Macht dieser Satz Sinn?
"Ich bin nicht überrascht, ich habe es nur nicht erwartet."
Das widerspricht sich doch?? Oder nicht?
7 Antworten
Na ja, das ist auf jeden Fall grenzwertig. Im Normalfall ist man überrascht, wenn etwas eintritt, was man nicht erwartet hat.
Aber Überrascht-Sein bedeutet ja nicht, dass einem die Augen aus dem Kopf fallen müssen, wenn man etwas sieht, was man nicht erwartet hat, es bedeutet auch nicht, dass man vor Schreck in Ohnmacht fällt, wenn man etwas Schlimmes hört, oder dass man vor freudiger Überraschung zu kreischen anfängt, wenn sich etwas Positives ereignet, womit man nicht gerechnet hat. Das Überrascht-Sein kann sich auch ohne sichtbare Regungen ganz im Innern abspielen. Aber es ist da!
Da es schon etwas widersprüchlich ist, würde ich es sprachlich mit etwas mehr gegensätzlichen Ausdrücken garnieren oder durch andere Satzstellung hervorheben, dass das Überraschende eigentlich gar nicht so überraschend ist, z. B. so:
- Ich habe zwar nicht unbedingt erwartet, dass ihr noch mal vor denTraualtar treten würdet, andererseits bin ich aber auch nicht wirklich überrascht.
- Es schmeißt mich jetzt nicht vor Überraschung vom Hocker, dass Olli sich auf seine alten Tage noch so eine schwere Maschine zulegt, erwartet habe ich es allerdings nicht.
(Dialogszene in einer Geschichte - gerade mal schnell ausgedacht)
"Der Richter schickt Jenny lebenslang ins Gefängnis.", meinte Ines, die gerade den Raum betrat, "Ist das so?", murmelte ich leise vor mich hin und versuchte, die Spekulationen über die Möglichkeiten, die sich durch dieses Urteil boten, aus meinem Mienenspiel zu lassen. Aber offensichtlich war ich darin nicht so gut, wie ich gehofft hatte, denn Markus, der mich nicht aus den Augen gelassen hatte, meinte plötzlich "Du scheinst überrascht zu sein, Pete."
"Ich bin nicht ... überrascht; ich habe es bloß nicht erwartet, dass die Regierung uns diese Möglichkeit anbieten würde", antwortete ich. "Ich meine, ja, das Gesetz erlaubt die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe - aber Jenny hat immerhin die Mutter des Königs erwischt. Ich hätte vermutet, dass sie das in jedem Fall an den Galgen bringen würde - und aus einem Todestrakt ist noch nie jemand befreit worden. Doch aus einem Straflager? Selbst aus einem Hochsicherheitslager? Da gibt es Möglichkeiten ... Oh, ich sage nicht, dass es einfach wird, aber es besteht zumindest eine kleine Chance, dass wir Jenny befreien können."
"Es könnte aber auch eine Falle sein", meinte Markus. "Um den Rest von uns auch noch zu erwischen ... Immerhin hat Jenny mit Dir zusammen die Bewegung ins Leben gerufen. Sie ist eine Ikone ..."[etc. pp.]
In dieser Situation (oder einer vergleichbaren in Deiner Geschichte) ergibt der Satz also durchaus Sinn. Es muss nur exakt in den Kontext dessen passen, was Du erzählen willst.
PS: Wenn Die Szene bei Dir passt, darfst Du sie gerne benutzen.
Doch der Satz macht Sinn, denn es widerspricht sich nicht. Es würde sich widersprechen, wenn man beim Eintritt unerwarteter Ereignisse immer überrascht wäre. Das ist aber nicht so, wie folgendes Beispiel zeigt : du sitzt in einem Gastgarten und Leute gehen am Gehsteig vorbei. Hast du erwartet, dass genau diese Menschen vorbeigehen? In der Regel nicht und dennoch bist du nicht überrascht.
Das ist eine eher gehobene und etwas ältliche Ausdrucksweise, die jungen Leuten nicht mehr vertraut ist und die auch demjenigen komisch vorkommen mag, der eine sehr einfache Sprache hat und eventuell auch kein rechtes Sprachgefühl und nur Worte aneinander reiht so wie ein unbegabter Musiker Töne aneinander reiht.
"Ich bin nicht überrascht, ich habe es nur nicht erwartet."
Ich kenne solche Sätze durchaus. Sie drücken leichte Konsternation aus nach dem Motto - man ist eher etwas enttäuscht oder auch verwundert (ohne vorige Erwartungshaltung) als überrascht und hätte gedacht, dass die Sache, um die es geht anders ausgeht. So in der Art: Man hat vorher vermutet, dass die CDU die Wahl gewinnt bzw. ging davon aus, aber dann gewann die SPD die Wahl und man hat das zwar nicht erwartet, ist aber nicht direkt "von den Socken".
Nein.
Es ist dann noch im Rahmen der Möglichkeiten, nur u nwahrscheinlich.
In deinem Beispiel ist aber gar keine Überraschung enthalten, da man überhaupt keine Erwartungen hatte, als man sich in das Gartenlokal setzte und auf die Straße guckte. Wenn man nichts erwartet, können auch keine Erwartungen enttäuscht werden.