Gibt es überhaupt "richtig" und "falsch"?
...oder nur gesellschaftlichen Konsens?
5 Antworten
Interessante Frage!
Es kommt da darauf an, welchen Erkenntnisweg man beschreiten will. Beschreitet man den Empirismus, geht es bergab Richtung Nihilismus, der die Zerschlagung aller Werte und aller Wahrheiten in einem kalten, gleichgültigem Universum zum Ziel hat - und erhebt sich selbst zur Wahrheit, wodurch er sich auch selbst zum Untergang verurteilt.
Blickt man aus diesem Blickwinkel, kann man sagen: Nein, es gibt nichts. Siehe Nietzsches "Philosophieren mit dem Hammer".
Aber es gibt auch andere Erkenntniswege. Es gibt die Metaphysik, die Logik, oder auch Religion. Alles verwandte Begriffe, die klar sagen: Ja, es gibt objektive Werte, die von Gott stammen und gesetzt sind und in Form von Offenbarungen offenliegen.
Diese Werte haben meistens das Ziel, so zumindest im Islam, die Stabilität und die Harmonie der Gesellschaft zu schützen. Aus diesem Blickwinkel heraus betrachtet kann man sagen: Ja, es gibt universal gut und böse, und über die grundlegenden Aspekte, die Grundpfeiler dieses Denkens ist sich wohl die Allgemeinmenschheit einig - Ein Konsens, sozusagen. Über einzelne Details dürfte es Unterschiede geben.
Also: Es kommt drauf an, wie du es betrachtest.
Betrachten wir einen Brauch wie Sati in China oder Indien, bei dem Witwen verbrannt werden. Warum ist das falsch? Eine subjektive Ansicht könnte lauten, dass es gegen den Willen eines Menschen geht. Doch die subjektive Ansicht des Praktizierenden ist eine andere: Er argumentiert aus Erfahrung, Tradition und Treue zu seinem Brauch, um die Frau im Tod mit dem Mann wieder zu vereinen.
So kann jeder argumentieren. Das führt uns zu der grundlegenden Frage: Was ist richtig oder falsch? Wenn jede Ansicht nur subjektiv ist, woher nehmen wir dann eine objektive Referenz, um zu sagen, diese Tat ist falsch? Denn sie ist ja falsch, sie ist nicht richtig. Wir können unter Subjekten diskutieren, aber wo finden wir die Objektivität, um etwas als absolut falsch zu bezeichnen?
Die Suche nach einer objektiven WahrheitOhne einen objektiven Maßstab könnten wir nicht einmal sagen, dass es absolut falsch ist, Juden zu vergasen und Kleinkinder zu töten. Die Frage ist also nicht, ob man Werte und Moral hat – jeder Mensch hat sie –, sondern die entscheidende Frage lautet: Worauf basiert sie?
Ich kann mich auf Gott stützen, denn Gott ist der Maßstab. Gott ist diese Objektivität, weil er weder Mann noch Frau ist, außerhalb von uns Menschen und unabhängig von uns existiert. Er sagt mir, welche Tat richtig und welche falsch ist.
Die Grundlage der Moral: Gott oder Erziehung?Aber auf was gründet sich die Moral bei einer atheistischen Weltanschauung? Wenn die Antwort Liebe oder Erziehung lautet, stellt sich sofort die nächste Frage: Von wo weißt du, dass die Werte, nach denen du lebst, die richtigen sind? Denn auch der Mann in China, der seine Tradition fortführt, argumentiert genauso. Er sagt: „Aufgrund von Liebe mache ich das, aufgrund weil ich meinen Brauch aufrechterhalten möchte.“ Beide Seiten haben ihre Argumente. Liebe allein kann also nicht die Basis sein, wenn sie zur Rechtfertigung gegensätzlicher Handlungen dient.
Die simple Frage bleibt: Auf was gründen Sie es? Wenn du Gott aus dem Bild tust, dann hast du keine Basis für Werte und Moral.
Die Herausforderung einer atheistischen BegründungStellen wir uns ein Szenario vor: Man spricht mit einer Person, die diesen Brauch fortführen will, und sie argumentiert genau mit den gleichen Prinzipien – Erziehung und Liebe. Sie sagt: „Ich bin so erzogen worden, ich habe die Liebe bekommen, die möchte ich weitergeben, und damit die Gesellschaft weiterhin so bestehen bleibt, möchte ich meinen Brauch aufrechterhalten.“ Wie würdest du argumentieren?
