Solidarität lebt von Teilen, auch wenn man wenig hat. Kapitalismus hingegen fördert das Horten, selbst wenn man im Überfluss lebt. Stimmt ihr der Aussage zu?
Mir ist in meinem engen Freundeskreis etwas aufgefallen:
Ich verschenke manchmal einfach so Kleinigkeiten an meine Freunde, weil ich gerne teile und anderen eine Freude mache – auch wenn ich in unserem Freundeskreis mit Abstand am wenigsten verdiene. Einer meiner Freunde, der finanziell locker das Fünffache von mir verdient, macht sowas nie. Und wenn er uns mal Geld für etwas geliehen hat – selbst wenn es nur ein kleiner Betrag war – wollte er es immer so schnell wie möglich wieder zurückhaben. Das ist für mich völlig in Ordnung, ich erwarte nichts aber es hat mich zum Nachdenken gebracht. Er dreht gefühlt jeden Euro zweimal um, gönnt sich selbst kaum etwas und investiert oder hortet jeden Cent, wo er nur kann.
Ich finde das echt spannend, weil ich da total anders ticke und an seiner Stelle einfach sagen würde: "Passt schon, den 10er oder 20er brauchst du mir nicht wiederzugeben."
Manchmal habe ich das Gefühl, dass es ihm wirklich unangenehm ist, Geld auszuleihen oder auszugeben– fast so, als würde es ihm innerlich wehtun.
- Habt ihr sowas auch schon erlebt, dass Menschen mit weniger oft eher teilen als die, die viel haben?
- Und stimmt ihr der Aussage zu, dass Solidarität vom Teilen lebt – auch wenn man wenig hat, während Kapitalismus eher das Horten fördert, selbst im Überfluss?
11 Stimmen
2 Antworten
Ja, sehe ich schon so.
In der Welt gibt es grundsätzlich für alle ausreichend Lebensmittel und so weiter. Ein Miteinander und Teilen, sogar weltweit, würde viel Elend nehmen, keine Frage.
Dazu aber müssten Einige auch verzichten, etwa auf ein Mehr, auf Profit, auf viel Geld haben.
Die Reife dafür hat der Menschen offensichtlich noch nicht.
Gegensätze wurden dazu noch nicht ausreichend vereint.
Es gibt aber nun mal Menschen, die eher horten und Geld anhäufen und welche, die lieber geben und teilen.
Das ist unser aktueller Zustand.
Beide haben ihre Gründe für ihr Verhalten, das meiner Ansicht nach in eigenen Überzeugungen und Prägungen begründet ist.
Auch in unterschiedlichen Motivationen.
Welche Motivation hat dein Freund, der sein Geld lieber zusammen hält und anhäuft?
Hat er ein größeres Ziel, von dem du nichs weißt?
Welche Motivation hast du selbst, anderen eine Freude machen zu wollen?
Warum willst du das? Was erhoffst du dir davon? Welche Überzeugung liegt deinem Verhalten zugrunde?
Hast du ein größeres Ziel, von dem du nichts weißt? ;-)
Kaptialismus lebt von einem Mehr. Es braucht immer mehr. Mehr Geld, mehr Konsum, mehr Gier, mehr Wachstum .....
Warum will man mehr? Warum glaubt man, mehr zu brauchen?
Hungerlöhne mästen den Kapitalismus. Er muss ausbeuten, um an mehr zu kommen. Wir alle müssen Geld immer von anderen nehmen, weil es ja kein herrenloses Geld gibt.
Und Weihnachten ist der Orgasmus des Kapitalismus'.
Haben oder Sein, das ist hier die Frage! ;-)
Teilen lebt von einem Weniger. Armut auch. Solidarität ebenso. Warum will man sich mit anderen zusammen tun, in einer Solidarität leben? Warum will man teilen? Warum glaubt man, besser teilen zu sollen? Warum glaubst du, anderen eine Freude machen zu sollen?
Wann feiert Teilen Weihnachten? Was ist der Höhepunkt vom Teilen?
auch wenn ich in unserem Freundeskreis mit Abstand am wenigsten verdiene.
Das hast du schon ganz richtig beobachtet.
Arme teilen öfter als Reiche, genau. Darin liegt auch ein Unterschied zwischen arm und reich.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass es ihm wirklich unangenehm ist, Geld auszuleihen
Das mag ich auch überhaupt nicht.
Jeder hat so viel Geld, wie er hat. Da soll meiner Ansicht nach Schluß sein. Jeder kann natürlich selbst daran was ändern, wenn er dies möchte, nicht aber über andere, außer es ist eine Bank, ich aber bin keine Bank.
Hinzu kommt, dass es nicht einzig nur schlecht sein muss, wenn man mal für etwas kein Geld hat. Das kann auch ein natürlicher Schutz vor etwas sein.
Nicht umsonst gibt es viel Streit ums Geld. Meine Freunde würde ich nie mit Gelddingen belasten wollen, dafür wären sie mir viel zu wichtig.
