Sind Talente/Begabungen vererbbar?

6 Antworten

Tatsächlich gibt es wohl bei vielen Begabungen ganz klare wissenschaftliche Erkenntnisse, dass die Genetik eine wichtige Rolle spielt. Es dürfte aber immer schwer zu trennen sein was nun Genetik und was Erziehung ist.

Talente /Begabungen/Intelligenz usw sind mit Sicherheit zu einem Teil vererbbar, d.h. im Genom codiert. Den Nachweis dazu hat man schon vor längerer Zeit empirisch in Zwillingsstudien ermittelt

Aber, und das ist ein sehr großes aber, zum Einen sind die Genabschnitte die da eventuell mitspielen sehr vielfältig und und stehen nicht unbedingt in einem einfachen oder direkten Zusammenhang zueinander und zum Anderen liefert die persönliche Genetik zu einem großen Teil nur die Basis für mögliche Eigenschaften, die dann aber je nach persönlichen Umständen wie Lebensbedingungen, soziales Umfeld, Förderung, Ernährung, Erziehung UND anderen auch teilweise genetisch codierten Charaktereigenschaften mehr oder weniger ausgeprägt auftreten.

Das Thema ist zudem sehr heikel und ideologisch aufgeladen, weil es vielen Menschen je nach Ideologie/Glauben  nicht genehm ist, dass der Mensch eben nicht jedem Menschen bei Geburt gleich ist.

Erschwert wird die eindeutige Zuordnung von Eigenschaften nach Erworbenem und Ererbtem auch durch das gemeinsame Umfeld von Eltern und Kindern. So ohne weiteres kann man hier nicht feststellen ob z.B. eine besondere Musikalität an den Genen oder am elterlichen Vorbild liegt. 

Tendenziell lässt sich jedenfalls feststellen, dass besondere Begabungen und akademische Erfolge familiär gehäuft auftreten. Das heißt aber nicht, dass in einem anderen (geistig öden) Umfeld keine besonderen Begabungen entstehen können oder in einem Akademikerhaushalt keine Schulversager (aus Blödheit nicht aus Desinteresse) leben könnten.

Festhalten lässt sich, dass die Fähigkeiten zur Entwicklung von Intelligenz und verschiedensten Begabungen zu einem nicht unwesentlichen Teil angeboren sind und dabei in einer beliebigen Population einer Normal- bzw.  Gaussverteilung folgen.

Das es sich bei dem genetisch codierten Teil der Intelligenzausprägung aufgrund der hohen Parameterzahl auch um eine Zufallsverteilung handelt sieht man halt auch an dem Auftreten des "Regression zur Mitte" Effekts (vereinfacht: Die Wahrscheinlichkeit extrem schlauer Eltern schlaue Kinder zu bekommen bzw extrem dummer Eltern dumme Kinder zu bekommen ist jeweils höher als der Durchschnitt, aber die Extreme werden in den Folgegenerationen selten erreicht und die Abweichungen der Filialgenerationen in das gegenläufigen Extremen haben auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die sich wiederum in einer verschobenen Gausskurve darstellt.) 


Um darüber sinnvoll nachdenken zu können, müßte man wissen, was bei der Vererbung überhaupt weitergegeben wird, und wie. Das Wissen hierüber ist umfangreich, aber dennoch lückenhaft.

Lange Zeit hielt man die Gene für die alleinigen Bausteine genetischer Information. In der Öffentlichkeit bereitete sich die Gewohnheit aus, sich einfach "Gene" für komplexe Eigenschaften oder Fähigkeiten auszudenken, und vom "Musiker-Gen", "Mathematiker-Gen", "Verbrecher-Gen" usw. zu reden. Gene sind jedoch, wie heute bekannt ist, Bauvorschriften für einzelne Proteine.

Die Vorstellung, daß der Mensch hauptsächlich genetisch bestimmt sei, und daß dies auch über seinen Wert entscheide, dominierte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die ganze westliche Welt. Die tonangebenden Ideologen dieser Richtung ergriffen auch politische Initiative, mit dem Ziel, gezielt Menschen mit erwünschten Eigenschaften zu züchten und andere mit unerwünschten Eigenschaften von der Fortpflanzung abzuhalten. Noch bis in die jüngere Vergangenheit wurden in vielen Ländern Menschen auf ärztliche oder behördliche Anordnung zwangssterilisiert (siehe unter: Eugenik).

Mittlerweile hat das genetische Wissen zugenommen, und damit auch das Wissen über das Nichtwissen. Lange hatte man große Abschnitte der DNA, deren Funktion unbekannt war, als funktionslos eingeschätzt und als genetischen Müll (junk DNA) bezeichnet. Dies hat sich als Irrtum herausgestellt. Ein weiterer lange für wahr gehaltener Irrtum besagte, daß der genetische Informationsvorrat eines Organismus bei seiner Entstehung vollständig feststünde und der Organismus ihn weder selbst beeinflussen noch in so beeinflußter Form weiter vererben könne. Die Epigenetik hat nun begonnen, uns nun eines besseren zu belehren.