Diese Argumentationslinie stößt an ihre Grenzen. Das heißt, wenn ich im Zweiten Weltkrieg Juden vergast und Kleinkinder getötet hätte, könntest du nicht dagegen argumentieren. Du hättest keinen objektiven Maßstab zu sagen: „Hey, das, was du machst, ist falsch.“ Du müsstest sagen, die Person solle selbst darauf kommen. Hier wird deutlich: Die Freiheit eines Menschen hört dort auf, wo die Freiheit eines anderen Menschen anfängt, eingeschränkt zu werden.
Ein objektiver Maßstab aus dem GlaubenAus meiner Sicht gründet meine Basis auf einem Schöpfer. Einem Schöpfer, der die Realität ist, uns erschaffen und uns diesen Test in diesem Zeitraum auferlegt hat. Er sagt uns: Sein Wesen ist der Maßstab.
Das heißt, ich habe einen Koran, der mir sagt: „derjenige, der einen unschuldigen Menschen tötet, ist so, als hätte er die gesamte Menschheit getötet.“ Daraus kann ich ableiten, dass es falsch ist, einen unschuldigen Menschen zu töten. Der Vers geht weiter und sagt, wer einen Menschen rettet, hat die gesamte Menschheit gerettet. Daraus kann ich ableiten, dass ich Zivilcourage zeigen muss. Das heißt, ich kann aus all diesen Versen meine Moral ableiten und mein Handeln danach richten. [1]
Der im Beitrag verlinkte "Sertac Odabas" ist ein radikaler salafistischer Islamist. Es kam zum Skandal, als die Christian-Albrechts-Universität einen Vortrag dieses Islamisten zuließ, wo unter anderem Aussagen zur Züchtigung von Frauen fielen und es eine räumliche Geschlechtertrennung gab. Mittlerweile ist der Vorstand der Islamischen Hochschulgruppe, die für die Einladung dieses Islamisten verantwortlich war, zurückgetreten und die Hochschule entzog der Gruppe ihre Rechte.
Der Salafismus ist der extremistische Bodensatz des Islam und ideologische Grundlage für den Islamischen Staat.
Anständige Menschen halten sich von solchen Leuten und ihren Videos fern.
Gibt mehrere Arten von "Richtig" und "Falsch".
Dein "Richtig",
Das "Richtig" des anderen,
Das kollektive "Richtig".
Och maaan wo ist denn wieder mein Feuerzeug...
Wobei du nicht vergessen darfst, dass der Mensch eben irrational ist, es also auch zu Situationen kommen kann, in denen beide richtig liegen, nur einer, oder keiner... selbst wenn sie den gleichen oder gegensätzlichen Standpunkt vertreten.
Wie groß die Kluft zwischen zwei Menschen ist, ist abhängig von der Vernunft. Z.B. wäre es Unfug zu widersprechen wenn ich sagen würde; ,,Zwei Bonbons sind zwei Bonbons", da ist sich die Mehrheit sicher einig... aber selbst da, auch wenn ich fest der Überzeugung bin richtig zu liegen, gibt es sicherlich Gegenstimmen.
Ich glaube also wenn man nur schaut was logisch richtig ist, muss man nicht zwangsläufig ein Verständnis im gegenüber dafür aktivieren warum das für einen selbst alternativlos richtig sein muss.
LG
Das ist kein Widerspruch. Es kann als gesellschaftlicher Konsens existieren.
In der Aussagenlogik lassen sich klare Aussagen zu richtig und falsch treffen. Zum Beispiel ist es richtig, dass wenn A größer als B ist und B größer als C, daraus folgt, dass A größer als C ist.
Was du wahrscheinlich meinst, sind ethische Normen oder andere, gesellschaftliche Vereinbarungen, wie Dresscode, Homosexualität, usw., also die Akzeptanz des Andersseins oder du meinst das Sprechen über Gefühle und Geschmack.
Es gibt getrennte Diskurse - im wissenschaftlichen Diskurs gibt es halt anerkanntes und falsifiziertes - ebenso in der Politik, wobei dort Werte und Haltungen noch eine große Rolle spielen.