Wenn ich für etwas kein Geld habe, übernehme ich lieber Eigenverantwortung dafür und kläre das selbst mit mir ab. Wenn ich daran was ändern will, ändere ich mich lieber selbst.
Habt ihr sowas auch schon erlebt, dass Menschen mit weniger oft eher teilen als die, die viel haben?
Ja, ist ein Klassiker, der auch weltweit zu beobachten ist.
Und stimmt ihr der Aussage zu, dass Solidarität vom Teilen lebt – auch wenn man wenig hat, während Kapitalismus eher das Horten fördert, selbst im Überfluss?
Ja, auch das.
Beidem liegt meiner Ansicht nach Angst zugrunde.
Die goldene Mitte wäre ein Idealfall, wie ich finde.
Ich mag es einfach, anderen eine Freude zu machen – das liegt mir im Herzen, unabhängig davon, ob ich etwas zurückbekomme.
Und wie sehr liegt es dir am Herzen, dir selbst Freude zu machen, auf dein Wohl zu achten? Ausreichend?
Diese Frage soll keinesfalls einer Schuldzuweisung dienen oder einen Vorwurf formulieren, darum geht es mir überhaupt nicht.
Ganz neutral und wertfrei sollte man sich hinterfragen, warum es einem am Herzen liegt.
Um selbst was zu bekommen? Du schreibst nein, aber wer weiß, wenn du allem Zeit gibst, ob du nicht doch noch auf andere Antworten kommst. Aber nur, weil es spannend ist.
Ich finde das gut, was du herausgefunden hast und wenn andere zu uns gegensätzlich sind, ist das wirklich spannend, sehe ich auch so. Man kann auch was draus lernen und sich womöglich was abschauen, um künftig mit neuen Eigenschaften das Leben leichter und angenehmer zu meistern.
Gegensätze kann man vereinen, was tolle Ergebnisse bringen kann.
Bist du wirklich solidarisch , wenn du verschenkst?
Sehen das die Beschenkten ebenso?
Ist dein Freund unsolidarisch, weil er nichts verschenkt?
Das mag hart klingen, meine ich aber nicht so. Aber ist immer wieder gut fürs eigene Gleichgewicht und Wohlbefinden, wenn man sich selbst hinterfragt.
Danke für deine interessante und informative Antwort.
Mir geht es dabei weniger um das Geld oder den materiellen Wert an sich, sondern um das, was dadurch möglich wird – nämlich Zeit miteinander zu verbringen und gemeinsam etwas zu erleben. Ich gebe etwas, das meinem Freund hilft, teilzuhaben und nicht außen vor zu bleiben.
Ja, verstehe.
An dieser Stelle könnte man, wenn man denn wollte, noch weiterfragen.
Ob man womöglich schenkt, um selbst nicht außen vor zu bleiben (Sorgen, Zugehörigkeit zu verlieren auf Kosten von Selbstbestimmung). Und immer weiter hinterfragen. Hier käme man im Kern womöglich auf einen Grundkonflikt: Zugehörigkeit und Selbstbestimmung.
Oder ob du selbst gerne öfter mal beschenkt werden würdest....
Meinen Beobachtungen nach möchte das Leben gerne bei allen Gegensätzen die goldene Mitte erreichen, wir sollen sie erkennen, erreichen und leben, denn dann dürfte beides der Gegensätze mal angewandt werden, nichts würde ausgeschlossen.
Du bist mit deinem Freund gegensätzlich und beide Verhalten haben ja recht: natürlich muss man das Geld zusammen halten, um seine Kosten bezahlen zu können oder am Monatsende noch Geld zu haben .... das weißt du ja selbst. Und andererseits braucht es natürlich auch das Teilen, Schenken und Freude-haben. Erst damit dann, also wenn beides mal sein darf und mal gelebt wird, ist man im Gleichgewicht und somit ausgeglichen. Beide habt ihr recht und ein Traum ist es, wenn man sich ergänzen kann.
Im Extrem zu leben, also wenn man überwiegend nur eines von beidem lebt und anwendet, ist meiner Ansicht nach anstrengend und unbefriedigend, man ist unausgeglichen, weil einem das Gegenteil zu oft im Leben fehlt. Das Gegenteil, das für wohltuenden Ausgleich sorgen könnte.
So sehe ich das bei allen Gegensätzen.
Es könnte also sein, dass deinem Freund Anteile von dir und umgekehrt fehlen, um noch ausgeglichener zu sein.
aber das im Alltag manchmal schwer umzusetzen ist.
Ja, finde ich auch.
Das Leben ist komplex und man hat schon so viel um die Ohren.
Dann wenn man es mal erkannte, drängen sich ja doch wieder alte Verhaltensmuster auf und durch .....
Wenns einem auffällt und doch wichtig ist, dann aber könnte man sich damit einen gefallen tun und sich selbst beschenken.
nämlich Zeit miteinander zu verbringen und gemeinsam etwas zu erleben.
Das sind meine allerliebsten Geschenke, die ich auch überwiegend selbst mache.