Mein Fazit bis hier ist, daß die Genetik noch am Anfang steht, daß ihre zurückliegenden Teilerkenntnisse maßlos überschätzt und fehlinterpretiert worden sind, und daß sie weit davon entfernt ist, uns Aufschluß darüber geben zu können, wieweit erbliche Faktoren Menschen als Wissenschaftler oder Geschäftsleute befähigen.

Die Idee, daß solche Fähigkeiten in bedeutendem Maße genetisch bestimmt seien, wird meiner Meinung nach vor allem von Anhängern elitärer Gesellschaftsmodelle hochgehalten. Wie schon die Aristokraten ihre Rolle damit rechtfertigten, daß sie eben "die Besten" und daher mit Recht die herrschende Klasse seien (siehe unter: Aristokratie), haben auch weiße Europäer ihr Auftreten als Kolonialherren und Sklavenhalter damit gerechtfertigt, daß sie von Natur aus zu Herren bestimmt seien. Kein Wunder, wenn die, die für sich und ihre Kinder einen größeren Anteil vom Kuchen des gesellschaftlichen Reichtums beanspruchen als andere, sich dabei auf die Biologie zu berufen versuchen.

Schon bei der Einführung von IQ-Tests stand die Absicht Pate, unter den Kindern die herauszufiltern, die es wert sind, daß man ihre Fähigkeiten fördert, um an die anderen Kinder keinen Aufwand zu verschwenden. Ich bin überzeugt, daß eine Gesellschaft sich selbst schadet und in Stagnation ond Dekadenz verfällt, wenn sie nur ausgesuchten Kindern und nicht jedem Kind und jedem Erwachsenen jede Entwicklungschance zutraut und nach allen ihren Kräften möglich macht.

Nein! Betrachten wir einmal die Philosophien des alten weisen Aristoteles, der hat das damals schon gewusst, auch wenn ihm viele heute versuchen zu widersprechen.

Der Mensch wird als "Tabula rasa" geboren, also als "ungedeckter Tisch". Heute würde man sagen ein "unbeschriebenes Blatt". Wie sollte das auch vererbt werden. Was vererbt wird sind Gene und es gibt kein "Verhandlungs-Gen". Man kann aber feststellen, dass Kinder sehwohl oft Eigenschaften der Eltern übernehmen. Woher kommt das?

Nunja ganz einfach: Wenn die Eltern etwas vormachen, schaut sich das das Kind an und macht das nach. Verhandeln die Eltern also viel, kann man davon ausgehen, dass das Kind davon wind bekommt und so nach und nach sich ein wenig davon abschaut. Ähnlich ist es mit Musik, oder Kunst. Wenn die Eltern viel Musik machen, wird das Kind oft auch damit anfangen und ein gewisses "Talent" dafür mitnehmen.

Ein starker Bruch kann jedoch in der Pubertät entstehen. Hier lehnen Kinder ja oftmals bewusst die Art und Weise der Eltern ab. Ab da beginnt es auch stärker, das sich die Kinder an anderen Vorbildern (und nichtmehr den Eltern) orientieren. Sie nehmen dann oft Eigenschaften fremder Personen auf, von denen sie nachweislich keine Gene haben. Talente sind also in großem maße Lern- und nicht Vererbbar!

Kristall08  14.03.2016, 14:59



Der Mensch wird als "Tabula rasa" geboren, also als "ungedeckter Tisch".


Dem widerspreche ich, aus eigener Erfahrung.
Mein ältester Sohn, der seinen biologischen Vater im Alter von 13 Jahren kennen lernte, zeigte schon als Kind einige Verhaltensweisen und Eigenheiten, die auch sein Vater hat. Da er sie sich nicht abgucken konnte, woher sollen die gekommen sein?

1
Joergi666  14.03.2016, 15:05
@Kristall08

darüber hinaus gibt es auch schlichtweg gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, dass es eben nicht nur in der Erziehung begründet ist. Ohnehin finde ich es schon fast erschreckend welche große Rolle die Gene nach neuerem Stand spielen - also auch z.B. im Hinblick auf Erkrankungen - da steht die Wissenschaft erst am Anfang. Entsprechend konnten da auch die sicherlich klugen Philosophen noch keine Einschätzung vornehmen.

