Wieso gibt es negative Strompreise?
Das liest man ja öfters, dass der Strompreis negativ wird, wenn viel Sonne scheint und der Wind bläst. Dann müssen die Energiefirmen dafür bezahlen, dass sie Strom ins Netz einspeisen. Aber wieso? Warum können die nicht einfach den Schalter umlegen und die Windräder oder Solarpaneele vom Netz trennen? Das ist doch sinnlos, dafür auch noch zu bezahlen.
Wäre total lieb, wenn das jemand erklären könnte.
7 Antworten
Dazu musst Du erst mal einige Dinge über das Stromnetz wissen. Am besten guckst Du Dir diesen Film hier an:
https://www.youtube.com/watch?v=dVJYG44Wswg
Das Netz muss also ständig ausbalanciert werden.
Und hier kommt dann der Handel mit dem Strom ins Spiel. Ist das Angebot an Strom zu groß, dann muss auch die Nachfrage an Strom steigen. Und zwar genau passend und "sofort".
Und wenn dann selbst "Strom verschenken" die Nachfrage nicht passend erhöht, dann muss man die Stromabnehmer dafür bezahlen den Strom "zu verschwenden" oder irgendwie zu nutzen.
Wir haben immer noch das Problem, dass die Offshore Windparks im Norden zeitweise sehr viel billigen Strom erzeugen - zu viel für die Abnehmer im Norden. Im Süden, also in den Bergen gibt es Pumpspeicherkraftwerke die den Strom dann abnehmen und speichern können. Aber die Trassen zwischen Nord und Süd sind viel zu schwach und es gibt natürlich auch viele elektrische Verluste und Transfergebühren auf langen Strecken.
Durch die Verluste bekommt man ja weniger von dem was man bezahlt. Das drückt den Strompreis auf der Verkaufsseite natürlich. Aber auch wenn der Verkäufer den Strom verschenkt, sind da immer noch die Transfer gebühren. Wenn der Stromerzeuger also seinen Strom gratis ans Ziel bringen will, muss der diese Gebühren übernehmen, also dafür zahlen. Und schon hat man einen negativen Preis.
Natürlich kann man Windkraftwerke und Wasserkraftwerke recht schnell "anhalten". Aber die Betreiber verdienen dann ja nichts mehr. Also müssen dann Kraftwerke die viele Stunden zum hoch- und runter fahren brauchen ihren Strom am besten konstant einspeisen. Und dann müssen die Betreiber der Verbrennungskraftwerke - vor allem Batreiber von Atomkraftwerken die richtig lange brauchen - dann die anderen Betreiber die sofort abschalten können dafür bezahlen das zu tun. Welche Firma verzichtet denn freiwillig auf einen Gewinn?
Natürlich zahlt der eine Betreiber nicht den anderen Betreiber seine Energiequellen ab zu schalten. Das funktioniert über den Handel. Der eine Betreiber bezahlt den Händler mit negativen Strompreisen den anderen Betreiber trotzdem zu bezahlen auch wenn der keinen Strom mehr liefert.
Denn das Stromnetz funktioniert über einen Fond. Jeder der einspeist bekommt Geld aus dem Fond und jeder der den Strom an die Endkunden verkauft zahlt da ein. Jetzt kann man die Zahlungen "umdrehen", also der Stromerzeuger der Strom los werden muss zahlt da Geld rein damit ein anderer Stromerzeuger auch ohne Strom einzuspeisen Geld heraus nehmen kann.
Alle Windkraftanlagen und große Photovoltaik-Anlagen werden auch heute schon abgeschaltet, wenn ein Überangebot an Strom besteht. Das ist aus Gründen der Netzstabilität auch zwingend erforderlich.
Zukünftig gilt diese Pflicht auch für mittelgroße PV-Anlagen, bei kleinen wird zumindest die Einspeisevergütung für diesen Zeitraum auf "0" gesetzt.
Betreibern von abgeschalteten Anlagen steht jedoch u.U. eine Entschädigung zu, die auch finanziert werden muss. Zudem muss Betreibern mit einer fest vereinbarten Vergütung der Strom trotzdem zu diesen Konditionen abgenommen werden.
Warum es im laufenden Handel trotzdem zu negativen Preisen kommen kann, wurde ja schon dargelegt. Allerdings tritt dieser Effekt auch begrenzt im Day-Ahead-Markt auf, d.h. es ist schon am Vortag klar, in welcher Zeitscheibe das passieren wird.
Für Endkunden ist das jedoch kaum von Belang, da die richtig tief negativen Preise, die dann z.B. bei Tibber auch bis zum Kunde durchschlagen, nicht einmal 7 Stunden lang im letzten Jahr erreicht wurden.
Es ist zu viel Strom da. Man bezahlt, dass man ihn verbraucht.
Gleichzeitig sagen mache gebetsmühlenartig dass zu wenig Strom da sei und daher alle weiter Verbrenner fahren müssen. Nein, muss man nicht verstehen. Ich bekomme regelmäßig Geld dafür, dass ich mein Auto auflade.
Gleichzeitig muss man nicht verstehen, warum viele vom Bau eines Speichers (z.B. bei Photovoltaik) abraten. Ich bekomme zu Mittag Geld, damit ich meinen Akku fülle und am Abend Geld, damit ich ihn wieder ins Stromnetz leere. Eine Gelddruckmaschine.
Die Lösungen sind alle bekannt. Nur kann man sie nicht machen, weil da müsste man was anderes machen als vor 10 Jahren. Für viele geht das nicht. Leider.
Stell dir vor, Strom ist wie Wasser in einem Rohr - es muss immer genau so viel reinfließen, wie rausfließt. Wenn plötzlich ganz viel Strom durch Sonne und Wind ins Netz kommt, aber nicht genug Menschen oder Fabriken ihn gerade brauchen, gibt es zu viel Strom.
Einige Kraftwerke - z. B. Atom- oder Kohlekraftwerke - können nicht einfach schnell stoppen, die brauchen lange zum Hoch- oder Runterfahren. Auch manche Windräder oder Solarparks dürfen nicht einfach abschalten, weil sie z. B. staatliche Vorgaben haben oder sonst Geld verlieren würden.
Wenn dann zu viel Strom da ist, bieten die Betreiber Geld an, damit jemand den Strom abnimmt - darum wird der Preis negativ. Es ist also günstiger, zu zahlen, als das Kraftwerk runterzufahren oder den Strom wegzuwerfen.
Kurz gesagt: Zu viel Strom, zu wenig Abnehmer - also wird der Strom "verschenkt" oder es gibt Geld dafür.
Das Herunterfahren von Wärmekraftwerken dauert Stunden, die kann man nicht einfach abschalten. Dagegen haben die Manager des Versorgungsnetzes mit ganz schnellen Schwankungen bei den Einspeisungen regenerativer Energien einerseits zu kämpfen und schnellen Schwankungen bei den Verbrauchern. Das ist eine hochkomplexe Steuerungsaufgabe, wenn Netzfrequenz und Netzspannung überall stabil gehalten werden sollen.