Warum so eine Abneigung gegenüber Studenten?

8 Antworten

Du studierst denen zu viel. 5 Studiengänge sind genannt und dazu eine Auszeit. Das kennt das Arbeitervolk nicht. (Auch) Sie blicken einer unsicheren, eher düsteren Zukunft entgegen. Und dann kommt da einer, der einfach "nur" ein Studiengang nach dem anderen macht und das nicht sonderlich zu kümmern scheint. Das ist für die weltfremd. Und dann sind es mehr geistige und kreative Studiengänge. Das passt überhaupt nicht zum Handwerk beispielsweise. 😄 Völlig andere Blase.

Es ist letztlich egal, wie und ob du drauf eingehst. Du gehst einfach deinen Weg und hörst ab und zu eine Rückmeldung.

Aber es ist auch interessant, wie du als alter Rentner in 5 Monaten zu einem 30-Jährigen Multistudenten wirst.

Mir ist das als "Studierter" und "Akademikertrottel" (der Name kursierte) in einem einfachen Arbeitermilieu so gegangen, wo mir u.a. ständig von "Helden der Arbeit" die Welt erklärt wurde und wo ich allgemein ein geringes Ansehen hatte - einerseits haben sie mich mehr oder weniger von der Seite beneidet wegen meiner damaligen Mercedes C-Klasse und meinem anzunehmendem Verdienst, andererseits war ich für sie inakzeptabel, obwohl ich ihnen anfangs sehr offen und freundlich begegnet bin.

Der Witz dabei ist, dass ich gar nicht studiert habe, die Leute das aber anhand meines Berufs und Auftretens angenommen haben und es sich verselbstständigt hat. Wenn ich ihnen das Gegenteil hätte erklären wollen, hätten sie mich der Lüge bezichtigt, selbst wenn ich meine Zeugnisse gezeigt hätte. Die sind so - die wähnen sich immer im Recht und wenn ihnen z.B. ein "Studierter" zeigt, dass sie mal nicht im Recht sind, ist das eine große Demütigung für polternde Stammtischbrüder, die es gewohnt sind, den Ton anzugeben auf eine Art, die nicht gerade zimperlich ist.

Ich galt als der "Akademikertrottel", der zu blöd für die Fabrik und Landwirtschaft gewesen sei, aber dann doch die Gnade erfuhr, eine ganz gut dotierte Stellung zu bekommen. Nach dem Motto: war ja klar, für die Feldarbeit war er zu doof, dann kriegt er dafür halt so was zugemauschelt zum Ausgleich, weil er sonst nix zu bieten hat :-/

In diesem Milieu ist ein Mann nur dann ein Mann, wenn er im Handwerk oder in der Landwirtschaft arbeitet, den Ton angibt, den Tonfall am Stammtisch erlernt hat, "von Schaffhausen ist" und hart arbeitet usw. - schon ein Bürojob ist für einen Mann nicht in Ordnung, Abitur sollte er auch nicht haben, denn dann gilt er als "was Besseres" oder einer, "der was Besseres sein will". Das betrifft auch Mädchen. Meine frühere Freundin bekam es vorgehalten, dass sie nach der Mittleren Reife Abi nachholte und Lehrerin wurde, anstatt "wie alle Mädchen" Metzgerei- oder Bäckereiverkäuferin, Erzieherin oder Krankenschwester zu lernen. Selbst ihre Mutter wurde deswegen auf offener Straße belästigt und galt selbst für "gute Nachbarn" mit einem Mal als arrogant, weil die Tochter das Abitur anstrebte und der übliche Weg "nicht gut genug" sei laut Lesart des Umfelds.

Länger habe ich mich damals gefragt, was die alle gegen mich haben, warum sie so unfreundlich zu mir sind, Gerüchte über mich streuen, Unwahrheiten erzählen, einen mustern, schroff sogar zu meiner damaligen Freundin sind und warum sie immer daran interessiert sind, Fehler bei mir zu suchen. Mein Onkel meinte damals zu mir, dass diese Leute sich indirekt gedemütigt fühlen, wenn einer wie ich in ihr Leben tritt, weil so jemand ihnen aufzeigen würde, was sie selber nicht haben.

