Warum spielt Moral in der Therapie keine Rolle?

6 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Das ist mal eine wirklich gute Frage!

Psychotherapiesysteme gehen in der Regel davon aus, dass es Menschen dann gut geht, wenn sie in Übereinstimmung mit ihrem Inneren handeln und eine Psychotherapie versucht, diese Übereinstimmung herzustellen.

Das Menschenbild von Psychotherapeuten ist nun ein eher positives. Ganz explizit ist das in der Gesprächspsychotherapie von Carl Rogers zu sehen, wo z.B. ein immanenter Drang des Menschen, zu wachsen, sich zu entwickeln postuliert wird.

Psychotherapeuten bemühen sich auch in den meisten Fällen, Patienten und ihre Handlungen gerade nicht zu beurteilen, sondern so anzunehmen wie sie sind. Diese Haltung geht wieder davon aus, dass Menschen "eigentlich" gut und soziale Wesen sind und Gutes für sich und andere wollen.

Von dieser Position aus braucht man keine Moral, sondern eine Hilfe "den wahren (guten) Kern" zu entdecken und danach handeln zu lernen.

Aktuell gibt es in der Psychotherapiewelt aber auch Tendenzen und Diskussionen, vom rein individualistischen Ansatz wegzukommen und z.B. das Thema Umwelt(erhaltung) mit in den Blick zu nehmen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Seit 30 Jahren Psychol. Psychotherapeut in eigener Praxis
Sayoko86 
Fragesteller
 08.12.2022, 17:08

Danke Dir sehr; interessante Antwort :) ! Mich hat v.a. gewundert, dass der Aspekt "Gerechtigkeitsgefühl" (im erweiterten Sinne) mir so unterrepräsentiert erscheint. Klar, das Thema kommt bestimmt vor. Aber wenn man an die Motivation von Menschen wie Gandhi, Bewegungen wie FFF oder ähnlichen denkt, dann fehlt da gefühlt doch eine Ebene (sage ich mal wieder als Laie ;) ). Dabei habe ich sogar mal gehört, dieser Gerechtigkeitswunsch wäre schon bei affen nachgewiesen worden... Spannend!

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Die Wertestruktur eines Menschen spielt nach meiner Erfahrung in vielen Lebenssituationen eine wesentliche Rolle, selbstverständlich auch in der Therapie. Ohne dass ich nun alle Therapieformen und Therapieinhalte kenne, bin ich davon überzeugt, dass die moralischen Einstellungen eines Menschen berücksichtigt werden, wenn sie für die Therapie relevant sind.

Die Psychoanalyse arbeitet zum grossem Teil an der Bewusstmachung des Verdrängten. Verdrängt wird vom Patientem oder der Patientin das was durch die herrschende Moral nicht gebilligt wird. Um das Verdrängte hervorzuholen und bewusst zu machen muss der Therapeut insofern in dem Zusammenhang die moralische Zensur der Gesellschaft abschalten.

Woher ich das weiß:Recherche

Warum sollte sie. (?)

Seit wann hat Moral etwas mit Meditation zu tun ?

Was erhoffst Du dir von moralischen Glaubenssätzen in der Therapie ??

Moral ist ein gesellschaftliches Konstrukt, nur Eines von sehr vielen, die zu einem Krankheitsausbruch führen können. Ziel der Therapie ist, dysfunktionale Prägungen abzustreifen, das trifft insbesondere auf viele Moralvorstellungen zu.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung