Warum im NT Zitate alles andere als getreu sind....

10 Antworten

Wenn im Neuen Testament alttestamentliche Zitate vorkommen, die ursprünglich auf JHWH (also den Gott Israels) bezogen waren, dann werden sie manchmal ganz bewusst auf Jesus Christus angewendet – aber nicht automatisch immer. Man muss also jeweils den Kontext genau betrachten.

🧩 Warum ist das wichtig?

Im Alten Testament steht fast überall hinter dem Begriff „HERR“ (in Großbuchstaben) das hebräische JHWH, der Eigenname Gottes.

Wenn das Neue Testament daraus zitiert, wird „HERR“ (griechisch: Kyrios) verwendet – und das kann sowohl:

JHWH (Gott, der Vater) bedeuten

Jesus Christus, den erhöhten Herrn

oder beides zugleich, bewusst überlagert

📖 Beispiele, wo Zitate von JHWH auf Jesus bezogen werden:

1. Jesaja 40,3 → Matthäus 3,3

„Bereitet dem HERRN (JHWH) den Weg...“

→ wird auf Jesus angewendet, für den Johannes der Täufer den Weg bereitet.

Das zeigt: Jesus wird hier mit JHWH identifiziert.

2. Joel 3,5 (Hebräisch: „Wer den Namen JHWH anruft…“) → Römer 10,13

„Wer den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden.“

→ Paulus wendet das direkt auf Jesus an (siehe Römer 10,9–13).

Wieder wird ein JHWH-Zitat auf Jesus bezogen.

3. Psalm 102 (ein Gebet zu JHWH) → Hebräer 1,10

„Du, Herr, hast im Anfang die Erde gegründet…“

→ Der Hebräerbrief bezieht das auf den Sohn, also Jesus.

🧠 Was bedeutet das?

Die neutestamentlichen Autoren sahen Jesus oft als Verkörperung des göttlichen Handelns – und identifizierten ihn bewusst mit JHWH, ohne den Vater zu leugnen. Das ist ein zentrales Element der christlichen Trinitätslehre:

Der Vater bleibt JHWH

Jesus ist eins mit ihm, aber nicht der Vater

Diese „Überlagerung“ war theologisch revolutionär: Der Messias Jesus ist nicht nur Mensch, sondern hat göttliche Identität – und deshalb darf man Texte über JHWH auf ihn anwenden.

📝 Aber: Nicht jedes Zitat über JHWH meint Jesus

Manche Zitate im Neuen Testament bleiben klar auf den Vater bezogen. Beispiel:

Jesaja 61,1 („Der Geist Gottes ist auf mir…“) → Lukas 4,18

→ Hier spricht Jesus, aber über Gott, der ihn gesalbt hat.

→ Gott ist hier also nicht Jesus, sondern der, der Jesus sendet.

Oder:

Psalm 110,1: „Der HERR sprach zu meinem Herrn…“

→ Jesus verwendet diesen Vers (z. B. in Matthäus 22,44), um zu zeigen, dass der Messias mehr ist als nur ein Mensch.

→ Hier sind zwei Herrschaften gemeint: JHWH und der Messias.

✍️ Fazit:

Viele alttestamentliche Zitate über JHWH werden im NT bewusst auf Jesus angewendet – besonders um seine göttliche Stellung zu zeigen.

Aber nicht alle – manche bleiben auf Gott den Vater bezogen.

Die neutestamentlichen Autoren gehen dabei nicht willkürlich vor – sie zeigen ein komplexes, aber bewusstes Verständnis von Gottes Identität, das zur Grundlage der Trinitätslehre wurde.


telemann2000 
Beitragsersteller
 31.05.2025, 20:31

Danke dir für deinen gut durchdachten Beitrag

Welches Fazit würdet ihr daraus ziehen?

