Darf ich beschleunigen, wenn ich überholt werde, wenn die Geschwindigkeitsbeschränkung in dem Moment aufgehoben wird?

7 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo Zakalwe,

Darf ich beschleunigen, wenn ich überholt werde, wenn die Geschwindigkeitsbeschränkung in dem Moment aufgehoben wird?

Das ist völlig eindeutig geregelt in §5 Abs. 6 StVO:

Wer überholt wird, darf seine Geschwindigkeit nicht erhöhen. Wer ein langsameres Fahrzeug führt, muss die Geschwindigkeit an geeigneter Stelle ermäßigen, notfalls warten, wenn nur so mehreren unmittelbar folgenden Fahrzeugen das Überholen möglich ist. Hierzu können auch geeignete Seitenstreifen in Anspruch genommen werden; das gilt nicht auf Autobahnen.

siehe dazu auch hier: https://verkehrslexikon.de/Texte/Ueberholen25.php

Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., 2005, Rdnr. 62 zu § 5 StVO, führt zum Beschleunigungsverbot beim Überholtwerden aus:
" Der Überholte darf ab Beginn des Uberholvorgangs (idR Ausscheren, nicht vom „Eingeholtsein” ab) nicht mehr beschleunigen, weil dies den Überholweg verlängern und nicht mehr abschätzbar machen würde, Bay VM 78 42, und zwar auch auf Straßen mit mehreren Fahrstreifen (zB der AB). (...) Zwar muß, wer beschleunigen will, nicht vorher wegen etwaiger Überholer zurückblicken, Bay DAR 68 166, merkt er aber, daß er überholt werden soll, so muß er sich darauf einrichten, Dü VM 70 77, Ha NJW 72 2096 (seitliches Auftauchen), und darf nicht weiter beschleunigen, Ha VRS 8 227, auch nicht bei rechtswidrigem Überholtwerden (Gefährlichkeit!), Bay DAR 68 166, auch nicht durch Selbstbeschleunigung in langem Gefälle, aM Ha VM 67 8, denn auch dies verlängert den Überholweg. Das Beschleunigungsverbot kann auch durch Unachtsamkeit verletzt werden, Ha NJW 72 2096. Bei unerlaubtem Beschleunigen darf der Überholer, uU schneller als an sich erlaubt, weiter überholen, wenn das Abbrechen jemanden gefährden würde, Dü NJW 61 424, dann haftet der Überholte für die Folgen, BGH VR 64 414, wenn sein Verhalten auch nicht Voraussehbarkeit der Folgen beweist, Bay DAR 57 361. Die Geschwindigkeit vermindern wird er müssen, wenn sonst Gefahr entstünde, s BGH VR 60 925.

Allzeit sichere und gute Fahrt und liebe Grüße 🙂

Zakalwe 
Fragesteller
 17.03.2023, 09:03

Danke für die Antwort!

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Ralph9  18.03.2023, 21:39

Hallo Zakalwe,

vielen Dank für Deinen ⭐, ich weiß das sehr zu schätzen 👍.

Liebe Grüße 🙂

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Die geschilderte Situation kenn ich gut, wenn ich mit meinem Roller unterwegs bin. Da versuchen hin und wieder auch Autos, mich am Ortsende zu überholen, allerdings vergeblich. Mein Roller hat nämlich 23 PS bei 110 kg Gewicht und geht ab wie die Feuerwehr, da kommt ein Durchschnittsauto nicht mehr mit. Die scheren also aus, setzen zum Überholen an und ich gebe Vollgas und bin weg. Gefährlich ist das nicht, denn die können ja wieder rechts einscheren und haben sowieso keine Chance, sich neben mich zu setzen. Würde ich zu der Situation befragt werden, hätte ich natürlich gar nichts von dem Überholversuch mit gekriegt, denn ich musste beim Beschleunigen meine Aufmerksamkeit auf die Verkkehrssituation vor mir richten.

Ich bin kein Rechtsanwalt, schätze die Situation aber folgendermaßen ein:

1) Wenn hier überhaupt ein Verstoß wegen unzulässigen Beschleunigens in Frage käme, wäre das fällige Bußgeld 30,-

2) Du hast völlig korrekt gehandelt. Du darfst slebstverständlich am Ende einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf die neue Höchstgeschwindigkeit beschleunigen. Damit muss ein Überholwilliger grundsätzlich rechnen und sich darauf einstellen.

