Toluol + Br2 mit AlCl3 als katalysator bei 0 Grad?

2 Antworten

Es handelt sich hier um die elektrophile aromatische Substitution (s. Wikipedia für den allgemeinen Mechanismus). Als Merkhilfe existieren die Abkürzungen "KKK" und "SSS". "KKK" - "Kälte, Kern, Katalysator": Bei milden Temperaturen in Anwesenheit eines Katalysators erfolgt eine elektrophile aromatische Substitution an dem Ringsystem (am "Kern"). "SSS" - "Sonnenlicht (gemeint ist UV-Strahlung), Siedehitze, Seitenkette": Bei hohen Temperaturen erfolgt die radikalische Bromierung der Seitenkette. Würde man das Brom mit UV-Strahlung bestrahlen, dann käme es zu einer homolytischen Bindungsspaltung. D.h. von den 2 Elektronen der gespaltenen Bindung, würde jeweils eines auf eines der entstehenden Fragmente übergehen, d.h. es würden sich 2 Bromradikale ausbilden, die dann für eine Radikalreaktion zur Verfügung stünden.

Hier wird aber mit AlCl3 ein Katalysator eingesetzt, der eine heterolytische Bindungsspaltung des Broms ermöglicht. AlCl3 aktiviert das Brom, indem es die Br-Br-Bindung polarisiert. Brom kann dann mit dem Toluol reagieren. Dabei kommt es zu eben dieser heterolytischen Bindungsspaltung, d.h. ein Br-Fragment erhält beide Bindungselektronen. Es wird ein Br- freigesetzt und es entsteht ein Br+, welches als Elektrophil den Aromaten angreift und mit diesem den π-Komplex ausbildet (das Br+-Ion wird hier zunächst über die π-Orbitale locker an den Aromaten gebunden). Dann kommt es zur Ausbildung des σ-Komplexes und in Folge seiner Deprotonierung wird dann im Anschluss das am Ring bromierte Produkt gebildet. -CH3 im Toluol, ist ortho- und para-dirigierend (das ergibt sich aus den mesomeren Grenzstrukturen des σ-Komplexes). D.h. bei dieser Reaktion werden o-Bromtoluol und p-Bromtoluol gebildet.


Cyano0  01.04.2025, 14:16

Warum handelt es sich hier um eine Substitution? Wird die Bindung nicht mit den Elektronen der Doppelbindung aufgebaut? Oder handelt es sich hier um eine Sn2 Reaktion mit H als Abgangsgruppe?

pchem  01.04.2025, 14:59
@Cyano0
Warum handelt es sich hier um eine Substitution?

Weil H gegen Br ausgetauscht wird.

Oder handelt es sich hier um eine Sn2 Reaktion mit H als Abgangsgruppe?

Nein, bei einer nukleophilen Substitution würde eine Gruppe mit einem Nukleophil (kernliebenden Teilchen) ersetzt werden. Hier wird der Aromat jedoch von einem Elektrophil angegriffen. Elektrophil (= elektronenliebendes Teilchen) und das π-System des Aromaten ist elektronenreich.

Wird die Bindung nicht mit den Elektronen der Doppelbindung aufgebaut?

Erstmal sind das im Aromaten keine richtigen Doppelbindungen. Die Bindungsordnung liegt bei 1,5. Also zwischen der einer Einfach- und einer Doppelbindung. Die Elektronen für die Bindung kommen auch nicht aus dem Ringsystem sondern aus der C-H-Bindung (die dafür gebrochen wird). Andernfalls würde es sich um eine Addition handeln. Die findet bei Aromaten aber nicht statt, da sonst die Aromatizität verloren gehen würde und das wäre mit einem großen thermodynamischen Aufwand verbunden.

Vitalitaet000 
Beitragsersteller
 26.03.2025, 21:36

Vielen Dank für die ausführliche Antwort! Was passiert mit dem Brom-Atom welches an AlCl3 gebunden ist? Wenn ich es richtig verstanden habe, muss der Katalysator ja in seinen Urpsrungszustand zurückkehren

pchem  26.03.2025, 21:41
@Vitalitaet000

Das Bromanion geht am Ende mit dem Proton als Bromwasserstoff HBr aus der Reaktion raus.

KKK, Kälte+Katalysator->Kern!

Das ist eine elektrophile aromatische Substitution (Se), die läuft NICHT radikalisch ab!

https://de.wikipedia.org/wiki/Elektrophile_aromatische_Substitution


Vitalitaet000 
Beitragsersteller
 26.03.2025, 21:04

Vielen Dank!, bin gerade selber drauf gekommen. Wie war nochmal die SSS-Regel?

Vitalitaet000 
Beitragsersteller
 26.03.2025, 21:08
@Spikeman197

Ah, vielen Dank! Aber woher weiss ich in welcher Position das Brom-Atom bevorzugt angreift? Ich vermute mal durch die Hyperkonjugation und den +M Effekt der Doppelbindungen

Spikeman197  26.03.2025, 21:14
@Vitalitaet000

Einfluss des 1.-Substituenten auf die ZweitSubstitution!

Je nach dem ±M-Effekt, aber auch ±I-Effekt UND Statistik und sterische Hinderung!

Eine Alkylgruppe dirigiert o/p, es gibt 2 ortho-Positionen, die aber auch sterisch behindert werden. Statt einem 2:1 Verhältnis (66:33) gibt es eine Verschiebung zum para-Bromtoluol