Findet ihr es diskriminierend, wenn man Depressive psychisch krank nennt?
49 Stimmen
17 Antworten
Es ist falsch, Depressivität mit der Krankheit Depression gleichzusetzen.
Depressivität ist ein natürlicher Zustand, das Ergebnis einer Regelung der Aktivität und der Gegenpol zu Begeisterung. Und so wie Begeisterung noch keine Manie ist und Angst noch keine Phobie, ist auch Depressivität noch keine Depression.
Als natürlicher Zustand geht Depressivität normalerweise auch wieder vorbei. Depression dagegen ist eine ernste Krankheit, eine psychische Krise, bei der die Depressivität kein Ende nimmt oder nur kurzzeitig aussetzt.
Der Körper bzw. das Gehirn hat die Möglichkeit, durch Botenstoffe und andere biochemische Substanzen seine Aktivität zu regeln, um Zeiten ungünstiger Lebensbedingungen durch Einsparen von Energie besser zu überstehen. Für Extremfälle haben einige Tierarten den sogenannten Winterschlaf entwickelt, der mit dem nächtlichen Schlaf aber nichts zu tun hat.
Depressivität ist ein Ergebnis einer solchen Regelung der Aktivität unter ungünstigen Bedingungen. Es ist ein Warten auf bessere Zeiten. Bei günstigen Bedingungen führt dieselbe Regelung zu Begeisterung, die im Extremfall zur Manie ausarten kann. Wie viel Einfluss diese Regelung hat, ist Veranlagung, also genetisch bedingt. Der manisch-depressive Typ hat sich vermutlich in Regionen mit stark wechselnden Umweltbedingungen durchgesetzt. Da ist es von Vorteil, wenn in schlechten Zeiten durch depressive Zurückhaltung Energie gespart wird, die dann in besseren Zeiten mit Begeisterung voll eingesetzt werden kann. In Regionen mit gleichmäßigen Bedingungen ist dagegen auch eine gleichmäßige Aktivität von Vorteil.
Bei der Regelung wird die Gesamtsituation umfassend berücksichtigt. Lohnt es sich, aktiv zu werden oder nicht? So kann jede Art von ungünstigen Lebensbedingungen zu Depressivität führen: Äußere Einflüsse wie das Wetter oder die soziale Umgebung, aber auch innere wie der körperliche, seelische oder mentale Zustand.
Damit ergeben sich auch Wechselwirkungen zwischen der biologischen Funktion und ihrer seelisch-geistigen Wahrnehmung. Ursprünglich führte leichte Depressivität als Unlust zum Ausruhen und damit zur Erholung, Begeisterung als Lust zu Aktivität und folgender Müdigkeit. Daraus ergab sich durch negative Rückwirkung ein Regelkreis mit analogen Werten und relativ kleinen Schwankungen.
Doch mit fortschreitender Naturfeindlichkeit der Kultur und Missachtung von Lust und Unlust kommt es zu einem Kippeffekt, die Rückwirkung kehrte sich um. Wenn Begeisterung einen Seltenheitswert hat, wird die Aktivität zur Sucht bis zur Erschöpfung. Und wenn das körperliche Bremsen der Aktivität als Katastrophe empfunden wird, löst es keine Erholung mehr aus, sondern eine seelische Krise bis hin zur Panik.
Aus der regelnden Rückwirkung wird dann eine selbstverstärkende, aus dem Regelkreis ein Teufelskreis. Ein digitales Umschalten zwischen Extremen: Alles oder Nichts, eine Art seelischer Verkrampfung. So wird Begeisterung zur ruhelosen Manie und Depressivität zur unerträglichen Depression. Manie ist gegenüber Depression seltener und wird auch weniger als Problem wahrgenommen. Sie spielt wohl eine Rolle beim narzisstischen Größenwahn. Aber im großen Rennen um Macht und Geld gibt es nur wenige Sieger und viele Verlierer. Für das Mittelfeld und die Schlusslichter ist es eine triste Piste, eine Rennbahn, die viel fordert, aber wenig Aussicht auf Freude bietet.
