Könnt ihr mir Ursachen für die Mangelwirtschaft in der DDR nennen?

7 Antworten

Bei der Planwirtschaft darf man nichts, in Zahlen und Einheiten 0 Dinge, vergessen.

Außerdem funktioniert Planwirtschaft nur unter bestimmten Umständen wirklich gut:

- wir haben einen Insektenstaat, und hier v. a., dass Individualegosimus schon seit zigtausenden von Generationen nicht mehr durch die Evolution gefördert wird

- wir haben ausschließlich Idealisten als Staatsbürger, die es auch mal aushalten, ihre Kinder Hunger leiden zu sehen, ohne deshalb gleich auf die Idee zu kommen, Lebensmittel zu klauen, und die ihre ganze Arbeitskraft dem Staat zur Verfügung stellen, statt auch regelmäßig nur für sich selbst und ihre Familie zu arbeiten (ob Lebensmittel im Garten - die Produktivität von Individualgärten soll ein Vielfaches über der von "volkseigenen" Flächen)

- wir überwachen jedes Individuum den größten Teil seines Tages - dies erfordert natürlich eine sehr große Anzahl an Überwachern, die ihrerseits ernährt (und natürlich auch überwacht) werden müssen

- die Individuen wagen es, Eigeninitiative zu übernehmen, wenn was nicht nach Plan läuft (hier auch im wörtlichen Sinne)

- die Individuen wagen es, Leistung zu bringen, auch auf die Gefahr hin, dass es im nächsten Jahr nicht so gut läuft, bzw. sie werden für Bemühungen belohnt und nicht für Ergebnisse, die nicht allein von ihnen selbst beeinflusst werden (und entsprechend auch nicht für schlechtere Ergebnisse bestraft)

In der Planwirtschaft werden die Güterströme von einem weit entfernten Staatsorgan geregelt.

Auf diese Weise werden Engpässe in der Produktion meistens umständlich
und langsam bewältigt, weil sie erst auf Regierungsebene selbst
beratschlagt werden müssen.

Aufgrund dieser Verplanung ist das System auch wesentlich anfälliger für Kettenreaktionen. Zuletzt ist eine Planwirtschaft eher diktatorisch als demokratisch, da der Großteil der Beteiligten keinerlei Bestimmungsrechte hat.

Seit 25 Jahren gilt die Planwirtschaft als Auslaufmodell. Sie wird nur noch rudimentär in einigen Ländern angewandt, darunter lateinamerikanische Staaten wie Kuba oder Venezuela, wie dort die Wirtschaft funktioniert kann man täglich in der Zeitung nachlesen, es sind dort, wie in der DDR, die real existierenden Mängel sichtbar.

So war das Ergebnis, nicht jedoch der Verlauf.

Bis Mitte der 1970er Jahre war das Ergebnis in der DDR dem Ergebnis in der BRD vergleichbar. Erst danach flachte die Kurve ab und schlußendlich ging die DDR in Knie.
Die Gründe wurden von @Hegemon bereits näher beschrieben.

Wie kam dieser Plan zu stande?
Die Partei (SED) realitätsfern, legte fest was zu sein hatte, per Diktat.
Die Bevölkerung antwortete "wenn die so tun, als würden die uns bezahlen, dann tun wir so als würden wir arbeiten".

So gab  es Geschichten wie diese:

" Eine Gastwirtin klagte einst ihren Gästen ihr schweres Los.
Trotz aller Suche, sie könne keine Gefriertruhe finden, es gäbe gerade keine.
Das hörte ein ritterlicher Gast und gelobte der Frau sie von ihrem gar schrecklichen Los zu befreien.
Dauerte nicht lange, ein paar Tage später lieferte der Gast eine Tiefkühltruhe, der Wirtin nach Hause.
Was deren Not jedoch nicht linderte, denn was will der Mensch schon mit einer leeren Gefriertruhe, gell.
Es ergab sich gar trefflich, dass unter den Gästen Auslieferungsfahrer für die Metzger- und Fleischerläden waren. Die Truhe füllte sich umgehend."

Draußen vor den Läden standen die Leute Schlange "Entschuldigung haben sie keine Schnitzel?"
"Nein, wir haben keine Kottletts, keine Schnitzel gibt es nebenan."

Am Plan vorbei gab es fast alles, wenn man jemanden kannte, der einen kannte.