Dein Gedanke, ob man schenkt, um selbst nicht außen vor zu bleiben, hat mich ehrlich gesagt auch kurz ins Nachdenken gebracht. Ich glaube, das spielt bei mir tatsächlich keine Rolle. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich durch das Schenken Zugehörigkeit sichern muss, aber ich verstehe total, warum du das ansprichst: Gerade weil Geschenke und gemeinsames Erleben eine Verbindung schaffen, könnte das natürlich eine Rolle spielen. Bei mir ist es eher so, dass ich mich freue, wenn wir gemeinsam eine gute Zeit haben, das ist für mich selbst schon ein Geschenk.
Ob ich selbst gerne öfter mal beschenkt werden würde? Sicherlich würde ich mich darüber freuen, aber ich erwarte es nicht. Mir reicht es schon, wenn die gemeinsame Zeit bewusst wahrgenommen wird.
Dein Gedanke, dass meinem Freund vielleicht Anteile von mir und mir wiederum Anteile von ihm fehlen, ist sehr spannend. Ich glaube, da ist wirklich was dran. Ich könnte sicher manchmal sparsamer sein und er vielleicht etwas lockerer im Umgang mit Geld. Genau wie du sagst: Am Ende ergänzen sich Gegensätze oft und machen beide Seiten ausgeglichener.
Und ja, die gemeinsamen Erlebnisse sind für mich tatsächlich das Schönste. Schön zu lesen, dass du das genauso siehst!
Hmh. Es kommt auf die Gründe an, warum Du Dinge verschenkst. Kaufst Du Dir Liebe und Anerkennung damit?
Vom viel weggeben ist noch keiner finanziell reich geworden.
Solidarität verstehe ich anders: Es wird festgesetzt, wie viel jeder zu geben hat, damit die Gemeinschaft davon profitiert. Das ist bei Dir als Privatmensch, wie Du es hier geschildert hast, nicht der Fall.
Danke für deine Antwort! Nein, ich verschenke Dinge nicht, um mir Liebe oder Anerkennung zu kaufen. Ich mag es einfach, anderen eine Freude zu machen – das liegt mir im Herzen, unabhängig davon, ob ich etwas zurückbekomme.
Mir geht es auch nicht darum, finanziell reich zu werden, sondern eher darum, dass ich Freude daran habe zu teilen, selbst wenn ich nicht viel habe.
Was deine Definition von Solidarität angeht, finde ich den Gedanken spannend. Ich sehe es ein bisschen breiter: Für mich bedeutet Solidarität auch, dass man freiwillig füreinander da ist und teilt – ohne, dass es vorgeschrieben oder festgesetzt ist.
Vielen Dank für deine ausführliche und durchdachte Antwort!
Ich finde es super spannend, wie du die verschiedenen Ebenen ansprichst – die persönlichen Motivationen, die gesellschaftlichen Strukturen und die systemischen Herausforderungen. Besonders der Punkt, dass sowohl Teilen als auch Horten oft aus Angst entstehen, trifft meiner Meinung nach sehr gut zu.
Deine Frage zur eigenen Motivation zum Teilen finde ich wichtig und darauf möchte ich dir gerne eine Antwort geben: Ich schenke und teile vor allem, um gemeinsame Erlebnisse und Freude ermöglichen zu können. Man könnte sagen, das Geschenk ist ein Mittel zum Zweck: Es schafft eine gemeinsame Basis für Spaß und verbindet uns auch gewissermaßen.
Mir geht es dabei weniger um das Geld oder den materiellen Wert an sich, sondern um das, was dadurch möglich wird – nämlich Zeit miteinander zu verbringen und gemeinsam etwas zu erleben. Ich gebe etwas, das meinem Freund hilft, teilzuhaben und nicht außen vor zu bleiben.
Dass er sich das selbst leisten könnte, es aber nicht tut (villt. aus Gewohnheit, Sparsamkeit oder einem anderen inneren Grund den ich nicht kenne), zeigt einfach unsere unterschiedliche Einstellung zum Geld: Ich investiere bewusst in das gemeinsame Erlebnis, während er vermutlich eher auf Sparsamkeit achtet – sogar auf Kosten seines eigenen Spaßes.
Das Ganze hat also eine starke soziale und emotionale Komponente: Meine Gabe baut Brücken, fördert Zusammenhalt und Solidarität. Darum geht es mir.
Außerdem finde ich deinen Hinweis wichtig, dass sowohl Teilen als auch Horten oft in eigenen Überzeugungen und Prägungen wurzeln. Das sehe ich auch so und es macht die Sache komplex, weil jeder seine ganz eigenen Beweggründe hat.
Deine Anregung zur Selbstreflexion finde ich sehr wertvoll. Sich immer wieder ehrlich zu hinterfragen, warum man etwas tut, hilft bestimmt, das eigene Verhalten besser zu verstehen und vielleicht auch weiterzuentwickeln.
Die Idee der "goldenen Mitte“ zwischen Horten und Teilen finde ich sehr schön – ein Ideal, das wir alle anstreben können, aber das im Alltag manchmal schwer umzusetzen ist.