Deprimiert ist die Passiv-Form eines Verbs. Jemand oder etwas hat mich deprimiert.
Das Ergebnis davon ist depressiv, ein einfaches Adjektiv, das aber auf keinen Grund angewiesen ist. Deprimiert ist immer auch depressiv, aber depressiv kann man auch sein, ohne durch etwas deprimiert zu sein.
Man kann aber depressiv sein, ohne an Depression erkrankt zu sein.
Gemeint waren an Depression erkrankte Menschen.
Depressivität ist ein natürlicher Zustand,
So ein Unfug... Erschöpfung oder Müdigkeit nach Anstrengung (auch nach einem schönen Tag) sind ein natürlicher Zustand, aber Depressivität ganz sicher nicht!
Wenn du das meinst, dann solltest du die Frage auch so formulieren:
"Findet ihr es diskriminierend, wenn man an Depression Erkrankte psychisch krank nennt?"
Dann ist die Frage aber sinnlos, denn natürlich ist es nicht diskriminierend, Kranke krank zu nennen. Und dass Depression eine psychische Erkrankung ist, wird von fast niemandem bestritten.
Dir ist offenbar nicht aufgefallen, dass das Benennen von Krankheiten und Störungen heutzutage kritisch bewertet wird. Autisten und von ADHS-Betroffene beschweren sich immer häufiger über den Begriff der Störung oder Krankheit. Dasselbe trifft auf Transgender zu. Deshalb habe ich aus Neugier heraus mal die Depression zur Debatte gestellt.
Wenn jemand als krank oder gestört bezeichnet wird, obwohl er sich gesund fühlt, ist es verständlich, dass er sich dagegen wehrt. Echte Depression ist aber eine Krankheit, bei der sich keiner gesund fühlt.
Hi!
Was sollte daran diskriminierend sein.
Das ist eine anerkannte psychische Erkrankung, somit kann man sie auch als das bezeichnen.
Depression ist eine anerkannte psychische Erkrankung, nicht Depressivität.
Auch wenn Depression mit Depressivität verbunden ist, ist es nicht ausreichend. Viele Menschen, zu denen ich auch gehöre, kommen mit Depressivität gut klar, ohne eine Depression zu entwickeln.
Ich habe mich, aufgrund der Bezeichnung "Depressive" in der Fragestellung, auch auf Depressionen bezogen. Eine depressive Stimmung ist nicht gleich eine Depression, das ist richtig.
Man darf die Dinge nicht mehr beim Namen nennen, weil Leute sich sonst persönlich gekränkt fühlen.
Willst du damit sagen, dass du jemanden mit Depressionen psychisch krank genannt hast und dieser das nicht gut aufgenommen hat? Wenn dem so ist, jemandem, der an so etwas erkrankt ist, fällt es vielleicht schwer sich mit der Diagnose abzufinden. Zumal der Begriff psychisch krank bei Vielen Menschen Assoziationen von Sanatorien und Zwangsjacken hervorruft.
Willst du damit sagen, dass du jemanden mit Depressionen psychisch krank genannt hast und dieser das nicht gut aufgenommen hat?
Nein.
Wenn man meine Erkältung so benennt ist es ja auch nicht diskriminierend. Nur bei der Seele kennt man kein Pardon. Finde ich nicht angemessen.
Das sind sie. Wenn Sprachsensibilität anfängt den Inhalt zu verzerren, dann sind wir über das Ziel hinaus.
Nein, warum sollte das Diskriminierend sein? Es ist nunmal eine Krankheit. Du fühlst dich ja auch nicht Diskriminiert wenn jemand sagt du bist krank wenn du Schnupfen hast oder so.
Was du meinst, nennt man nicht "Depressive", sondern "Deprimierte".