Was es zuweilen im Westen gab, wie Ikea Möbel, Haushaltsgeräte "Privileg" (Quelle) und einiges mehr, waren DDR Produkte.
Teils von Strafgefangenen in Zwangsarbeit hergestellt.
Weil die DDR Devisen brauchte um so Zeug's wie Kaffee und Orangen für's Volk kaufen zu können.

Man hatte es ja probiert, Kaffeebohnen durch Erbsen zu ersetzen, nur hatte sich die Idee nicht durchsetzen können.
Wie diese kleine Episode beschreibt:

"Zwei Arbeiter sitzen in der Kantine.
Sagt der eine " ...ist der Kaffee heut aber dünn".
Der andere "...Quatsch Kaffee, das ist doch Tee."
Da ruft die Köchin aus der Küche "...will noch jemand Kakao?"

Gerade wenn man denkt, schlimmer kann es gar nicht kommen, kommt es noch schlimmer.
Oel, zuvor von den Russen gratis geliefert. Ausgerechnet die eigenen "Brüder" verlangten ab Anfang der 1980er Jahre, gar Geld für Oel, das nicht einmal allein, sondern in Devisen.
Ohne Moos ist nunmal nix los, Plan hin oder her. 

Das gibts im Westen auch, nur völlig planlos, heißt es hier: "Wir haben das Beste gewollt, das Übliche ist dabei herausgkommen."

Jede wirtschaft muss sich irgendwie regulieren. In der marktwirtschaft werden angebot und nachfrage über den preis reguliert. In der planwirtschaft wird der preis politisch festgelegt, womit nur noch die verfügbare menge schwanken kann. Das gilt für alle märkte, für kaffee, südfrüchte, bücher, energie, wohnungen, arbeitsmarkt usw.

Natürlich gibt es auch in der real existierenden marktwirtschaft planwirtschaftliche tendenzen, wie man im moment bei energie, wohnungen, arbeitsmarkt (extremfall Frankreich) beobachten kann. Umgekehrt gab es auch in der DDR eine art marktwirtschaft, nämlich die schattenwirtschaft mit devisen (westgeld) und tauschgeschäften. Oder es lief wie beim kaffee: Es gab 2 sorten, aber die billigere war einfach nicht lieferbar.

(Geschrieben gemäss http://www.kleinschreibung.ch.)

Und hier noch ein paar Gründe, die immer wieder gerne verschwiegen werden:

1. Die DDR/SBZ hat 97-98% der gesamtdeutschen Reparationen bezahlt - pro Kopf das 130fache. Es wurden 2.000-2.400 der wichtigsten Industriebetriebe sowie 10.800 km (48%) Eisenbahnstrecke demontiert und in die SU geschafft. Anschließend erfolgten Entnahmen aus laufender Produktion in Höhe von jährlich bis zu 48% des Bruttosozialprodukts. Die von der DDR gezahlten Reparationen sind die höchsten in der Geschichte bekannten. (BRD erhielt Schuldenschnitt und Marshallplan.)

https://www.gutefrage.net/frage/wie-war-der-genaue-ablauf-der-mauer-nach-kriegsende?foundIn=list-answers-by-user#answer-248720697

2. Das Gebiet der DDR war schon vor dieser De-Industriealisierung landwirtschaftlich geprägt, hatte kaum Industrie und Bodenschätze und war dünn besiedelt (siehe Ostelbien).

3. das Verhältnis der Bevölkerung Ost zu West betrug etwa 1 zu 4.

4. Über Jahrzehnte gewachsene Lieferbeziehungen wurden über Nacht gekappt (Wirtschaftsboykott). Mit Nichts läßt sich schlecht produzieren, und ohne Stahl kann man auch kaum Autos bauen.

Bei diesen Extrem-Voraussetzungen stellt sich die Frage, welchen Anteil die Planwirtschaft tatsächlich hatte.

PeVau  22.05.2017, 22:47

Wenn man diese Voraussetzungen berücksichtigt, stellt sich die Frage, wo das eigentliche Wirtschaftswunder war.

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akesipalisa  23.05.2017, 08:37

Dein Punkt 2 stimmt nicht ganz, sondern trifft vor Allem auf den nördlichen und nordöstlichen Teil der DDR zu (Meck-Pomm, Brandenburg). In Sachsen und Sachsen-Anhalt gab es schon seit langem Industrie- und Bergbaubetriebe.

