Ist es schlimm „seine Jugend zu verpassen“?

8 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich sage es mal so: Der eine so, der andere so - es gibt solche und solche, aber mehr solche wie solche! Nur weil gewisse Leute in ihrer Jugend nix auslassen, indem sie chronisch von einer Party auf die andere hetzen und jedes Wochenende unterwegs sind, muss das nicht jeder so machen. Wenn du z.B. ein ruhiger und häuslicher Typ bist, der mit Serien, Musik und Videos sowie den Hunden zufrieden und glücklich ist und gar nicht den Wunsch hat, irgendein ausschweifendes Partyleben und/oder Beziehungen mit Mädchen zu führen und großartig bei den "Coolen" zu reüssieren, dann ist das doch alles in Ordnung. Anders wäre es, wenn dir was fehlen würde und du was vermissen würdest, aber das scheint offenbar nicht der Fall zu sein.

Ich (m, 32) war als Jugendlicher auch eher ruhig. Ich ging gern ins Jugendhaus und zum Fußball, aber ich war keiner, der jedes Wochenende auf die Partys und Konzerte ging. Mir wurde sogar von einer Lehrerin (die hatte aber eine Macke.. tut mir leid wenn ich des so sag^^) bescheinigt, langweilig zu sein und bieder, weil mir meine Familie und unsere Tiere wichtiger waren als Mitschüler, ich eher "gesetzt" war (halt ein einfacher Junge vom Land, kein cooler Adonis, der den Ton angab) und ich meine Freunde fast alle außerhalb der Schule hatte. Damals sagte ich aber schon: Das Bündnis zur Klasse reißt irgendwann einmal, das zur Verwandtschaft aber nie. Genau so ist es auch gekommen - und die Freunde, die ich außerhalb der Schule hatte, habe ich heute noch.

Ich habe heute nicht das Gefühl, irgendwas verpasst zu haben und muss sagen - meine Jugendzeit war in Ordnung. Ich war nicht der Coole und der Laute, nicht zweimal im Monat oder gar jedes Wochenende besoffen, ich war der nette Typ von nebenan und hatte auch immer die selbe Freundin über vier Jahre hinweg, mit der ich (mit 17) auch mein erstes Mal hatte (war trotz Gipsbein total schön) ... wobei ich sagen muss: Ich wohnte in der Vorstadt und da hatte man so viele Möglichkeiten objektiv gar nicht. Ich war erst dann in der Lage, wirklich was außerhalb zu machen und gescheite Leute kennen zu lernen, als ich 2008 den Führerschein gemacht und mir einen alten Audi 100 gekauft habe. Der kostete nur 500 Euro und war 20 Jahre alt, aber er machte mich endlich mobil.

Sicher wird deine Mutter es gut meinen, aber jeder Mensch ist verschieden und wenn du eher ruhig bist und vielleicht auch mit den Gleichaltrigen in deinem Umfeld wenig anfangen kannst: Ich bin zum Beispiel an der Berufsschule aufgeblüht, wir hatten eine tolle Zeit, eine nette Kameradschaft, eine nette Clique und ich hatte dann auch Leute, mit denen ich gut klar gekommen bin und ich hatte sechs Wochen nach meinem "Einstand" dort eine Freundin gefunden, mit der ich dann vier Jahre lang zusammen war - ich war Mitglied einer Emo-/Gothic-Clique, wir sind immer noch untereinander befreundet - es war Freundschaft vom ersten Moment an. Wir haben gern zusammen gegrillt und waren oft zusammen unterwegs, auch als wir dann Autos hatten, und trafen uns häufig auch "einfach nur so".

Kleine Idee: Frage doch mal deine Mutter, wie es wäre, wenn du jedes Wochenende "on tour" wärst und sie jedes Wochenende um Geld für Partys anschnorren müsstest, ehe sie dich nachts irgendwo jwd auf der Heide abholt oder ewig Angst hat, weil du dich nicht meldest bzw. bis du wieder kommst. Ich bin mir sicher, das wäre auch nicht optimal - es ist oft auch so, dass man es falsch macht, wie man es macht.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Tomatenveteran 
Fragesteller
 08.07.2023, 18:16

Danke für diese wertvolle Antwort!

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rotesand  08.07.2023, 18:16
@Tomatenveteran

Gern, ist "nur" eigenes Erleben. Ich freue mich, wenn ich dir damit helfen konnte.

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Hast Du Freunde/Bekannte? Leute, die dich interessieren?
Manchmal macht man ja so…Dinge zusammen. Kino, quatschen, Freizeitbad, schwimmen, spazieren gehen…

Kann auch sein, daß Du Dich da erst noch „entfalten“ musst.

Ich bin wahrscheinlich eher im Alter deiner Mutter und ja, ich würde mir vermutlich erstmal Sorgen machen, weil ich denken würde „mein Kind vereinsamt“

Nützt dir aber nichts, wenn ich dir sage

* wir haben damals Baumhäuser gebaut

* wir haben damals zusammen gecampt

Ich denke, du würdest rausgehen, wenn du es wolltest.

Deine Zeit wäre nur sinnlos vergeudet, wenn Du aus ihr keinen persönlichen Nutzen oder Vorteil ziehen, oder Dir etwas, was Du gerne möchtest, verwehren würdest.

Deinem Kommentare auf die Antwort von Realisti entnehme ich jedoch, dass dem nicht so ist. Lasse Dir also kein Problem einreden, wo keines vorhanden ist.

Ja natürlich ist das schlimm! Wenn du alt bist, wirst du dich sehr oft an deine Jugend erinnern. Das kannst du aber nicht wenn du immer nur drin gehockt hast.

Seine Jugend "verpassen" tut vor allem jemand, der durch äußere (Gewalt-)Einflüsse an signifikanten Stadien seiner persönlichen oder sozialen Entwicklung gehindert wird, etwa durch Gewalt in der Familie, durch jahrelages Mobbing in der Schule, durch jahrelangen äußeren Druck zur musikalischen oder zur sportlichen Hochleistung etc.

Demzufolge würde ich nicht unbedingt behaupten, dass Du Deine Jugend verpasst, wenngleich Dir sicher vieles von dem entgeht, was Du ansonsten tun könntest und was viele andere tun. Das ist aber eher Vergeudung von Zeit und Verschwendung von Potential, da Du es nicht nutzt. Solange das eine temporäre Phase bleibt und Du irgendwann einmal die Kurve kratzt, ist das kein Problem. Auf Dauer ist das aber gefährlich und macht aus Dir im besten Fall einen Langweiler, im schlechtesten aber einen Loser, der nie gelernt hat zu leben.