Warum heisst "Völkerwanderung" auf Französisch "invasions barbares"?


08.09.2020, 21:16

https://fr.wikipedia.org/wiki/Invasions_barbares

Hier der entsprechende Wikipaedia-Eintrag auf Französisch...

"Invasions barbares" ist der gängige Ausdruck für das, was auf Deutsch "Völkerwanderung" genannt wird...

9 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Weil die romanischen Länder sich vom römischen Reich herleiten.

"Barbaren" war früher durchaus nicht so negativ konjugiert wie heute, ursprünglich bedeutete es einfach "Völker, die nicht griechisch sprechen".

Wobei die Völker, die nicht griechisch (die Weltsprache der Antike) sprachen, logischerweise diesen Ausdruck nicht kannten.

salome77  09.09.2020, 09:21

Natürlich war der Begriff negativ gemeint. Jeder, der nicht griechisch sprach, stammelte und stotterte nur, und besaß dementsprechend keine Kultur.

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Dazu habe ich eine interessante Zusatzinfo gefunden, die Dich vielleicht interessiert:

>BARBAR

Die Wiederholung „bar bar“ in dem griechischen Wort bárbaros vermittelte die Vorstellung des Stammelns, Stotterns oder der unverständlichen Sprache; daher wandten die Griechen den Ausdruck „Barbar“ ursprünglich auf Ausländer an, besonders auf Personen mit einer fremden Sprache.

Damals dachte man beim Gebrauch dieses Ausdrucks nicht an ungebildete, rohe, unzivilisierte Menschen; der Begriff vermittelte kein Gefühl feindseliger Verachtung. Er diente besonders dazu, Nichtgriechen von Griechen zu unterscheiden, in etwa so, wie durch den Begriff „Heiden“ Juden von Nichtjuden unterschieden wurden.

Die Nichtgriechen verwahrten sich nicht dagegen, Barbaren genannt zu werden, und sie empfanden dies auch nicht als beleidigend.

Einige jüdische Schreiber, zum Beispiel Josephus, erkannten an, daß sie mit diesem Ausdruck bezeichnet wurden (Jüdische Altertümer, 14. Buch, Kap. 10, Abs. 1, übersetzt von J. F. Cotta, Tübingen 1736; Gegen Apion, 1. Buch, Abs. 11, übersetzt von H. Paret, Stuttgart 1856).

Die Römer nannten sich selbst Barbaren, bis sie die griechische Kultur übernahmen. In diesem nicht unvorteilhaften Sinne gebrauchte Paulus daher in seinem Brief an die Römer den allumfassenden Ausdruck „sowohl Griechen als auch Barbaren“ (Rö. 1:14).

Der Hauptfaktor, der die Griechen von der Welt der „Barbaren“ unterschied, war ihre Sprache; daher bezog sich der Ausdruck besonders auf Personen, die nicht Griechisch sprachen, z. B. auf die Bewohner Maltas, die eine dem Griechischen nicht verwandte Sprache sprachen.

In diesem Fall gibt die Neue-Welt-Übersetzung das Wort bárbaroi sinngemäß richtig mit „fremdsprachige Leute“ wieder (Apg. 28:1, 2, 4). In seiner Abhandlung über die Gabe des Zungenredens bezeichnet Paulus zweimal jemanden, der in einer unverständlichen Zunge spricht, als bárbaros („Ausländer“) (1. Kor. 14:11; siehe auch Kol. 3:11). In ähnlichem Sinne benutzt die Septuaginta bárbaros in Psalm 113:1 (114:1 im Hebräischen und in deutschen Übersetzungen) und in Hes. 21:36 (21:31 in deutschen Übersetzungen).

Da die Griechen der Ansicht waren, ihre Sprache und ihre Kultur seien allen anderen überlegen, und auch wegen der unwürdigen Behandlung, die sie von seiten ihrer Feinde erfuhren, erhielt der Ausdruck „Barbar“ allmählich seinen unangenehmen Beigeschmack.<

(Quelle: „Einsichten I“, S. 298)

Freaking0ut 
Fragesteller
 09.09.2020, 11:00

Aber die grössten Feinde der Griechen waren doch die Römer! Die haben doch Griechenland besetzt und die Griechen versklavt.

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Nun ja, aus dem Gebiet des heutigen Deutschlands und Skandinavien zogen die Völker los, um in die schon weiter entwickelten Gebiete des Römischen Reiches - in denen heute noch romanische Sprachen gesprochen werden - einzudringen. und sich selbst haben die Völker ja nicht als Barbaren (was aber eigentlich nur heißt, das jemand nicht griechisch spricht) bezeichnet.

Es heißt aber Grande migration...

Freaking0ut 
Fragesteller
 08.09.2020, 21:11

Ah ja?

Seit wann?

Ist das die neuere, politisch korrekte Fassung?

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thetee99  08.09.2020, 21:23
@Freaking0ut

Vermutlich ;) Die Übersetzung "grandes invasions" gibt es auch, basiert aber auf einer veralteten, nationalistischen Geschichtsschreibung und gilt als falsch:

Die Beurteilung des französischen Althistorikers André Piganiol, der nach dem Zweiten Weltkrieg in seinem Werk  L’Empire chrétien (veröffentlicht 1947) noch pauschal erklärte, die römische Zivilisation sei von den Germanen regelrecht ermordet worden, ist angesichts der neueren Forschung nicht mehr haltbar. In der älteren Forschung, besonders in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, zogen viele Historiker aus dem romanischen und angelsächsischen Raum derartige Formulierungen nicht zuletzt aufgrund der damaligen militärischen Auseinandersetzungen mit dem modernen deutschen Nationalstaat, in dem man den direkten Nachfolger der Germanen sah, heran. Umgekehrt beriefen sich viele deutsch-nationale Historiker, insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus, auf das angebliche „germanische Erbe“ der Völkerwanderungszeit und behaupteten, in der Spätantike sei das Römische Reich in Dekadenz verfallen und daher von vitalen, kraftvollen Menschen aus Nordeuropa überrannt und beerbt worden.
https://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkerwanderung
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