0
Luca2698  14.03.2016, 15:17

Ich würde auf Zufall tippen... Nur weil dein Sohn Dinge macht, die auch sein Vater gemacht hat, heißt das nicht unbedingt, dass Chrisgang falsch liegt...
Ausnahmen bestätigen die Regel, oder zeichnet sich dein Sohn in irgend einer Weise von der Masse ab (objektiv betrachtet)
Ich habe gerade ein pinken BMW vorbeifahren sehen, das heißt aber nicht, dass alle BMWs pink sind. Ja selbst wenn ich in wenigen Sekunden noch einen pinken BMW vorbeifahren sehe, heißt das immer noch nicht, dass alle BMWs pink sind.
Was der pinke BMW mit den verdächtigen Fähigkeiten deines Sohnes zu tun hat? Beides glückliche oder vielleicht unglückliche Zufälle...
Ja vielleicht suchst du in den Verhaltensmustern deines Sohnes nach Parallelen zu denen seines Vaters. Ein Denkfehler der vielen passiert. Du siehst nur das, was du sehen willst und alles was du nicht sehen willst, blendest du aus.
Das rechtfertigt aber trotzdem nicht, warum Chrisgang eine negative Bewertung bekommt.

0
PFromage  14.03.2016, 16:44
@Luca2698

Zufall ist das nicht. Es gibt gesicherte Erkenntnisse aus der Zwillingsforschung, die der Genetik den überwiegenden Anteil einräumen.

0
Karl37  14.03.2016, 19:54

Du bist nicht auf dem Stand der Wissenschaft. Bereits vor 90 Jahren experimentierte Iwan Pawlow mit Mäusen und stellte die Vererbung negativer Erfahrungen bei den Mäusen fest.

In jüngster Zeit beschäftigt sich die Epigenetik mit diesem Phänomen.

http://derstandard.at/1385169616802/Maeuse-koennen-negative-Erfahrungen-vererben

1
Chrisgang  15.03.2016, 15:02
@Karl37

Bei Mäusen konnten auch Mittel gegen Haarausfall gefunden werden, bei Menschen wirken diese nicht... Der Artikel verwechselt Korrelation und Kausalität.

Beispiel:
In Südamerika ist die Kriminalitätsrate deutlich höher als in Europa, deswegen sind Südamerikaner nicht von Kultur her krimineller - die Korrelation ist nicht die Ursache. Ursache (Kausa) hierfür wäre eher Armut!

0
Chrisgang  15.03.2016, 14:56

es gibt tatsächlich wissenschaftliche Arbeiten, in denen die Vererbung von Verhaltensweisen und ähnlichem nachgewiesen wird. ABER: Eine Verhaltensweise ist nicht zwingend ein Talent, das geht eher in Richtung "Instinkt"!

Sofern es um Talente oder Ähnliches geht wurde reihenweise Korrelation und Kausalität verwechselt. Korrelationen sind haufenweise feststellbar, aber das bedingt noch lange nicht eine kausale Beziehung! Hier sind viel zu viele Parameter zu betrachten um wirklich wissenschaftlich schlüssige Analysen auf diesen gebieten zu machen. Langfristige Beweise zu derartigen Thesen fehlen im übrigen volkommen! Kann es auch nicht geben, denn so lange ist Gen-Forschung noch nicht möglich.

0
namenlos81  12.06.2023, 12:26

Ist zwar schon 7 Jahre her, aber ich möchte auch etwas dazu sagen. Meine Mutter trennte sich von meinem leiblichen Vater als sie schwanger war. Meinen Stiefvater lernte sie kennen als ich 3 Monate alt war. Ich bin mit ihm aufgewachsen und wusste nicht, dass es nicht mein Vater ist.

Meine Mutter, mein Vater und meine Schwester sind Fußball vernarrt. Ich war es allein in der Familie nicht. Während ich anfing Musik zu mache und mir Bands zu suchen, hat in meiner Familie niemand etwas mit Musik zu tun, haben mich sogar noch angeschnauzt, warum ich immer so laut sein muss.

Als meine Mutter mir irgendwann gestand, dass ich einen anderen Vater hatte, sagte sie mir, er mochte kein Fußball und war Musiker. Außerdem litt er in jungen Jahren an leichten Depressionen, genauso wie ich.

Meine Familie konnte mit den traurigen Gedanken von mir nichts anfangen und waren überfordert mit meiner depressiven Verstimmung. Sie sind psychisch ganz anders aufgestellt wie ich.

Wie erklärst du dir, diese gravierenden Unterschiede in der Persönlichkeit innerhalb meiner engsten Familie, obwohl ich wie das eigen Kind mit den selben Verhältnissen groß geworden bin wie meine Schwester?

0

Die Vererbung hat da schon einen Einfluß. Warum sollte die sich auf Augenfarbe und Körpergröße etc.  allein beschränken? Sie ist indes nicht die alleinbestimmende Größe, auch die Erziehung und die Umwelt haben ihren Einfluß. Kommt noch hinzu, dass das Erbgut wie eine Art Lotterie sich zeigt. Kommt also drauf an, welche der Gene gerade zueinander finden, wenn gezeugt wird.