Wann ist ein "Werk" vollendet?
Ich bin der Überzeugung, dass ein Werk - wie eine durch einen Künstler erzählte Geschichte in Form von Prosatexten in der Literatur oder Bildern eines Malers - erst dann endgültig vollendet ist, sobald sein Schöpfer entweder in Rente gegangen oder aus dem Leben geschieden ist (wobei die wenigsten Schriftsteller oder Künstler im Allgemeinen, die auf ihr Gesamtwerk blicken können, je in Rente gehen ...).
Beispielsweise überarbeitete Stephen King nach über drei Jahrzehnten den ersten Band mit dem Titel "Schwarz" (der im Grunde genommen den langen Prolog seines Lebenswerkes darstellt) seines dunklen-Turm-Zyklus, wobei es ihm hauptsächlich um Verbesserungen der Sprache ging, die sich über die Jahre hinweg und durch zusätlich angeeigneten Kenntnissen verändert hat.
Ich glaube, ein Schöpfer eines Werkes benötigt einen Instinkt, der das Gefühl einstellen lässt, die Geschichte auserzählt zu haben; zu wissen, dass man das Ende erreicht hat - denn das Schreiben ist nicht nur Kunst, sondern auch ein Handwerk, das man erlernen und sich an all seinen umfangreichen technischen Mitteln bedienen kann.
Es gibt nach Jahren der Veröffentlichungen verschiedenster Werke immer noch einige Kleinigkeiten, die man, hätte man das Werk heute verfasst, anders gemacht hätte, und dann gibt es diese großen Sachen, die man am liebsten noch einmal verändern würde --> vielleicht auch deshalb, weil die Sichtweise sich mit zunehmendem Alter und sich anhäufenden Lebenserfahrungen weiterentwickelt hat: die vor Jahren fertig geschriebene Geschichte bekommt eine völlig neue Bedeutung.
3 Antworten
dann endgültig vollendet ist, sobald sein Schöpfer entweder in Rente gegangen oder aus dem Leben geschieden ist
hard disagree!!!
wobei es ihm hauptsächlich um Verbesserungen der Sprache ging, die sich über die Jahre hinweg und durch zusätlich angeeigneten Kenntnissen verändert hat.
aber das Werk war doch all die Jahre dazwischen auch ein vollständiges Werk? Ein "update" zu machen heißt ja nicht dass etwas vorher zwangsläufig unvollendet war oder?
hätte man das Werk heute verfasst, anders gemacht hätte
ich würde eher sagen dass es gerade so ein wichtiger Teil von Kunst ist, dass man ab irgend einem Punkt entscheiden muss dass es so fertig ist, auch wenn man am liebsten endlos weiter Ausbesserungen machen würde. Ich finde diese Akzeptanz ist ein großer Teil vom Kunst machen.
Hmmm sehr interessante Gedanken
Irgendwie kommt es ja ein bisschen darauf an wie man allgemein zur Interpretation von Kunst steht. Also ist wirklich nur der Autor verantwortlich für die Bedeutung oder steht dss Verständnis des Betrachters einfach völlig unabhängig davon.
Mein hard disagree meinte übrigens dass es in dem Satz von dir so zwangsläufig ausgedrückt war, dass das werk grundsätzlich immer unvollendet ist wenn der Autor noch nicht in rente ist usw
Ich glaube, ein Schöpfer eines Werkes benötigt einen Instinkt, der das Gefühl einstellen lässt, die Geschichte auserzählt zu haben; zu wissen, dass man das Ende erreicht hat
Das auf jeden Fall. Gerade beim Beispiel von Geschichten ist es ja auch so ausschlaggebend nicht zu viel zu erzählen sondern exakt den richtigen Rahmen an "Informationsdichte" zu finden der in dem Fall am besten funktioniert. Bzw eigentlich auch bei allen anderen Kunstformen, bei Musik oder einem Gemälde ist es genau das selbe.
Cooles Gespräch, ich könnte legit ewig über Kunst nachdenken. Immer wieder neue Aspekte und so hahah
In diesem Fall geht es mir genauso wie dir: ich denke, ich benötige gelegentlichen Austausch über Kunst und Philosophie.
Das auf jeden Fall. Gerade beim Beispiel von Geschichten ist es ja auch so ausschlaggebend nicht zu viel zu erzählen sondern exakt den richtigen Rahmen an "Informationsdichte" zu finden der in dem Fall am besten funktioniert.