Deine Argumentation wurde so und ähnlich offiziell in der DDR gelehrt (ich war selbst DDR-Bürger). Sie enthielt  viele richtige Aussagen, aber der Grundtenor war: DDR, Sozialismus und Planwirtschaft sind klasse, wenn nur der böse Imperialismus  und die "4 Hauptfeinde des Sozialismus, nämlich Frühling, Sommer, Herbst und Winter" nicht wären.

Das Hauptproblem der Planwirtschaft sehe ich darin, dass sie großenteils von oben diktiert wurde, wenig oder keine Reserven einkalkulierte  und sehr starr war. War der Plan einmal beschlossen, wurde er selbst bei veränderten Bedingungen kaum angepasst. So konnte durch einen strengen Winter oder eine Havarie in einem einzigen Betrieb ein ganzer Industtriezweig lahmgelegt werden.

Der fehlende innere Konkurrenzdruck förderte das Festhalten am Althergebrachten und hemmte die Durchsetzung neuer Verfahren und Erzeugnisse (Melkus hat großartige Automodelle entworfen, aber gebaut wurde höchstens mal ein Prototyp).

Die überaus enge wirtschaftliche und politische Bindung an die Sowjetunion führte dazu, dass alle wirtschaftlichen Fehler der SU sich auch in der DDR auswirkten.

Die während der gesamten DDR-Geschichte bestehenden Versorgungsmängel waren ncht förderlich für das Ansehen des Sozialismus und der SED in der Bevölkerung, brachte aber eine Vielzahl sarkastischer Witze hervor ("Es ist alles da, nur nicht hier."

"Ich möchte gern eine Fahrkarte nach kürze." "Wo ist denn das?" "Weiß ich nicht, aber eine Verkäuferin hat mir gesagt: 'Wir haben hier nichts, aber in Kürze gibt es alles."

"Der Zug hat zwei Stunden Verspätung, weil eine Schneeflocke senkrecht auf einer Schiene gestanden hat."

Polizist zu Passant: "Können Sie sich ausweisen?" Passant: "Ach, kann man das jetzt schon selber machen?")

Die Rolle der sogenannten "Bürgerrechtler" wird heute m. E. übertrieben dargestellt. Es waren kleine Grüppchen in einigen Städten, die vor allem eigene (durchaus berechtigte) Interessen vertraten, darunter viele Schauspieler und Künstler, denen aus politischen Gründen faktisch ein Berufsverbot erteilt wurde.

Dass sie nicht die Interessen der Mehrheit der DDR-Bürger vertraten, zeigt sich auch darin, dass sie schon kurz nach der Wende in der Bedeutungslosigkeit verschwanden und nur einige wenige, die sich den etablierten BRD-Parteien anschlossen, Karriere machen konnten, z.B. Frau Merkel.

Eine grundlegende Lehre für mich ist, dass die Parteienherrschaft und das intransparente, bürgerferne und bürgerunfreundliche Regieren auf Dauer nicht funktioniert. Anzeichen dafür gibt es auch im heutigen Deutschland zur Genüge, und die heutige politische Führung ist von der Bevölkerung ähnlich abgehoben wie seinerzeit das SED-Politbüro. Deshalb werden sie nicht mal rot, wenn sie den Geringverdienern und Hartz-IV-Empfängern sagen: "Sie müssen natürlich auch privat für Ihr Alter vorsorgen, die stattliche Rente reicht nicht." Für - auch abgehalfterte - PolitikerInnen aber schon, ich sage nur Christian Wulff - kann wenig, tut nichts und bekommt vom Staat so viel wie zwei Dörfer voller Mindestrentner oder ein paar Dutzend Niedriglöhner.

Der heutige Staat verachtet seine Bürger. Politikerversagen heißt "Die Bürger sind politikverdrossen". Die Ununterscheidbarkeit der Parteien wird zu "Die BürgerInnen sind wahlmüde". Völliges Versagen wird genannt: "Wir konnten unsere Ziele nicht deutlich genug herüberbringen." Das freche Lügen und die falschen Versprechungen von PolitikerInnen nannte schon Konrad Adenauer, auf sich selbst bezogen: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern!" Und wenn gar nichts mehr geht, kommt Herr Stoiber nach dem Wahlsieg der SPD und ruft seinen Anhängern zu: "Wir haben die Wahl gewonnen!" Das ist so wahr wie Ulbrichts Satz: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten."

