Wie kann ein Land mit Wohlstand (wie bspw. DE) Kapitalismus, aber auch mehr soziale Unterstützung für bspw. Gering- und Normalverdiener besser gewährleisten?
Manche sagen, dass der Kapitalismus die bessere Wirtschaftsform ist, weil Sozialismus in der DDR bspw. nie funktioniert hat. Dennoch führt es ja dazu, dass es vereinzelt geringe Löhne gibt oder eben sich bspw. große Unternehmen in Krisen immer mehr bereichern können, während andere, oftmals Normalverdiener die Last tragen.
Also wie kann es denn funktionieren. Kapitalismus inkl. Soziale Wohltaten ? Dass die Schere zwischen Arm und Reich geringer wird.
5 Antworten
Manche sagen, dass der Kapitalismus die bessere Wirtschaftsform ist, weil Sozialismus in der DDR bspw. nie funktioniert hat.
Wenn das für manche das einzige Argument ist, dann zweifle ich sogar an ihrer wirtschaftlichen Kompetenz. Die Frage ist nicht, welche Umsetzung besser funktioniert hat, sondern was den Kapitalismus als Wirtschaftssystem vom Sozialismus unterscheidet und inwiefern er Lebensumstände verbessert oder verschlechtert hat. Der elementare Unterschied zwischen Kommunismus und Kapitalismus sind die Eigentumsverhältnisse. Und darüber wird gestritten - und nicht darüber, dass der Kapitalismus nur deshalb besser wäre, da es andere Systeme gab, die scheiterten.
Dennoch führt es ja dazu, dass es vereinzelt geringe Löhne gibt oder eben sich bspw. große Unternehmen in Krisen immer mehr bereichern können, während andere, oftmals Normalverdiener die Last tragen.
Das ist zwar sehr euphemistisch formuliert, aber dafür im Kern richtig. Die Realität sieht so aus, dass es nicht vereinzelt geringe Löhne gibt, sondern systematisch. Wir haben eine große Unterschicht und einen seit langer Zeit existierenden Niedriglohnsektor (im übrigen dank einer „sozialdemokratischen“ Partei). Wir beobachten eine zunehmende Spaltung in den Vermögensverhältnissen. Und dazu gehört, dass die Gehälter und auch das Vermögen der Konzerne auch trotz wirtschaftlicher Krisen steigen, während die Löhne der Angestellten gleich bleiben oder nur sehr geringe Erhöhungen über die Jahre vermessen können. Und das zeigt uns sogar empirisch, dass der bekannte „Tricke-Down-Effect“ nicht so funktioniert wie es propagiert wird. Von den Übergewinnen, die private Konzerne und Unternehmen machen fällt kaum ein nennenswerter Anteil an die Arbeitnehmer ab. Es werden meist lediglich Peanuts in die Arbeitnehmerschaft investiert, deren Lebensrealität sich dadurch kaum bis gar nicht verändert.
Vor allem dann wenn die Löhne trotz Inflation nur wenig steigen und die Kaufkraft der Unterschicht gleich bleibt oder sogar sinkt, weil gespart werden muss.
Natürlich gibt es regelmäßige Tarifvereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften und auch das Bürgerliche Gesetzbuch hat sich über die Jahrzehnte auch Arbeitnehmern gegenüber verbessert. Jedoch besteht noch immer eine große Diskrepanz zwischen den Vermögenswerten und dem Einfluss der Arbeitnehmerschaft auf marktwirtschaftliche Entscheidungen. Ebenso wie es starke Unterschiede zwischen mittelständischen Unternehmen und Großkonzernen gibt. Jedoch sehen wir auch hier, dass die Global Player die absolut größte Marktmacht zwischen sich konzentrieren und kleine sowie Mittelständische Unternehmen zunehmend um die Konkurrenzfähigkeit kämpfen müssen.
Es gibt sicherlich demokratischere Unternehmen als andere. Wenn es aber um Demokratie in der freien Wirtschaft geht, dann verläuft man sich im Chaos.
Also wie kann es denn funktionieren. Kapitalismus inkl. Soziale Wohltaten ?
Da wirst du die unterschiedlichsten Antworten bekommen. Die einen glauben an den reformistischen Ansatz, also parlamentarische Eingriffe in die Marktwirtschaft. Andere sind wiederum absurderweise davon überzeugt, dass der Staat selbst durch eine Eingriffe für Korruption und Ungleichheit sorgt (und es dementsprechend einen freien und unregulierten Markt brauche) und wieder andere fordern eine Überwindung des Kapitalismus durch gesellschaftliche Mobilisierung und/oder Revolution.
