Warum sind Psychopharmaka immer noch so ein Unding/Tabuthema in der deutschen Gesellschaft?

9 Antworten

Man merkt den Patienten weder Bluthochdruck noch Diabetes an, wenn sie Medikamente dagegen nehmen. Der Makel liegt eher darin, dass Menschen, die zugeben, dass sie Psychopharmaka nehmen, in der Gesellschaft oft immer noch schräg angeschaut werden, denn die Gesellschaft könnte es ja mit einer psychisch stark gestörten Person zu tun haben, von der ohne Medikamente eine Gefahr ausgeht (was oft völliger Quatsch ist). Und selber haben viele Menschen Angst davor, gerade bei der Einnahme von starken Psychopharmaka unerwünschte Nebenwirkungen zu bekommen oder nicht mehr Herr der Lage zu sein, weil die Medikamente sie antriebslos, schwach, müde machen oder ihre Persönlichkeit verändern könnten. Eine Urangst eben, oft aus Unwissenheit oder weil sie von irgendwem irgendwas negatives dazu gehört haben. Oder sie haben Angst, in die "verrückte" Ecke gestellt zu werden, wenn sie zugeben, dass sie sich helfen lassen möchten. Dabei könnte so vielen Menschen geholfen werden, wieder ein angenehmes und lebenswertes Leben zu leben, wenn sie ihre Barrieren und Vorbehalte abbauen würden.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Mein "Lebensbuch" erweitert sich täglich durch Erfahrungen.

goldenNepal69 
Beitragsersteller
 02.05.2025, 12:10

Sehr gute Antwort 👍

Sind sie das ? Habe ich nicht wahrgenommen.

Fakt ist, daß sie (als Dauermedikation) stark in das System eingreifen, und man daher sehr vorsichtig mit ihnen umgehen sollte.

Psychische Erkrankungen heißen nicht umsonst "psychisch" und das ZNS ist somit nur mittelbar betroffen.

Das liegt einfach daran, dass auch psychische Gesundheit hier immer noch ein Tabuthema ist .

Zudem ist es leider so, dass Psychopharmaka abhängig macht. Zumindest die meisten mittel.

Und : man kann Psyche nicht messen . Deshalb ist es auch oft so ein Tabuthema

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Ich denke mal, weil es ein Eingriff in die Psyche ist, ähnlich wie Drogen. Ich wollte anfangs auch nichts nehmen, habe aber mittlerweile lieber Medikamente als Therapie. Habe auch schon einiges durch und jedes Medikament macht mich irgendwie zu einem anderen Menschen. Verstehen kann ich es.

Weil es nur ein wegdrücken der psychischen Probleme ist.

Im Ernst. Ich war schwergradig depressiv und hatte/habe komplexe PTBS vor meiner Behandlung.

War kurz vor dem wahnsinn mit dieser Combo ganz ehrlich.

ABER ich habe jegliche Medikation abgelehnt. Ich sagte den Ärzten von anfang an das ich meine Psyche reparieren will und nicht tabletten nehmen möchte die mich an der nase herumführen und ich mich dann nur gut fühle weil ich die tabletten nehme...

Sprich ich wollte mich WIRKLICH gut fühlen.

Und habs geschafft. War ne harte Zeit. Mir ging es miserabel... Aber ich hab es durchgestanden und konnte alle probleme beseitigen.

Für mich war der gedanke simple. Wenn ich nichtmehr wirklich FÜHLE was in mir abgeht weil die tablette dafür sorgt, dass es mir ja besser geht... Dann kann ich auch nicht fokussiert auf das Problem zugehen und es lösen.

Musst dir vorstellen du schneidest dich am Bein irgendwo und hast aber soviel schmerzmittel intus, dass du den schmerz nichtmehr fühlst....

Dann ist es eben schwer die wunde überhaupt zu bemerken, verstehst du?


goldenNepal69 
Beitragsersteller
 02.05.2025, 12:06

Danke für deine persönliche und aussagekräftige Denkweise dazu👍

Ja ich verstehe schon, es ist natürlich immer wunderbar, wenn man tiefenpsychologisch das Problem an den Wurzeln packt, und so das Problem lösen kann...ganz ohne Hilfsmittel, die einen betäuben oder etwas "vorgaukeln".

Ich selber war auch jahrelang hartnäckig so drauf, und wollte es immer ganz ohne Medis schaffen.

Ich habe mir dann immer "das und jenes" vorgenommen, um an die Sache ranzugehen, nur fragte ich mich dann immer, warum mir das verdammt nochmal einfach nicht wirklich aus eigener Kraft heraus gelingt!

Ich habe dann meine Einstellung zu diesen Medikamenten geändert, und sehe es nun als eine Art Stütze/Krücke oder "Schwimmflügel" um leichter und mit deutlich weniger Qualen von A nach B zu kommen/schwimmen...

Diese Medikamente heilen nicht, das weiß ich... aber wenn ich mein Antidepressivum einfach so absetzen würde, verfalle ich wohl wieder in tiefe Depris und Angstzustände, trotz ausreichend Bewegung, Sport, oder irgendwelchen "Strategien"...und darauf habe ich kein B... mehr.

Aber ich verstehe dich trotzdem, und finde es gut, wenn es bei dir ohne Medis funktioniert.

ichweisnetwas  02.05.2025, 12:18
@goldenNepal69

Halte einfach durch und mach weiter.

Dann wird das schon.