Wann gehen den Bürgern endlich die Augen auf über diese "Demokratie", in der vor den Wahlern versprochen, gelogen, verheimlicht und gekungelt wird und nach der Wahl die PolitikerInnen nach Belieben bzw. lobby-gesteuert handeln klnnen, wie sie wollen?

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Hegemon  23.05.2017, 09:46
@akesipalisa

"Dein Punkt 2 stimmt nicht ganz, sondern trifft vor Allem auf den
nördlichen und nordöstlichen Teil der DDR zu (Meck-Pomm, Brandenburg). In Sachsen und Sachsen-Anhalt gab es schon seit langem Industrie- und Bergbaubetriebe."

Ich habe nicht geschrieben, daß es keine Industrie gab sondern "kaum". Gleichwohl war die Industrie selbst im Süden nicht ansatzweise mit der im Ruhrgebiet vergleichbar. Was es gab, war vor allem Feinmechanik und dergleichen. Was es nicht gab, war die Montan- und Schwerindustrie. Die mußte erst entwickelt werden. 1945 gab es genau einen Hochofen. Betriebe wie das EKO Eisenhüttenstadt wurden aus dem Boden gestampft. Mit Steinkohle, Eisenerz und dergleichen sah es ausgesprochen traurig aus. Und mit Kali kann man keinen Stahl produzieren.

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PeVau  23.05.2017, 16:03
@akesipalisa

Dein Kommentar, akesipalisa, ist leider nur eine Aneinanderreihung oberflächlichster Aufzählungen von Erscheinungen, ohne analytische Tiefe, garniert mit ein paar abgedroschenen Witzen und Stammtischweisheiten. Dafür, dass du so viel geschrieben hast, ist es dir gelungen, erstaunlich wenig zu sagen. Das schafft nicht jeder!

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Claud18  23.05.2017, 17:06
@Hegemon

Das Bergbau- und Hüttenwesen in Sachsen hat bereits eine 800-jährige Tradition. Von wegen keine Montanindustrie! In Sachsen gibt es sogar die älteste Montanhochschule der Welt: Die Bergakademie Freiberg, gegründet 1765. Nur: Jahrhundertelang wurde hauptsächlich Silber abgebaut, und als dieses erschöpft war, erfolgte zunächst einmal der Niedergang des Bergbaus. Nach 1945 wurde dann vor allem Uran abgebaut, aber auch Blei und Zinn. Außerdem wurde das Erz vor Ort verhüttet, und das auch schon in vergangenen Jahrhunderten.
In der Lausitz entstanden die großen Braunkohle-Tagebaue. Nur Steinkohle- oder Eisenerzvorkommen gab es in der Tat wenig auf dem Gebiet der DDR. Zum Heizen wurde daher vor allem Braunkohle verwendet. In der DDR wurde sogar BHT-Koks auf Braunkohlebasis entwickelt, der vor allem in der Industrie zum Einsatz kam.

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Hegemon  23.05.2017, 17:25
@Claud18

Eben. Versuch mal, aus Zinn und Blei Eisenbahnwaggons oder Maschinen zu bauen. Dann kannst Du die auch gleich aus Papier falten.

Oder mit BHT-Koks Stahl zu gewinnen. Das hat man in Calbe versucht: minderwertiges Erz und minderwertige Kohle.

"In den folgenden Jahren kam man zu der Erkenntnis, dass das Verfahren trotz weiterer Verbesserungen der Niederschachtöfen auch in Zukunft nicht rentabel werden würde"

Also hat man das Werk 1970 wieder stillgelegt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Niederschachtofenwerk\_Calbe\_(Saale)

Hier hast Du's schwarz auf weiß - guck Dir an, wo welche Hüttenwerke wann standen, und wo nicht:

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste\_von\_H%C3%BCttenwerken\_in\_Deutschland

Angesichts dessen kannst Du Dir - mit Verlaub und bei allem Respekt - Deine 800jährige sächsische Bergbau- und Hüttentradition sorgsam ausdrucken, einrahmen und an die Wand hängen. :-)

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Claud18  14.05.2020, 19:50
@Hegemon

Die sächsischen Hütten stehen auch auf der Liste, und auch seit wann sie in Betrieb sind!

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