2) Einen solchen Fall hatte das Amtsgericht Trier zu entscheiden. Auf einer Bundesstraße gab es wegen Einmündungen eine Beschränkung auf 70 km/h. Vorne fuhr ein BMW und dahinter ein Skoda. Am Ende der Beschränkung setzte der Skoda mit Vollgas zum Überholen an, während der BMW zügig auf 100 km/h beschleunigte. Das verlängerte den Überholvorgang so lange, dass am Ende der Skoda wegen Gegenverkehr unmittelbar vor dem BMW plötzlich einscheren musste und den BMW dadurch zu einer Vollbremsung zwang, wodurch ein Unfall vermieden wurde. Der BMW-Fahrer zeigte den Skodafahrer an. Es kam zum Prozess.

Das Bußgeld für Überholen trotz unklarer Verkehrslage mit Gefährdung kostete 250,-, 2 Punkte und ein Fahrverbot. Das reichte dem Amtsgericht wegen Rücksichtlosigkeit aber nicht aus, sondern wertete das Verhalten des Skodafahrers als Straftat. Das Amtsgericht Trier hat den Angeklagten durch Urteil vom 7. September 2015 wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung „infolge grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen falschen Überholens mit fahrlässiger Herbeiführung der Gefahr“ zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 60 Euro verurteilt und ihm für die Dauer eines Monats untersagt, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.

Dem BMW-Fahrer wurde kein Vorwurf gemacht. Das AG Trier begründete sein Urteil u.a. so:

"Für ein rücksichtsloses Verhalten des Angeklagten spricht hier die Tatsache, dass er unmittelbar nach Beginn der Aufhebung der 70er Zone mit seinem Überholvorgang begonnen hat, obwohl er weder die weitere Strecke übersehen konnte, noch bis dahin das Fahrverhalten des zu Überholenden annähernd einschätzen konnte."

Der Verurteilte ging in die Berufungf und das OLG Koblenz hob das Urteil auf, weil das AG nicht ausreichend begründet hätte, dass hier sogar eine Straftat vorlag und nicht nur eine Ordnungswidrigkeit. An dem Fehlverhalten des Skodafahrers zweiflte das OLG nicht und auch hier wurde dem BMW-Fahrer kein Vorwurf wegen falschen Verhaltens gemacht.

RedPanther  17.03.2023, 11:51
Du darfst slebstverständlich am Ende einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf die neue Höchstgeschwindigkeit beschleunigen. Damit muss ein Überholwilliger grundsätzlich rechnen und sich darauf einstellen.

Eieiei, das wird schwierig.

Der §5 (6) StVO, der das Beschleunigen als Überholter verbietet, sagt nichts darüber aus, dass es am Ende eines Tempolimits anders wäre.

Dein zitiertes Gerichtsurteil bezieht sich auf die Rücksichtlosigkeit des Überholenden. Ich sehe darin keinen Anlass zur Annahme, dass man als Überholter beschleunigen dürfte.

Dass man ein Stückweit mit dem Fehlverhalten anderer rechnen muss, ändert nichts daran dass es ein Fehlverhalten ist.

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Zakalwe 
Fragesteller
 17.03.2023, 13:09

Danke für die Antwort.

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Auch wenn die Begrenzung gerade aufgehoben wird, darfst du leider nicht beschleunigen.
Ist eine blöde Regel, vor allem wenn so überholt wird wie von dir beschrieben.
Der, der überholt wird muss leider egal wann und wie immer den kürzeren ziehen...

Zakalwe 
Fragesteller
 17.03.2023, 08:50

Danke für die Antwort!

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Ist das nicht eigentlich Nötigung, an so einer Stelle zu überholen?

Nötigung nicht, aber sicherlich ein rücksichtsloses Verhalten und ggf. ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr.

Dass der Überholende was falsch macht, erlaubt dem Überholten natürlich nicht, ebenfalls was falsch zu machen.

Man darf ja nicht beschleunigen, wenn man überholt wird, aber wie sieht es denn in so einem Fall aus, wenn gerade eine Geschwindigkeitsbeschränkung aufgehoben wird?

Dass man nicht beschleunigen darf, wenn man überholt wird, hat ja den Grund dass man das Überholmanöver des anderen nicht weiter in die Länge ziehen darf, als dieser einkalkuliert hat. EIn Überholmanöver, das länger geht als erwartet, ist gefährlich.