Ich war so fertig, dass ich an mir zweifelte und zum Psychologen ging, der mir dann sagte, es läge nicht an mir und ich sei nicht krank - es sei das Umfeld. Ich kann heute sagen, dass er wohl Recht hatte, weil ich rund ein Jahr danach weggezogen bin und seither solche Probleme der Vergangenheit angehören. Wo ich jetzt wohne, spielen Bildungshintergrund, Einkommen, Auto und Ähnliches gar keine Rolle, obwohl ich beruflich noch weiter aufgestiegen bin. Ich habe nie Neid erfahren, dafür Glückwünsche und geteilte Freude. Als ich 2023 befördert wurde und es langsam publik wurde, haben mir sogar Leute gratuliert, von denen ich das nicht erwartet hätte. In meiner Heimat wäre ich dafür beschimpft worden. Jeder berufliche Erfolg war für mich dort eine Art Pseudo-Erfolg, der nicht wertgeschätzt wurde und indirekt in die Richtung einer Demütigung ging.

Erst im Nachhinein erfuhr ich, dass einer meiner Freunde - hochrangiger Polizeibeamter bzw. Erster Polizeihauptkommissar - ebenso wie eine Freundin, die Diplom-Rechtspflegerin wurde und ein Freund, der als "Ing. grad." firmierte, genauso gelitten haben. Speziell der Polizist bekam trotz seiner Stellung Zunder, wo es nur ging und wurde sogar über die Wahl seines Privatautos angefeindet, weil es kein Mercedes war - wohlgemerkt, anderen Leuten wurde es verübelt, wenn sie Mercedes fuhren oder BMW oder Opel Omega.

XXX

Ansonsten sind Studenten mitunter sehr überheblich und arrogant, dazu oberflächlich veranlagt und stehen nicht umsonst in dem Ruf, nur Party zu machen und zu "reisen". Ich kriege das über meine Cousine, die noch studiert, durchaus so mit und finde nicht, dass so was zu begrüßen ist. Nicht alle sind so, aber diejenigen, die sich so materialistisch geben, färben auf die ganze Innung ab und machen diese schlecht.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

AriZona04  10.11.2024, 16:42

Ich lese Dich supergern!

verreisterNutzer  10.11.2024, 21:34

Ich fand die Geschichte großartig bis ich las, dass du einen Polizisten als Freund hast.

Was lernen wir daraus?

Jeder lebt ein bisschen in seiner Blase und das hat Gründe. Niemand soll sich stoppen lassen, nur weil irgendjemand meint, über euch urteilen zu müssen.

Ich hasse Polizisten! Na und? Macht euer Ding :)

Es ist bedauerlich, dass du diese Art von Abneigung erlebst. Oft resultiert sie aus unterschiedlichen Lebensrealitäten und Erfahrungen. Viele Menschen in handwerklichen Berufen haben das Gefühl, dass die Arbeit im Vergleich zum Studium physisch anstrengender und praktischer ist, und sie betrachten das Studium als weniger greifbar oder unmittelbar „nützlich“ im täglichen Leben. Zudem kann es auch eine Form der Frustration sein, wenn jemand das Gefühl hat, dass jemand anderes das „wirkliche Leben“ nicht kennt, weil er sich auf theoretische Themen konzentriert.

In solchen Situationen ist es wichtig, ruhig und respektvoll zu bleiben. Du könntest zum Beispiel antworten: „Ich verstehe, dass es viel harte Arbeit erfordert, aber mein Studium ist für mich genauso wichtig, um langfristig etwas zu erreichen. Ich arbeite hart, um mein Studium zu finanzieren, und nehme es genauso ernst wie die Arbeit hier.“ Auf diese Weise zeigst du Verständnis, aber auch, dass du die Bedeutung deines Studiums schätzt und respektierst.

Du musst dich nicht rechtfertigen oder verteidigen, aber es kann helfen, eine respektvolle Kommunikation zu fördern, damit diese Barrieren abgebaut werden. :)

Oft beruht sowas auf Gegenseitigkeit. Studenten, die körperliche Arbeit nur als Not- bzw. Übergangslösung auf dem Weg zu "Höherem" sehen, sind bekanntlich auch keine Seltenheit.

Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass viele deiner "respektlosen Kollegen" mehr für die KiTabetreuung ihrer Kleinsten zahlen als du für dein Studium?

Da ist Frust eben vorprogrammiert...

Ein Studium ist keine Arbeit in dem Sinne. Sicherlich mag es sein, dass Du Dich anstrengst. Aber körperliche Arbeit ist was Anderes! Das kann man in der Tat nicht miteinander vergleichen. Du wirst vielleicht nie richtig arbeiten - drück ich mich mal so aus. Da gibt es schon einen großen Unterschied.