie man es "im Idealfall" handhabt? Kommt drauf an wie alt das Kind ist.

Ich denke, im Idealfall würde man dann ein Fotobuch erstellen, mit Bildern von dem Elternteil, mit Bildern des Elternteiles zusammen mit dem Kind/ mit dem anderen Elternteil... Vielleicht auch handgeschriebene Schriftstücke aufbewahren. Eventuell hat man Vides/ Tonbandaufnahmen die man aufbewahren kann. Für das Kind, wenn es verständiger wird und anfängt Fragen zu stellen, mehr über das verstorbene Elternteil erfahren möchte.

Bei einem kleinen Kind könnte man ein vom verstorbenen Elternteil vorher sehr gern getragenes Kleidungsstück (das das Kind mit dem Elternteil in Verbindung bringt) zu einem Kissen/ Kissenüberzug umarbeiten. Quasi als Kuschelersatz, ein Stück Elternteil da haben zum festhalten und anschmiegen "fast wie früher".

Alle Erinnerungen an das verstorbene Elternteil aufschreiben. So das das Kind dann im Laufe des älter werdens auch vielleicht Antworten finden kann auf verschiedenes (Verhaltensmuster, Gewohnheiten, Interessensgebiete, Sozialkontakte...).


AgentSally 
Beitragsersteller
 29.03.2025, 03:02

Ich habe auch nicht gemeint, dass man dem Kind sagt, dass es nicht normal ist und es dadurch verunsichert. Ich meinte, dass das Kind merkt, dass es "nicht normal" ist, insofern dass "alle" anderen Kinder 2 Elternteile haben und es dadurch verunsichert werden könnte und fragen könnte "Wieso haben alle eine Mama, nur ich nicht, wo ist meine Mama?". Und ich wollte einfach nur wissen, wie man das dann einem 3 oder 4-jährigen Kind kindgerecht erklären soll. Ich dachte die Frage wäre eindeutig gewesen.

Rockige  29.03.2025, 03:51
@AgentSally

Hmm nein, so wie du es jetzt formuliert hast, ists wesentlich einleuchtender auf "was" du genau anspielst.

Ein Kind das von ganz klein auf beispielsweise bei den Großeltern oder aber bei einem alleinerziehenden Elternteil aufwächst, wird (im Fall das die Eltern/ ein Elternteil beispielsweise verstorben ist) entweder

  • von Beginn an in den Erinnerungsprozess mit einbezogen, so das es eben damit aufwächst zu wissen "da war mal jemand, jetzt ist die Person weg, aber wir haben Bilder daheim hängen die ich mir anschauen kann .... (und weitere Möglichkeiten)
  • oder aber dann an das Thema herangeführt wenn es beginnt Fragen zu stellen (so wie in deinem Beispiel, wenn das Kind merkt das andere Familien anders zusammengestellt sind)

Ich würds abhängig machen vom Alter und passiven/ aktiven Wortschatz des Kindes. Erst nur kleine klare Fakten die in den Alltag eingebaut werden. So etwas wie "zu Papas Geburtstag Papas Grab auf dem Friedhof besuchen und Blumen hinbringen" beispielsweise, Foto daheim an der Wand hängen haben. Fragen des Kindes versuchen zu beantworten. Wie war Papa so, sein Lieblingsessen, welche Hobbies hatte er, und und und....

Denn das da mal jemand war, ist klar. Es totzuschweigen, alle Fragen abwehren und nie darüber reden, das ist nicht gut.

Hallo,

Ich habe hier schon ein paar Antworten gelesen, die mit meiner Meinung viele Schnittpunkte aufweisen. Ergänzend vielleicht noch eine Frage:,,Was ist schon normal?" Die Normalität ist ein Konstrukt, welches mit der Gesellschaft steht und fällt. Die Norm ist über viele Generationen hinweg selbst gemacht. Von wem? Von uns! Jeder steuert seinen Teil zum Ganzen bei und entscheidet was er annimmt und was nicht. Hier würde ich gerne das schöne Sprichwort ,,Es benötigt ein Dorf, um ein Kind großzuziehen", einbauen. Zeige dem Kind, egal wie es aufwächst, dass es eine Gemeinschaft um sich hat, die es wertschätzt und sich um es kümmert. Lebe dem Kind gesunde soziale und emotionale Kompetenzen vor und es wird diese für sich annehmen, da es an seiner Hauptbezugsperson lernt (egal wer das ist). Schenke dem Kind Liebe und Schutz und es wird gedeihen.

Zum Thema Tod und Sterben eines engen Familienmitgliedes sei gesagt ist die Handlungsweise nach Entwicklungsstand, Alter etc. sehr individuell. Ich persönlich bin immer ein Freund davon dem Kind nichts zu verheimlichen und nichts vorzuenthalten was es vielleicht wissen, oder erleben möchte. Manche Kinder möchten sich am Sarg verabschieden und brauchen dieses Bild des Toten, um wirklich Abschied zu nehmen, manche nicht. Da würde ich sehr individuell auf die Bedürfnisse und Wünsche des Kindes hören und auch auf mein Bauchgefühl. Wichtig ist, dass alle Emotionen ihre Daseinsberechtigung haben und raus gelassen werden dürfen. Fragen sollten gefragt werden dürfen. Und das Wichtigste auch man selbst darf zeigen, dass man trauert. Kinder dürfen erfahren, dass auch Erwachsene weinen. Sie haben sehr feine Antennen und bemerken mehr als man denkt. Zudem finde ich es auch wichtig Kinder ihren Glauben zu lassen und ihnen nichts ,,überzustülpen". Frage sie ,,Was denkst du denn was mit Mama nun passiert", und du wirst die unschiedlichsten, tollsten Antworten bekommen. Kinder haben ihre eigene Welt, welche sie behalten dürfen sollten. So können sie sich viel besser mit der Realität auseinandersetzen, als wenn sie eine Antwort (die wir Erwachsenen übrigens auch nicht haben) präsentiert bekommen.

Ich hoffe das konnte helfen.

LG

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Ich arbeite fast 24/7 mit Kindern von 0-18 J.

ab dem alter, in dem kinder etwas mit "wenn man tot ist, kommt man in den himmel" anfangen können, wird es auch begreifen, dass seine mama im himmel ist.

man muss das nur nicht zu negativ aufziehen, als ob es etwas schreckliches ist. je älter das kind wird, umso mehr wird es begreifen, dass ein elternteil früh verstorben ist. traurig, aber leider nicht ungewöhnlich.

hauptsache, der vater kümmert sich mit hingabe um das kind.

die cousine meiner frau wuchs ohne vater auf, der starb als sie 1 jahr alt war. oma, tante, schwiegermutter meiner frau und meine frau haben sich in der kindheit gut um sie gekümmert, sodaß sie sogar eine viel größere "familie" hatte als andere kinder. als jugendliche ging sie damit pragmatisch um, hat ihr offenbar nie geschadet.