Dazu muss ich allerdings sagen, dass ich es beispielsweise liebe, wenn ein Autor zu sehr von dem eigentlichen Plot abweicht und in ewig erscheinenden Relativsätzen über belanglose Dinge schreibt, die wenig oder nichts mit der Kernhandlung zu tun haben und lediglich Spaß machen zu lesen - wie bei Stephen Kings "Es" zum Beispiel (ein Buch mit über 1500 Seiten und vielen ausschweifenden Passagen, die allerdings so gut geschrieben sind und teilweise irre daherkommen, dass mich es in keinster Weise stört).
Aber es gibt sicher Bücher in gewissen Genres, in denen die von dir angesprochenen Abweichungen unnötig und störend wären.
Das kann ich nur bestätigen. Es ist ganz egal, wie oft ich eines meiner eigenen Bücher lese. Ich finde immer etwas, was ich verbessern kann.
Ich schreibe nur zu meinem eigenen Vergnügen. Aber wenn du reinschauen willst, dann schicke ich dir privat einen Link.
Verstehe. Ich schreibe selbst etwaige Geschichten - überwiegend Kurzgeschichten im Horrorgenre (eine Form der Prosa, die unter einem Großteil von Lesern bedauerlicherweise als lange ausgestorben gilt) -, und wäre deshalb natürlich nicht abgeneigt, in das Werk eines anderen Schriftstellers reinzulesen.
Kann man deine Werke irgendwo lesen? Meine Bücher sind richtig dicke Wälzer, und meistens sind es Romane, die in ferner Vergangenheit spielen. Ich schicke dir den Link.
Noch kann man sie nirgends lesen - bisher habe ich meine Werke in meinen aus den Nähte platzenden Ordnern angesammelt, ohne sie bisher irgendwo veröffentlicht zu haben, allerdings habe ich es bald vor.
Sehr bald, um genau zu sein. Danke für den Link, ich sehe Mal rein.
Ich wünsche dir viel Spaß dabei, wenn du Tageslicht an deine Werke lässt.
O Reisender, der nach der Wahrheit der Vollendung zu streben wagte!
Einig sind wir doch, dass ein Werk aufgrund einer Intention oder eines Affektes entstehen mag, denn das zeichnet ja den Grund der Expressionsnotwendigkeit des Schöpfers aus.
Ist das Schaffen nicht ein Versuch das Unerreichbare zu erreichen?
Wie O Reisender hältst du es für möglich, dass ein materielles Werk, einen geistigen Ausdruck jemals hinreichend abbilden wird?
Doch schon allein die Grenze vom Materiellen zum Geistigen kann nicht von einer Seite überwunden werden.
Ein Werk O Reisender ist also der unendliche Weg, den der Schöpfer aus sich nimmt, um seine geistigen Eindrücke, materiell abzubilden!
Ein Werk kann also aus guten Gründen nicht vollendet werden!
Nun - ein Werk kann natürlich auch noch lange nach dem Ableben des Schöpfers unvollendet bleiben (beispielsweise Arda, die Welt aus Tolkiens Epos "Der Herr der Ringe", derer Vollendung und Überarbeitung sich posthum überwiegend Christopher Tolkien, sein Sohn, widmete, wohingegen die Geschichte des Herrn der Ringe selbst bekanntermaßen von Tolkien selbst beendet wurde), nur nahm ich in diesem Fall Bezug auf die Schriftsteller, deren Werke rein von der Geschichte her vielleicht abgeschlossen sein mögen, doch aus der Sicht der Schriftsteller noch andere Veränderungen hätten gebrauchen können.
Ja und nein - nur hat man als Schriftsteller selbst oftmals das Gefühl, dass das Werk nun einmal auch aufgrund von anderen als minder angesehenen Veränderungen noch nicht als vollständig betrachtet werden kann, auch wenn das Werk über all die Jahre hinweg gewissermaßen vollendet war (in den Augen der Leser jedenfalls) - aber eine unvollendetes Werk bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Kern eine Veränderung benötigt: dieses fast zwangsneurotische Gefühl, selbst die kleinsten Nebensätze überarbeiten zu müssen, trägt bereits dazu bei, dass man den Drang verspürt, es noch einmal zu überarbeiten, und bis das gestehen ist, betrachten die Schöpfer ihre Werke als unvollendet.
Richtig, darum glaube ich, dass für den Schöpfer eines oder mehrerer Werke eine Art von Instinkt unabdingbar ist, um sagen zu können, wann etwas vollkommen ist, da man sonst, wie du erwähntest, ein Leben lang und ewig an einem einzigen Werk schreiben könnte: