Darf Rettungsdienst einfach dreckige Sachen liegen lassen?

8 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Moin!

Zuerst einmal: zu dem Verlust möchte ich dir mein Beileid aussprechen.

Um auf deine Frage zu kommen:

Darf Rettungsdienst einfach dreckige Sachen liegen lassen?

Eine gesetzliche Pflicht besteht außer bei Gegenständen, von denen eine konkrete Gefahr ausgeht, also:

-benutze Einwegartikel, insbesondere solche mit jedwedem Sekret- oder Blutkontakt,

-verschlossene und/oder bereits geöffnete und aufgezogene Medikamente, insbesondere solche, welche dem BtMG unterliegen und Esketamin,

-verletzungsträchtige Gegenstände, wie Venenkatheter, Kanülen, Thoraxdrainagen, Koniotomiesets etc

nicht.

Allerdings gehört es zum guten Ton und der professionellen Arbeitsweise von Fachkräften, die Einsatzstelle sauber und ansehnlich zu hinterlasse, besonders im Falle einer frustranen Reanimation, wie in dem geschilderten Falle.

Ohne die Gegenseite (die der Kollegen, zu kennen, also unter Vorbehalt), nenne ich das eine Sauerei. Sowas gehört sich nicht.

Im Falle einer frustranen Reanimation muss den Angehörigen ein würdevoller Abschied ermöglicht werden, wenn die Umstände es erlauben. Diese genannten Umstände sind, bei unklarer Todesursache (wie fast immer im Rettungsdienst) die polizeilichen Ermittlungen. Für diese muss der Verstorbene MÖGLICHST unverändert gelassen werden. Im Einzelfall entscheidet das der den Einsatz leitende Notarzt. Es kann vorkommen, dass invasive Maßnahmen (Tubus, PVK, Defibrillationselektroden) am Verstorbenen belassen werden, bis die Polizei die Einsatzstelle übernommen und dokumentiert hat. Man versucht trotzdem, für die Angehörigen eine möglichst erträgliche Situation herzustellen, dazu gehört als erstes: aufräumen. Was deiner Mutter widerfahren ist, gehört sich einfach nicht.

Selbst bei Einsätzen, in denen ein Patient nach Behandlung sofort abtransportiert werden muss, weil es wirklich auf Schnelligkeit ankommt (zum Beispiel manche Verletzungsmuster) kann der Fahrer des NEF die Einsatzstelle weitestgehend taktvoll herrichten und zum Krankenhaus nachkommen oder es muss ein Löschfahrzeug zur Einsatzstelle kommen und aufräumen und nachsehen, ob nicht doch zufällig Geräte oder andere Ausrüstungsgegenstände vergessen wurden. Irgendwie geht es immer, wenn man ordentlich genug arbeiten will.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
ZeDic 
Fragesteller
 02.05.2022, 22:15

Danke für deine Antwort. Ich habe anscheinend etwas respektlos geklungen, aber im Zusammenhang mit der Lage das ich emotional zu dem Zeitpunkt etwas schwierig war sollte man das verstehen ( was die meisten anscheinend nicht verstanden haben). Danke nochmals

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iwaniwanowitsch  03.05.2022, 06:45
@ZeDic

Kein Problem, gern!

Ich habe anscheinend etwas respektlos geklungen,

Finde ich nicht. Was die Kollegen sich geleistet haben, finde ich euch gegenüber respektlos und deine Beschwerde angebracht. Wir sind Fachkräfte und müssen sorgfältig arbeiten, wenn der Patientenzustand es nicht verbietet. Und bei einem verstorbenen Patienten besteht kein Grund zur Eile mehr, dann ist es das mindeste und der letzte Dienst am Verstorbenen und den Angehörigen, wenigstens einen würdevollen Einsatzort zu hinterlassen.

Die empörten Antworten hier stammen von Leuten ohne Fachwissen, die der Meinung sind, trotzdem ihren Senf abgeben zu müssen. Die denken offensichtlich, dass der Rettungsdienst von einem Notfall zum nächsten jagen muss und solche Aufgaben nicht nötig hat.

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Von Experte Rollerfreake bestätigt

Hi,

Darf Rettungsdienst einfach dreckige Sachen liegen lassen?

Grundsätzlich mal: ja.

Die Aufgaben des Rettungsdienstes sind in den Landesrettungsdienstgesetzen und -plänen geregelt - das Aufräumen der Einsatzstelle fällt nicht darunter.

Es darf durch die rettungsdienstliche Arbeit allerdings keine Gefahr für Dritte entstehen, somit sind zumindest Ampullen und Kanülen im Abwurf zu entsorgen und Medikamente ggf. zu verwerfen. Dieses Verhalten wäre tatsächlich vorwerfbar.

Wie kann man so etwas abziehen?

Der Rettungsdienst hat eine klar definierte Aufgabe - alles, was darüber hinaus erfolgt, ist reine Gefälligkeit des Personals, auf die man letztendlich keinen Anspruch hat.

Das Aufräumen nach einer umfangreichen Patientenversorgung mag zum guten Ton gehören - mehr ist es in diesem Falle allerdings tatsächlich nicht.

Ich gebe zu bedenken: jeder hat das Anrecht auf zeitnahe professionelle Hilfe bei medizinischen Notfällen - so wie sie deinem Onkel, wenn auch ohne Erfolg, zu Teil wurde, muss sie auch jedem anderen zu Teil werden.

Und das funktioniert - überspitzt ausgedrückt - leider Gottes nicht mehr, wenn man nach stundenlangen Einsätzen mit Rückfahrt, Auffüllen, Putzen und erneut Checken auch noch eine halbe Stunde die Wohnung "besenrein" macht.

Wenn es für die Angehörigen "zu viel" wird, gibt es Angebote der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV), die auch über den eigentlichen Einsatz hinaus betreuen (und an dieser Stelle auch eigentlich zuständig wären).

LG

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Notfallsanitäter, Blogger, Medizinstudent
iwaniwanowitsch  29.03.2022, 20:40

Da das bisschen Aufräumen (niemand redet von besenreinen Wohnungen, sondern davon, ein paar Tütchen und Kompressen ein zu packen) keine halbe Stunde dauert, fällt das nicht ins Gewicht. Da fressen weitaus schwachsinnigere Aufgaben mehr Zeit. Seltsamerweise hinterlasse ich meine Einsatzstellen immer sauber und aufgeräumt, insbesondere nach frustranen Reas. Sowas gehört für mich einfach zum Respekt, der Professionalität und Pietät.

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Schulle02  29.03.2022, 20:55
@iwaniwanowitsch

Wie du schon geschrieben hast: „es gehört für dich dazu“. Vollkommen in Ordnung. Für mich grundsätzlich auch. Mülltüten sind nicht umsonst im Rucksack. Aber wir beide kennen die Gesamtumstände des oben beschriebenen Einsatzes nicht. Manchmal geht es eben nicht anders. Einen „Rechtsanspruch“ auf zufriedenstellende Reinigung gibt es aber nicht.

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iwaniwanowitsch  29.03.2022, 21:06
@Schulle02

Eben genau diesen Punkt

Aber wir beide kennen die Gesamtumstände des oben beschriebenen Einsatzes nicht.

habe ich deshalb in meiner Antwort auf die Frage explizit genannt. Da gebe ich dir völlig Recht.

Wie du schon geschrieben hast: „es gehört für dich dazu“. Vollkommen in Ordnung. Für mich grundsätzlich auch.

Ich wundere mich nur immer wieder, was für "krasse" Arbeiten ich mit nur ein bisschen Fleiß während meiner Schichten schaffe, wofür andere "keine Zeit" o.ä. haben.

Manchmal geht es eben nicht anders.

Wenn man sauber und ordentlich arbeiten will, geht das aufräumen immer irgendwie, selbst wenn man ein weiteres Fahrzeug dafür kommen lässt. Speziell bei einer frustranen Rea, hat man eigentlich die Zeit dazu.

Aber, wie du bereits erwähnt hast: keiner von uns war dabei. Insofern, wir können hier nur schätzen, vermuten, raten.

Wie gesagt: ich stimme dir vollkommen zu.

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SaniOnTheRoad  29.03.2022, 21:22
@iwaniwanowitsch
Da das bisschen Aufräumen (niemand redet von besenreinen Wohnungen, sondern davon, ein paar Tütchen und Kompressen ein zu packen) keine halbe Stunde dauert, fällt das nicht ins Gewicht.

Eine Hyperbel dient der Hervorhebung eines Punktes...

Ich vermute mal, ohne es zu wissen, dass es hier nicht um ein Paar Tütchen und Kompressen ging, über die sich der FS ärgert.

Je nachdem, wie intensiv am Patienten gearbeitet wurde, kommt da auch schon mal was zusammen, was man nicht mit zweimal Bücken beseitigt. Dann wird noch Blut und Erbrochenes aufgewischt und der Verstorbene vom engen Hausflur einmal quer durch die Wohnung ins Bett oder auf die Couch bugsiert. "Klein Vieh macht auch Mist." - und es summiert sich eben.

Nach zwei Stunden Einsatz auf dem platten Land, wo das Gebiet einfach nicht abgedeckt ist, sind die zehn Minuten extra eben etwas kritischer zu sehen, als in der Großstadt.

Sowas gehört für mich einfach zum Respekt, der Professionalität und Pietät.

Das tut es für mich auch - genauso wie der Fokus auf der medizinischen Behandlung statt der Transportdienstleistung, Beratung von Patienten und Vermittlung an passende Hilfsangebote, wenn der RD nicht zuständig ist.

Und da sind mitunter auch Punkte dabei, wo ich aus unseren bisherigen Schreiben behaupten kann, dass Du sie nicht lebst.

Es ist eben der "gute Ton" - allerdings keine Verpflichtung mit Rechtsanspruch.

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Da kommt der Rettungsdienst ins Haus und versucht Alles, um ein Leben zu retten und danach beschwert sich der Bewohner, weil der Rettungsdienst nicht aufgeräumt hat??? Ernsthaft???

Wenn der Rettungsdienst ein Leben gerettet hat, bin ich froh und dankbar und beseitige die Spuren der Aktion (kostet mich ein müdes Lächeln)

Wenn der Rettungsdienst ein Leben nicht retten konnte, bin ich so traurig darüber einen geliebten Menschen verloren zu haben, dass es mir gar nicht einfällt, mich über das bisschen Aurräumarbeit zu echauffieren.

Maxxismo  29.03.2022, 19:40

Es geht hier nicht um "ein bisschen Aufräumarbeit", sondern um die Beseitigung der Überreste eine traumatischen Situation für Angehörige.

In jeder Rettungsdienstschule wird gelehrt, dass man den Einsatzort nach so furchtbaren Einsätzen geordnet hinterlässt.

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iwaniwanowitsch  29.03.2022, 20:35

Mädchen... Lesen hilft.

Erstens: es geht nicht um ihn.

Zweitens: das gehört sich einfach nicht. JEDER sauber arbeitende Rettungsdienstler hinterlässt seine Einsatzstelle so sauber und pietätvoll wie möglich. BESONDERS im Falle einer frustranen Rea.

Drittens: das kostet die Angehörige eben nicht ein müdes Lächeln, sondern ist eine riesen (unnötige) Belastung nach dem Verlust.

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Von Experte iwaniwanowitsch bestätigt

Ja, das ist grundsätzlich gesetzeskonform.

Allerdings gehört sich sowas nicht. Eigentlich räumt der Rettungsdienst bei so furchtbaren Einsätzen den Raum wieder halbwegs auf, weil der Anblick für Angehörige traumatisch sein kann.

Sämtliche Hilfsmittel werden zusammengeräumt und entsorgt, alle Kabel und Zugänge werden vom Verstorbenen entfernt, der Verstorbene wird ansehnlich positioniert und der Raum geordnet hinterlassen.

Das gehört zur letzten Ehre, die ein Arzt und Rettungsdienstler dem Patienten und seinen Angehörigen erweist.

Es tut mir leid, wenn das bei deinem Onkel schief gelaufen ist. Mein herzliches Beileid.

Für Nadeln und Ampullen, gibt es einen stichsicheren Abwurfbehälter, dort gehören diese Dinge rein und niergendswo anders. Allerdings, wird in aller Regel einmal ein venöser Zugang angelegt, über den dann alle erforderlichen Notfallmedikamente verabreicht werden, viele einzelne Nadeln, gibt es im Rettungsdienst eigentlich nicht. Spritzen ohne Nadeln, dürfen liegen gelassen werden, sofern sich keine Betäubungsmittel darin befinden, denn diese müssen gemäß der gesetzlichen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) vor dem rechtswidrigen Zugriff Dritter geschützt werden. Im Rahmen einer Reanimation, werden allerdings keine Betäubungsmittel verabreicht und insofern, fällt dieses weg.

Grundsätzlich, wird versucht jeden Einsatzort möglichst sauber zu verlassen, es gibt allerdings keine gesetzliche Verpflichtung hierzu und es ist auch nicht immer möglich. Zählt jede Sekunde, dann kann man einfach nicht noch schnell mal Aufräumen.

Mfg

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Rettungsdienst🚑, sehr großes Interesse an Notfallmedizin.