Wenn du mich fragst, kann es keinen Kapitalismus geben, der sozial gerecht ist. Aus meiner Sicht widersprechen exponentielles Wachstum, Akkumulation von Kapital und marktwirtschaftliche Expansion der sozialen Gerechtigkeit in den Grundzügen, weshalb marktwirtschaftliche Eingriffe absolut immer abgeblockt oder umgangen werden. Bestimmte Eingriffe müssen in gewisser Weise das Wachstum ausbremsen und das wiederum schadet der Wirtschaft - doch irgendwann werden wir da nicht mehr drum herum kommen. Vor allem wenn es darum geht das Klima zu schützen oder Menschenrechte konsequent einzuhalten.
Deshalb sehe ich ein fundamentales Problem in den Eigentumsverhältnissen, dem westlichen Kolonialismus und der Monopolisierung des Marktes durch die Verdrängung von Konkurrenz und damit einhergehend die Korrumpierung der Politik.
Aus meiner Sicht kann der Kapitalismus die Frage der sozialen Gerechtigkeit und auch des Klimaschutzes und der Menschenrechte nicht lösen. Der Kapitalismus wird nicht das Ende der Menschheitsgeschichte sein und er wird, wenn wir so weiter machen, früher oder später auch in der Ausbeutung der westlichen Welt münden, Bürgerkriege und schließlich globale Klimakatastrophen auslösen.
Und ich sehe die Ursache dafür in einem Wirtschaftssystem, welches die Ausbeutung, Expansion und Kapitalakkumulation durch Privateigentümer aktiv belohnt und in sich bereits die Ausbeutung von Ressourcen voraussetzt, um unendlich zu wachsen. Und damit schafft das System auch Menschen und ganze Staaten zu korrumpieren und zu manipulieren, die auch bis zum letzten Krieg und bis zum letzten gefällten Baum sagen werden „Es ist allein das Werk des Menschen - der Kapitalismus hat damit aber nichts zu tun, er ist das beste System das wir haben.“
Manche sagen, dass der Kapitalismus die bessere Wirtschaftsform ist
Kapitalismus hat auch nie funktioniert weshalb es ihn auch nur noch den Namen nach gibt.
Die eigentliche Grundidee wird nirgends Weltweit umgesetzt.
Wie kann ein Land mit Wohlstand (wie bspw. DE) Kapitalismus, aber auch mehr soziale Unterstützung für bspw. Gering- und Normalverdiener besser gewährleisten?
Ich würde am liebsten Kapitalerträge und Arbeitserträge gleich besteuern. Es ist nicht wirklich ersichtlich warum z.B. ein Paar mit 100.000 Euro Jahreseinkommen durch Arbeit viel mehr Steuern zahlen muss als ein Paar mit 100.000 Jahreseinkommen durch Vermögenserträge.
Derjenige der das Einkommen durch Arbeit hat tut fast sicher mehr dafür als jemand der Kapitalerträge hat muss aber mehr Abgaben leisten.
Es ist nicht wirklich ersichtlich warum z.B. ein Paar mit 100.000 Euro Jahreseinkommen durch Arbeit viel mehr Steuern zahlen muss als ein Paar mit 100.000 Jahreseinkommen durch Vermögenserträge.
Das kann ich dir vorrechnen. Ich kenne einen Unternehmer, der hat sich mit 25 Jahren selbständig gemacht. Hat sein Leben lang gespart. War nie auf den Malediven, hat sich nie eine Rolex gekauft, nie ein teures Auto gefahren und ist auch sonst keinen teuren Hobbies nachgegangen,.
Er war fleißig, hat gut verdient und brav seine Steuern bezahlt. Jeden Monat hat er 1000 Euro in einen ETF einbezahlt. Jetzt, nach 35 Jahren hat er damit ein Vermögen von etwa 2 Millionen Euro erreicht.
Wenn der nun als 60-jähriger seine Geldanlage realisiert, bezahlt er für die 1,5 Millionen Kursgewinn erst mal ca. 400.000 Steuern und Soli.
Hätte der Mann sein Geld verprasst anstatt fürs Alter vorzubeugen (damit er im Alter nicht der Allgemeinheit auf der Tasche liegt) müsste er keine Steuern zahlen.
Das hältst du für eine faire Regelung?
Wenn der nun als 60-jähriger seine Geldanlage realisiert, bezahlt er für die 1,5 Millionen Kursgewinn erst mal ca. 400.000 Steuern und Soli.
Und nun erkläre mal bitte warum er so dämlich sein sollte seine kompletten gewinne auf einen Schlag zu "Realisieren" ??? Wenn er das nicht macht gibt es weitere Kapitaleinkünfte durch dividenden usw.
Aber nehmen wir mal ein anderes Beispiel.
