Gibt es Menschen, die freiwillig Lektüren aus dem Deutschunttericht lesen?

12 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Als Erwachsener begann ich tatsächlich damit, diverse Klassiker von Goethes "Faust" über das "Schiff Esperanza" (Fred von Hoerschelmann) bis zum "getreuen Eckart" freiwillig zu lesen, die wir zur Schulzeit als Reclam-Heft damals lesen mussten und eher beiläufig bis teilnahmslos und evtl. widerwillig lasen. Ich habe es nicht bereut!

Ich denke, dass man für solche Literatur eine gewisse Reife und ein gewisses Interesse braucht und sie für Jugendliche einfach zu weit weg sind - sie wecken kein Interesse, sich damit zu befassen. Wobei andererseits die Altersphase schwierig ist - die Jugendlichen interessieren sich meist für alles mögliche, nicht aber für die Schule oder Bücher und erst recht nicht für die nicht sofort nachvollziehbaren Gedanken eines Literaturpapstes, der seit hundert Jahren tot ist. Da kommt alles zusammen. Selbst wenn ein solches Buch dann ein gutes und fesselndes Buch ist, ist es dann doch noch mit dem Malus "Schule" behaftet, so dass ihm was Zwanghaftes nicht abgeht - und in der Freizeit will man mit der Schule so wenig wie möglich zu tun haben.

Es mag aber sicher Jugendliche geben, die solche Bücher bzw. Reclam-Hefte oder die Hamburger Lesehefte lieben, das freiwillig lesen und sich gern damit versorgen - das sind aber dann meist die "Streber", die allgemein als etwas humorlos und sonderbar gelten, die auch nicht auf Partys gehen und mit den Gleichaltrigen oft nix zu tun haben wollen - so meine Erfahrung.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Ja, allerdings! Hesse, Frisch, Dürrenmatt, Büchner und Kafka lese ich auch außerhalb der Schule noch wieder gern. Zu Goethe und Schiller habe ich allerdings weiterhin eher nicht so den Zugang.

Und es studieren auch nicht wenige Germanistik. Die werden schon ihre Gründe haben!

In einer der Antworten ist ja schon darauf hingewiesen worden, dass alles eine Frage des Zugangs ist. Wenn etwas schlecht vermittelt wird oder mit Zwang verbunden wird, sind die Voraussetzungen für Akzeptanz nicht besonders groß.

es gibt aber noch einen anderen Aspekt, das ist die Frage, wie sehr man sich mit etwas beschäftigen muss, bevor man vielleicht sogar anfängt, es zu lieben.

Es gibt ja den berühmten Satz: man sieht nur, was man weiß. D.h. es müssen bestimmte Voraussetzungen da sein, um etwas schön zu finden. Das sieht man auch bei bestimmten Sportarten. Wer keine Ahnung vom Fußball hat, wird es kaum schön finden, was du auf dem rasen abgeht.

Ich habe es in meinem Leben sowohl in der Schule als auch später im Studium oder sogar als Lehrer in der Schule immer wieder erlebt, dass eine Zwangslektüre bei mir erst mal richtige Aggressionen ausgelöst hat. Wenn es dann gut gelaufen ist, habe ich irgendwann angefangen, Interesse an dem Roman zum Beispiel zu finden. Und den einen oder anderen habe ich am Ende sogar geliebt.
so ist mir das zum Beispiel auch mit der drachenwand gegangen. Irgendwann fand ich es faszinierend, was da über einen Menschen und seine unmittelbare Umgebung erzählt wurde. Ich fand es sogar am Ende gut, dass ausnahmsweise mal erzählt wurde, wie die Geschichte angeblich weiter ging.

Langer Rede kurzer Sinn: um etwas wirklich interessant zu finden, muss erst mal die richtige Vermittlung da sein. Jemand muss gewissermaßen Werbung dafür machen. Die zweite Variante des Zugangs ist, dass sich selbst bei einem beim Lesen etwas verändert. Es gibt gewissermaßen Liebe auf den ersten Blick und Liebe am Ende einer längeren gemeinsamen Reise.

gutifragerno  11.08.2023, 18:04

hier hat schon mal jemand versucht, mit Werbung für eine Schullektüre zu beginnen und nicht mit Zwang ;-)

Lust auf „Wilhelm Tell“? – Wir zeigen, wie das möglich ist …

https://youtu.be/-l1tDT3yFlQ

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Ich verstehe, was du meinst. Damals an der Schule hatte ich auch nur wenige Bücher wirklich mit "Freude" gelesen. Aber das lag vor allem an der miesen Atmosphäre, den schlechten Lehrern usw.

Aber z.B. Goethes "Faust" habe ich verschlungen, mir später sogar noch mal gekauft mit zusätzlichen Erklärungen und am Abendgymnasium nochmal gelesen. Es war für mich einfach immer ein Genuss! 😊

Inser der blauen Delphine und Outsider hab ich auch zuhause gelesen, die anderen waren nichts für mich oder wurden durch den Lehrer kaputtgemacht.
In Englisch hatten wir Treasure Island als Lektüre, das fand ich super und hab seitdem viel auf englisch gelesen, im Unterricht (mit Erlaubnis!) z.B. auch den Hobbit und LotR sowie den Hitchjikers Guide.

Die Wolke und Stolperschritte fand ich nur ätzend. Die Welle wäre sicher besser angekommen, wenn wir nicht, wie schon in Politik und Geschichte (jeweils von der 7. bis zur 10. Klasse), mit erhobenen Zeigefingern, Pauschalbeschuldigungen aller unserer (Ur)Großeltern als fanatischen Massenmördern und uns selbst als mit einer nicht abwaschbaren Erbschuld die uns alle wertlos macht belastet dargestellt hätte. Wenn dei einzige Botschaft, dei der Lehrer einem aus dem Buch zugesteht "wir sind alle im Inneren doch nur dumme Mitläufer und Nazis" ist kann das schonmal ganz minimal nerven.
Oh und Wilhelm Tell als "Drehbuch" für die Bühne war auch ganz toll. Nicht. Die Geschichte ansich hab ich dann später mal gelesen aber dieses Dingen ging garnicht, 0 Lesefluss.