Es offenbart die Absicht hinter der Fälschung der WTG. Ihnen ist bekannt dass Autoren des NT Zitate aus dem AT, in denen eindeutig JHWH gemeint ist, auf Jesus Christus umdeuten, aber sie versuchen es wo es nur geht zu verschleiern.

Kann man wirklich behaupten, die Schreiber des NT waren verpflichtet, den Gottesnamen wiederzugeben, wenn sie Aussagen aus dem AT mit dem selben zitierten?

Nein. Eher im Gegenteil:

Gerade das EvMT zeigt uns dass bereits zur Zeit der Abfassung der Evangelien die Scheu oder die Ehrfurcht vor Gott so hoch war, dass manche nicht nur den Gottesnamen selbst heiligten, sondern auch darüber hinaus noch Dinge die Gott betrafen mit Vorsicht umschrieben.

Aus der Rede Jesu von der basilea tou theou, dem Königreich Gottes, macht das EvMt die basilea ton ouranon, das Königreich der Himmel, da der Autor dort noch vorsichtiger sein will. Man kann das auch gut vergleichen mit der modernen jüdischen Vermeidungsschreibweise G'tt.

Die Zeugen Jehovas werden mir dadurch nicht sympatischer.

Die Kirche - nicht die Mitmenschen.

Soweit ich weiß, wurden die allermeisten Zitate aus der Septuaginta - einer Übersetzung der hebräischen Heiligen Schriften ins Griechsiche - genommen. Diese wurde von Juden erstellt und von Juden verwendet. Sie weicht an einigen Stellen von dem überlieferten hebräischen Text ab, soll aber dabei oft mit Schriftrollen übereinstimmen, die man anderweitig (Qumran) gefunden hat.

Mt. 2,23 ist in der Tat etwas seltsam - es sieht so aus, als sei hier etwas umgedeutet worden - was an sich nicht schlimm ist, aber hier ist die Schreibung doch etwas sehr abweichend. Eine Erklärung weiß ich auch nicht (werde vielleicht bei Gelegenheit nach einer suchen). (Wer weiß, welche Abschriften mit "Nazaret" oder einem älteren Namen des Ortes man noch finden wird?)

Was speziell den Gottesnamen betrifft, hat die Septuaginta diesen mit kyrios = Herr wiedergegeben. Argumente, die hierauf beruhen, sollten nur als Bekräftigung, nicht als Begründung verwendet werden.


telemann2000 
Beitragsersteller
 30.05.2025, 18:07

Genauso sehe ich das auch. Wenn ein Übersetzer wirklich seine persönliche Meinung mitteilen möchte, gibt es dafür den Fußnotenapparat. Der Gottesname hat im NT nichts verloren, wenn man sich auf die überlieferten Handschriften stützt

BillyShears  30.05.2025, 18:54
Mt. 2,23 ist in der Tat etwas seltsam - es sieht so aus, als sei hier etwas umgedeutet worden - was an sich nicht schlimm ist, aber hier ist die Schreibung doch etwas sehr abweichend.

Man findet es nur mit etwas gutem Willen im hebräischen Konsonantentext:

Jes 11,1: "Und ein Spross wird hervorgehen aus dem Stumpf Isais, und ein Schössling aus seinen Wurzeln wird Frucht bringen."

So an sich wird der Vers schon gerne messianisch gedeutet, insbesondere wegen dem Sohn Davids. Entscheidend ist hier aber der Schößling:

Hebraisch: נֵצֶר ausgesprochen Netzer, hebräische Konsonanten: N-Z-R

Daraus mach Mt: N(a)Z(o)R(aios) - Ναζωραῖος, den Nazarener.

Hier verwendet Mt ausnahmsweise also nicht die LXX.

Frage ist auch manchmal, ob es überhaupt direkte Zitate sein sollen. Nicht immer steht ein "es steht geschrieben" dabei.

Das eine ähnliche Aussage immer noch eine biblische Aussage ist, bleibt ja ungenommen.

LG -B.