Ich wüsste nicht, warum das plötzlich kein Problem mehr sein sollte, wenn da ein Schild am Straßenrand steht...

Ansonsten, im §5 (6) steht keine Einschränkung, dass das Beschleunigungsverbot nur gilt wenn sich nichts am Tempolimit ändert. Also scheint diese Vorschrift davon unabhängig zu sein.

Zakalwe 
Fragesteller
 17.03.2023, 13:17

Danke für die Antwort!

Die Nötigung würde ich persönlich darauf beziehen, dass es ganz normal ist, am Ende eines Tempolimits zu beschleunigen. Durch den Überholvorgang zwingt mich der Überholende ja langsamer zu fahren. Man könnte es ja auf die Spitze treiben: Wenn an so einer Stelle oder sagen wir, sogar an einer Ampel, an der ich anhalten musste, von hinten ein Traktor kommt und mich überholt, muss ich langsamer fahren, um ihm das Überholen zu ermöglichen. Danach muss ich hinter ihm her zuckeln. Das kann es ja auch nicht sein.

Dass man nicht beschleunigen darf, wenn man überholt wird, hat ja den Grund dass man das Überholmanöver des anderen nicht weiter in die Länge ziehen darf, als dieser einkalkuliert hat. 

Ja, aber er muss ja erwarten, dass ich bei Ende des Tempolimits beschleunige und sich damit sein Überholvorgang in die Länge zieht.

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RedPanther  17.03.2023, 14:29
@Zakalwe
Ja, aber er muss ja erwarten, dass ich bei Ende des Tempolimits beschleunige und sich damit sein Überholvorgang in die Länge zieht.

Ja, sollte er erwarten können. Aber wenn er damit gerechnet hätte, dass du sowieso gleich schneller fährst, hätte er wahrscheinlich nicht überholt. Mag sein, dass dem Typen im Schädel einiges fehlt und er keine Ahnung hat, was er tut.

Kannst du verstehen, oder?

Außerdem, je nachdem wie groß dein Fahrzeug ist, musst du wiederum damit rechnen, dass der Fahrer hinter dir das betreffende Schild gar nicht gesehen hat. Weil dein Auto sein Sichtfeld blockiert hat. Und es kommt auch vor, dass jemand mal ein Schild übersieht. Sprich, du darfst nicht zwingend voraussetzen, dass dein Hintermann überhaupt mitbekommen hat, dass das Tempolimit endet.

Aber egal, was man daran rumphilosophiert: Es ändert nichts daran, dass er dich jetzt überholt und du sein Überholmanöver nicht gefährlicher machen darfst, als es eh schon ist.

Unfallvermeidung vor Recht. Ein Grundsatz, den normalerweise auch der letzte Vollpfosten kapieren sollte.

Durch den Überholvorgang zwingt mich der Überholende ja langsamer zu fahren.

Nein, nicht beschleunigen bedeutet nicht automatisch auch, dass du langsamer werden musst.

Aber ja, du hast recht: Wenn dich der Überholende schneidet oder du siehst, dass es für ihn knapp wird mit dem Gegenverkehr, musst du bremsen. Um einen Unfall zu vermeiden. Wie gesagt: Unfallvermeidung vor Recht!

Man könnte es ja auf die Spitze treiben:

Richtig, du müsstest den Traktor erstmal vor dir einscheren lassen, damit nicht der Gegenverkehr noch in diesen Idioten rein knallt. Unfallvermeidung vor Recht, wenn du dich erinnerst.

Danach kannst du dir Gedanken darüber machen, dass der Traktorfahrer dich an der Ampel nicht hätte überholen dürfen und die 25 km/h einen größeren Zwang dir gegenüber darstellen, als wenn du mit 70 in der 70er Zone hinter einem Handwerkerauto her fährst. Und klar, du könntest das Fehlverhalten anzeigen. Aber vorher darfst du gerne zeigen, dass du ein besserer Mensch bist als der Traktorfahrer, und ermöglichst ihm das Einscheren bevor er noch einen unschuldigen Entgegenkommenden umbringt.

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Wenn du überholt wirst, darfst du nicht beschleunigen.

Das gilt immer und überall. Ohne Ausnahme.

Zakalwe 
Fragesteller
 17.03.2023, 09:08

Danke für die Antwort!

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