Eine Frau erbt 600 MIllionen und zahlt fast keine Steuern. Sie hat absolut nichts dafür getan aber weil das vermögen Unternehmensanteile sind wird so getan als wenn man nichts versteuern könnte weil sonst irgendetwas mystisch magisch schlimmes passieren würde.
Ist das Fair ?
Insbesondere gegenüber deinem Unternehmer der sich selbstständig gemacht hat. Der Unternehmer der einen Betrieb aufbaut muss sich im Regelfall verschulden oder Reserven aufbrauchen um ein Unternehmer zu sein. Und da kommen dann ein paar Erben daher die das Unternehmen (das auch neuunternehmern Konkurenz)m acht einfach so gratis.
Wo ist da die Fairness ?
Und nun erkläre mal bitte warum er so dämlich sein sollte seine kompletten gewinne auf einen Schlag zu "Realisieren" ???
Weil er sich endlich die Wohnung am Starnberger See kaufen will als Altersruhesitz? Oder weil er schlau ist und im höheren Alter eben keine spekulative Anlage macht, deren Kursverluste er noch 19 Jahre aussetzen kann?
Spielt doch gar keine Rolle, warum er seine angesparte Altersversorgung von einer volatilen in eine sicher Anlage umschichten will.
Aber nehmen wir mal ein anderes Beispiel
Nein. Erkläre mir doch erst Mal, warum der Unternehmer aus meinem Beispiel seine mühsam angesparte Altersversorgung nochmal versteuern soll.
Und zwar immer und immer wieder. Hat er seine Aktionen verkauft und sein Geld sicher als Fest- und Tagesgeld angelegt, muss er die Zunserträge daraus wieder versteuern - jetzt zum dritten Mal.
Das nennt sich soziale Marktwirtschaft und das haben wir schon die ganze Zeit...
...Mindestlöhne sind ggf. gesellschaftlicher Konsenz und gesetzlich vorgegeben...
...darüberhinaus gibt es Gewerkschaften und Tarifabschlüsse bzw. Gehaltstabellen etc.
..."immer mehr bereichern" ist eine Frage von a) Angebot und Nachfrage und b) der gesellschaftlichen und gesetzlichen "Leitplanken" für diese Firmen...
= das ist ein Jonglieren mit sehr vielen Bällen, daher mache radikale Experimente wenig Sinn...
Wohlstand für Viele, funktioniert höchstwahrscheinlich auch nur mit viel aktiver (auch politischer) Betätigung Vieler, die sich genau darum kümmern. Ansonsten wird es (in ungewollte Richtungen) zentral steuerbar, oder es läuft mit mehr oder weniger Zwang, also auch Kontrolle, also auch zentralisiert, was bekanntlich, siehe real existierender Sozialismus, auch schlecht funktioniert(e).
Wie schrieb hier jemand so nett: Dafür müssen Arbeiter noch nicht mal Krieg führen, sondern einfach nur, nicht arbeiten.
Und etwas genauer: Ja, das sollte mit verstärkter Organisation, Solidarität, weltweit, branchengezielt, Stück für Stück erreichbar sein. Aber nicht der Streik für höhere Löhne, der einfach nur gewohnt inflationär abgehen und kaum Veränderungen bringen würde, sondern der existenzbedrohende Streik, der es per Konkurs ermöglicht, in diesem Moment, die Betriebe in die Hände der Arbeiter kommen zu lassen. (Genossenschaftsmodell) Beginnen sollte man mit gesellschaftlich besonders wichtigen Bereichen. Bildung (so weit privat), Presse/Medien, Wasserversorgung, Energieversorgung, Lebensmittel/Handel, u.ä.
Beispiele für kleinere Projekte, die also weiterhin in Konkurrenz zu privaten Anbietern standen, gab es in D. z.B. mal im Bereich Fahrrad (nicht dauerhaft erfolgreich). Und in einem anderen Bereich, sollte sich mindestens noch eine Projektbeschreibung aus Italien finden. Aber wie schon gesagt, als Einzelprojekte ist das nicht funktionabel, wenn es durch branchengleiche Konkurrenz weiterhin im kapitalistischen Preiswettbewerb stattfinden muss.
Es ist ja nicht schlimm, (außer vielleicht für die Umwelt, je nachdem, was man da macht) wenn produziert und Geld verdient wird, es ist nur die Frage, wie das Ergebnis nach Abzug der Kosten verteilt wird.
Höhere Steuern. Siehe Schweden. Das Volk muss mehr zahlen, damit es dem Volk besser geht. Wer soll es sonst zahlen?!
Danke für die ausführliche Antwort. Das war sehr sachlich und aufschlussreich.