Ich finde es nicht furchtbar mit medikamenten zu arbeiten. Aber auf dauer muss es eben auch ohne gehen.

Aber bloß nicht ohne Arzt entscheiden. Wenn dann begleitend absetzen.

Pass auf dich auf und weiterhin viel Kraft. Du packst das ;-)

Nicht aufgeben ist schon die halbe Miete bei diesen Geschichten.

Kabeltante1266  02.05.2025, 12:44
@goldenNepal69

So geht es mir auch. Es gibt sicher genügend Menschen, die einfach ohne Medis nicht die Kraft und vor allem Stabilität haben, ihre tiefsitzenden Probleme anzugehen. Medikamente können unterstützen. Aber das ist sicher nicht in allen Fällen nötig oder hilfreich, sondern bezieht sich immer auf die eigenen Bedürfnisse, aber auch die Kraft und das Einverständnis, sich für einer medikamentösen Therapie zu entscheiden. Der eine schafft es aus eigenem Antrieb, der andere leider nicht. Pauschalisieren möchte ich das auf keinen Fall. @ichweisnetwas, schön und absolut lobenswert, wenn du es aus eigenem Antrieb geschafft hast und stabil bist und hoffentlich bleibst. Ich befürchte nur, dass viele aus Angst auf Medikamente verzichten, obwohl sie dringend angebracht wären, weil sie A nicht deine Kraft haben und B oft auch beratungsresistent sind.

ichweisnetwas  02.05.2025, 12:53
@Kabeltante1266

Verstehe ich zu gut.
Ich hatte immerhin mit etlichen anderen Patienten zu tun damals. War tatsächlich eher die Ausnahme der Ausnahmen.

Wie gesagt verurteile ich es auch nicht.

Man sollte es aber eben immer genau bedenken. Wenn die Medikamente nur eine art "Flucht" seien sollen, sollte man die finger davon lassen.

Dienen sie aber nur als Stütze ist das schonwieder eine andere Geschichte.

Letztlich ist es das eigene Mindset welches dort entscheidend ist.

Mein Wille damals mich zu behandeln war enorm. Nicht umsonst habe ich mich damals selbst eingewiesen.

Ich lies ALLES stehen und liegen und sagte "ich komm hier erst wieder raus wenn ich gesund bin".

Und das meinte ich eben absolut ernst. Deswegen hat es auch so rapide funktioniert bei mir.

Ich ging ALL IN sozusagen.

Allerdings war ich auch wirklich an der Grenze zum Wahnsinn. Das ist definitiv nochmal was anderes als bei den meisten anderen Leuten. Ich hatte quasi garkeine wahl mehr.

Das damals war der Wendepunkt. Entweder zur Verdammnis oder zu einer glänzenden Zukunft.

Ich wählte und schaffte eben letzteres.

Twihard2002  02.05.2025, 12:03

Jeder hat seinen Weg. Manche sind so schwer erkrankt oder haben Symptome, die erstmal nicht ohne Medikamente zu Händeln sind. Manche müssen erst stabilisiert werden, bevor sie überhaupt eine Therapie machen können.

ichweisnetwas  02.05.2025, 12:15
@Twihard2002

Ich habe schwergradige Depressionen gehabt und komplexe PTBS was multiple Traumata bedeutet über 19 volle JAHRE...
Meine Psyche war zu diesem Zeitpunkt quasi durchgeknallt und die Diagnose daraus war F62.0 (Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung).

Lies gerne mal nach. Das ist eine Diagnose die leute nach Kriegen und ähnlichen Szenarien haben/bekommen.

Laut allen ärzten war ich ein absoluter extremfall.

Also VIEL schlimmer als es bei mir war. Wird es nichtmehr.

Entsprechend stimme ich nicht zu. JEDEN kann man behandeln. Sofern dieser jemand es auch wirklich will und mitspielt.

Denn dieser Wille zur Änderung ist das wirklich entscheidende.

Twihard2002  02.05.2025, 12:28
@ichweisnetwas

Ich habe nie gesagt, dass man nicht jeden behandeln kann? Nur dass jeder seinen Weg finden muss.

Ob Medikamente notwendig werden hängt nicht nur von der Schwere der Erkrankung ab.

Zudem ich persönlich auch nicht viel davon halte, sich das Leben unnötig schwer zu machen und auf Medikamente zu verzichten. Aber jedem das seine.

Freut mich, wenn es bei dir geklappt hat. Bei anderen tut es das halt nicht.

ichweisnetwas  02.05.2025, 12:32
@Twihard2002

Möglicherweise funktioniert es nicht grade weil sie versuchen den erträglichsten weg zu gehen.

Das ist ja das was ich hier versuche klarzumachen.

Bei mir funktionierte es grade WEIL ich direkt auf die Probleme zugegangen bin und nicht vor ihnen davonlaufen wollte oder sonstiges.

Manche Probleme kann man nicht "löschen" oder "heilen".

Mit manchen Problemen muss man leben lernen und sich unter umständen sogar mit ihnen anfreunden wenn man eine zukunft haben soll.

Meine Flashbacks als beispiel von der PTBS. Die werde ich nie wieder los.

Muss aber eben auch garnicht sein. Denn ich habe gelernt wie ich damit gut umgehe.

Wegdrücken, oder eben durch medikation beseitigen wäre der falsche weg. Irgendwann platzt die Blase dann und man ist wieder game over.

Ich wollte hier nur anregen dass man wirklich bedenkt ob es nötig ist. In den meisten fällen ist es das vermutlich nicht.