Wird Sarah Wagenknecht erfolgreicher sein als die Piratenpartei?

4 Antworten

Die Piratenpartei war angetreten, um das Grundkonzept der Basisdemokratie mithilfe des Internets derart weiterzuentwickeln, dass es tatsächlich realistische Beteiligung breiter Wählerschichten ermöglichen sollte. Kurzfristig und in allen möglichen politischen Fragen, nicht nur alle vier, fünf Jahre irgendwelche Nasen wählen und dann wieder brav heim gehen und sich aus der Politik raushalten. Das ist der Grund, dass seither Befragungen, Strawpolls und andere Abstimmungen auf allen möglichen Ebenen und in den verschiedensten Institutionen über das Internet gang und gäbe sind. Das war vor den Piraten grundlegend anders.

(Natürlich auch dort, wo sie sehr wenig Sinn ergeben wie etwa hier auf GF.)

Zugleich wollten die Piraten die Transparenz politischer Prozesse kräftig erweitern, nicht zuletzt im Licht von Dingen wie Stuttgart 21, das damals von Mappus in einer politischen Nacht-und-Nebel-Aktion durchgedrückt worden war, ohne dass irgend ein Wähler die allergeringste Chance gehabt hätte, auch nur irgend einen seiner Parteifreunde abzuwählen. Oder sonstwelche demokratischen Mittel zu nutzen. Mit nachgerade krimineller Energie. Es gab damals einen sehr detaillierten Artikel darüber in der Süddeutschen, der leider unterdessen depubliziert worden ist. Kernaussage: Prozesse schaffen Beteiligung.

All das ist natürlich ganz schön kompliziert im richtigen Leben, vor allem wenn man keinerlei politische Erfahrung hat wie die Computernerds aus den Anfangstagen der Piratenpartei. Die versuchten noch 2012, das mit der Basisdemokratie wirklich durchzuziehen - aber ohne Internet, auf Parteitagen! Obwohl diese Parteitage sich zum Höhepunkt des Hypes nicht mehr in Tagungsräumen mittlerer Hotels und Jugendherbergen abspielten, sondern in Riesenhallen in großen Städten wie Bochum, Hannover und Dresden. Die ließen da wortwörtlich jeden mitwählen und abstimmen, der besoffen von der Straße herein wankte. Das Internet wurde nur für Selbstdarstellung der VIPs in Livestreams benutzt sowie zum Lästern, kommentieren und beeinflussen der Wähler in Echtzeit über Twitter. Mit anderen Worten: 100% Populismus, vergiss die Sachthemen, reiner Beliebtheitswettbewerb. Und so war es unausweichlich, dass die Piratenpartei von politischen Extremisten gekapert und übernommen wurde, denen es ein Leichtes war, die politischen Ziele in jede gewünschte Richtung umzubiegen.

Sarah Stalin steht natürlich für das genaue Gegenteil, eine reine Personenkult-Partei für weniger Transparenz und Beteiligung. Der Vorteil ist, dass sie innerhalb dieser Partei und ihrer Strukturen "durchregieren" kann (danke Frau Merkel für diese Wortschöpfung) wie ein richtiger Diktator in Nordkorea oder dergleichen. Der Nachteil ist, dass sie niemals einen Hype erleben wird wie die Piraten, weil sie das Gegenteil von innovativ und hip ist. Stattdessen wird sie antidemokratische Randwähler abfischen, die das Spielchen entweder nicht durchschauen oder darauf bauen, sich über diese Partei ihr Bürgergeld aufbessern zu können.

SturerEsel  22.03.2024, 07:54

Gut geschrieben.

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Wie der Name schon sagt - wenn diese Partei Zukunftshoffnungen haben will, muss sie erstmal einen neuen Namen finden (abseits allen Personenkultes), dann braucht sie eine endlich valide Analyse der Gegenwart, um darüber zu einer ordentlichen Programmatik zu finden (derzeit liest es sich ja so, als sei man genau umgekehrt vorgegangen) und dann, wird man sehen was passiert.

Das wird sich noch herausstellen.

Ich glaube allerdings nicht, dass sich Wagenknecht mit ihrer neuen Partei etabliert.

Durch die strenge Politik bezüglich wer überhaupt als Mitglied aufgenommen wird könnte die Tragödie sich durch Skandale selbst zu zerlegen, was den Piraten passiert ist, tatsächlich vermieden werden.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Langjährige Erfahrung in der Parteipolitik und als Reporter