Wie findet ihr, dass in Deutschland so viel geregelt, genormt und bürokratisch vorgegeben ist?
29 Stimmen
8 Antworten
Leider ist dieses Land in großem Umfang überreguliert. Wenn ich nur an 16 verschiedene Bauvorschriften denke, einfach nur absurd.
Zu viel ist zu viel.
Deutschland wird auch als "Land der Bürokratie" genannt.
Man kann es ja auch übertreiben.
Das Problem ist Rechtsunsicherheit. Normen werden vor allem durch die Wirtschaft bzw. Lobbyverbände gebildet. Zahlreiche EN- bzw. DIN-Normen tragen eindeutig marktmanipulativen Charakter. Staatlich geförderte Projekte werden dadurch erheblich erschwert, da diese aus Rechtssicherheitsgründen gezwungen sind, diese Normen in jeden Fall einzuhalten, während es für Privatunternehmen eher Empfehlungen sind (bis auf einige Ausnahmen) bzw. das Risiko eingegangen, auf die Einhaltung zu verzichten und das viel günstigere Vorgängersystem zu verwenden, weil das Risiko sowieso gegen 0 geht. Deshalb ist sozialer Wohnungsbau teilweise teurer als privater Wohnungsbau. Wenn das noch so weiter geht, wird es irgendwann eine Norm geben, dass alle Häuser zukünftig meteoritenfest gebaut werden müssen, weil irgendein Meteorit den Mond um 1 Million Kilometer verfehlt hat und die Bedrohung dadurch greifbar wurde.
Gibt aber auch Beispiele aus dem Naturschutz. Plötzlich entdeckt man auf geplantem Bauland eine schützenswerte Froschart. Leider lassen Naturschutzverbände nicht zu, dass man die Frösche einfach umsiedelt, sondern man soll irgendwo 20 Ha Wald roden, um einen adäquaten Ersatz sicherzustellen. Der Wald von 20 Ha muss dann verpflichtend an anderer Stelle wieder aufgezogen werden. In einem Rechtsstreit von 10 Jahren wird dann von den Gerichten festgelegt, dass man sich in der Mitte trifft, die Frösche an geeignete Stelle umsiedelt, ohne Wald zu roden. Trotzdem 10 Jahre verloren.
Schwierig.
Grundsätzlich sind Gesetze, Ordnung und Regeln schon sehr wichtig. Denn der Mensch ist grundsätzlich von der Natur her Egoist und primär auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Daraus ergibt sich, dass ein Zusammenleben von Menschen (in einem Haus, in einer Stadt, in einem Land) oder ein Zusammenwirken von Menschen (z.B. in einem Verein) nur dann möglich ist, wenn regeln aufgestellt werden, die für alle gelten und von allen berücksichtigt werden.
Außerdem sind Regeln auch wichtig, um alle Menschen gleich behandeln zu können. Denn wann immer auch individuelle Entscheidungen getroffen werden, hat die persönliche Meinung/Einstellung des Entscheidenden einen (zu) großen Einfluss, also eine gewisse Willkür.
Auf der anderen Seite führen zu viele Regeln und Vorschriften aber dazu, dass Vorgänge unglaublich lange dauern und unverständlich bzw. kompliziert werden.
Ist unsere deutsche Bürokratie nun zu viel des Guten? Wie gesagt: Schwierig. Denn auf der einen Seite läuft hier in Deutschland eben vieles deutlich besser als in anderen Ländern, wo es weniger Bürokratie gibt. Zum Beispiel der Arbeitsschutz... wird von vielen Menschen als zu streng angesehen, kostet Zeit und Geld - auf der anderen Seite aber gibt es hierzulande deutlich weniger schwere oder gar tödliche Arbeitsunfälle als anderswo.
Aber sicher muss man die Bürokratie dort verringern, wo es geht (also dort, wo sich Dinge ändern bzw. man merkt, dass es auch ohne oder mit weniger geht).
In der Türkei gibt es, was Bauvorschriften angeht, wenige. Auch in vielen deutschen potenziellen Hochwassergebieten gab und gibt es noch nicht so viele Vorschriften. In der Türkei stürzen häufiger Bauten zusammen. Und - seien wir ehrlich - wie hätten bestimmte "erlesene" Denker geplärrt, hätte man z.B. im Ahrtal vor dem Hochwasser strengere Vorschriften gehabt, die Hochwasser zu verhindern.
Gegenwärtig gibt es Beschwerden gegen marode Brücken. Vorschriften, sie in kürzeren Abständen zu kontrollieren, hätte mehr Geld und wahsrscheinlich wieder Geplärre über Vorschriften gegeben.
Es gibt Unzufriedenheit, wenn der Tierschutz mit vielen Vorschriften gewahrt werden soll und Geplärre, weil dabei eben viele Regeln eingehalten werden müssen.
Es ist schwierig, im Vorfeld festzulegen, wie viele Vorschriften man erfüllen müssen soll, um damit z.B. Sicherheit, soziale und steuerliche Gerechtigkeit sorgen soll.
Mir fällt das stellvertretend ein Beispiel aus den 1970ger Jahren ein. Nach ein paar Terroranschlägen in Flugzeugen wurden Sicherheitsvorschriften verstärkt. Zuvor waren sie nicht möglich, weil Fluggäste murrten, man bräuchte deshalb Stunden, um überhaupt abheben zu können.
Ich denke, Vorschriften kann man mit der Zeit auf Aktualität und Notwendigkeit überprüfen und gegebenenfalls modifizieren, klar!
Aber dies von Fall zu Fall zu entscheiden muss eben auch verantwortet werden. Kiffer sind froh, dass es weniger verbietenden Vorschriften für Haschisch gibt. Ärzte weniger.
Dokumentationspflicht in Krankenhäusern oder Pflegeheimen sind zeitaufwändig, durchaus. Sie stellen aber sicher, dass die bestmögliche Behandlung erfolgt. Fallen diverse Vorschriften weg, ist eben auch nichts mehr im Nachhinein einsehbar, sollte es eine Verfehlung gegeben haben.
Aller Verkehrsregeln sind Vorschriften, die einen geregelten Verkehr ermöglichen sollen. Welche sind unnütz?
Das Argument, es fehlt vielleicht an Ressourcen bzw. Personal, um Bestimmungen zu prüfen ist sicher richtig. Deshalb dauert die Überprüfung länger. Jetzt aber die Vorschriften teilweise nicht mehr für notwendig zu erachten, kann zur Folge haben, dass dann eben aufgrund fehlender Regulierung irgendetwas möglich ist, was enormen Ärger verursacht.
Ich bezweifle, ob das dann grundsätzlich als die bessere Alternative aufgefasst wird.