Wieso gibt es negative Strompreise?

5 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Dazu musst Du erst mal einige Dinge über das Stromnetz wissen. Am besten guckst Du Dir diesen Film hier an:

https://www.youtube.com/watch?v=dVJYG44Wswg

Das Netz muss also ständig ausbalanciert werden.

Und hier kommt dann der Handel mit dem Strom ins Spiel. Ist das Angebot an Strom zu groß, dann muss auch die Nachfrage an Strom steigen. Und zwar genau passend und "sofort".

Und wenn dann selbst "Strom verschenken" die Nachfrage nicht passend erhöht, dann muss man die Stromabnehmer dafür bezahlen den Strom "zu verschwenden" oder irgendwie zu nutzen.

Wir haben immer noch das Problem, dass die Offshore Windparks im Norden zeitweise sehr viel billigen Strom erzeugen - zu viel für die Abnehmer im Norden. Im Süden, also in den Bergen gibt es Pumpspeicherkraftwerke die den Strom dann abnehmen und speichern können. Aber die Trassen zwischen Nord und Süd sind viel zu schwach und es gibt natürlich auch viele elektrische Verluste und Transfergebühren auf langen Strecken.

Durch die Verluste bekommt man ja weniger von dem was man bezahlt. Das drückt den Strompreis auf der Verkaufsseite natürlich. Aber auch wenn der Verkäufer den Strom verschenkt, sind da immer noch die Transfer gebühren. Wenn der Stromerzeuger also seinen Strom gratis ans Ziel bringen will, muss der diese Gebühren übernehmen, also dafür zahlen. Und schon hat man einen negativen Preis.

Natürlich kann man Windkraftwerke und Wasserkraftwerke recht schnell "anhalten". Aber die Betreiber verdienen dann ja nichts mehr. Also müssen dann Kraftwerke die viele Stunden zum hoch- und runter fahren brauchen ihren Strom am besten konstant einspeisen. Und dann müssen die Betreiber der Verbrennungskraftwerke - vor allem Batreiber von Atomkraftwerken die richtig lange brauchen - dann die anderen Betreiber die sofort abschalten können dafür bezahlen das zu tun. Welche Firma verzichtet denn freiwillig auf einen Gewinn?

Natürlich zahlt der eine Betreiber nicht den anderen Betreiber seine Energiequellen ab zu schalten. Das funktioniert über den Handel. Der eine Betreiber bezahlt den Händler mit negativen Strompreisen den anderen Betreiber trotzdem zu bezahlen auch wenn der keinen Strom mehr liefert.

Denn das Stromnetz funktioniert über einen Fond. Jeder der einspeist bekommt Geld aus dem Fond und jeder der den Strom an die Endkunden verkauft zahlt da ein. Jetzt kann man die Zahlungen "umdrehen", also der Stromerzeuger der Strom los werden muss zahlt da Geld rein damit ein anderer Stromerzeuger auch ohne Strom einzuspeisen Geld heraus nehmen kann.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Alle Windkraftanlagen und große Photovoltaik-Anlagen werden auch heute schon abgeschaltet, wenn ein Überangebot an Strom besteht. Das ist aus Gründen der Netzstabilität auch zwingend erforderlich.
Zukünftig gilt diese Pflicht auch für mittelgroße PV-Anlagen, bei kleinen wird zumindest die Einspeisevergütung für diesen Zeitraum auf "0" gesetzt.

Betreibern von abgeschalteten Anlagen steht jedoch u.U. eine Entschädigung zu, die auch finanziert werden muss. Zudem muss Betreibern mit einer fest vereinbarten Vergütung der Strom trotzdem zu diesen Konditionen abgenommen werden.

Warum es im laufenden Handel trotzdem zu negativen Preisen kommen kann, wurde ja schon dargelegt. Allerdings tritt dieser Effekt auch begrenzt im Day-Ahead-Markt auf, d.h. es ist schon am Vortag klar, in welcher Zeitscheibe das passieren wird.

Für Endkunden ist das jedoch kaum von Belang, da die richtig tief negativen Preise, die dann z.B. bei Tibber auch bis zum Kunde durchschlagen, nicht einmal 7 Stunden lang im letzten Jahr erreicht wurden.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Mit offenen Augen in der Welt unterwegs.

Stell dir vor, Strom ist wie Wasser in einem Rohr - es muss immer genau so viel reinfließen, wie rausfließt. Wenn plötzlich ganz viel Strom durch Sonne und Wind ins Netz kommt, aber nicht genug Menschen oder Fabriken ihn gerade brauchen, gibt es zu viel Strom.

Einige Kraftwerke - z. B. Atom- oder Kohlekraftwerke - können nicht einfach schnell stoppen, die brauchen lange zum Hoch- oder Runterfahren. Auch manche Windräder oder Solarparks dürfen nicht einfach abschalten, weil sie z. B. staatliche Vorgaben haben oder sonst Geld verlieren würden.

Wenn dann zu viel Strom da ist, bieten die Betreiber Geld an, damit jemand den Strom abnimmt - darum wird der Preis negativ. Es ist also günstiger, zu zahlen, als das Kraftwerk runterzufahren oder den Strom wegzuwerfen.

Kurz gesagt: Zu viel Strom, zu wenig Abnehmer - also wird der Strom "verschenkt" oder es gibt Geld dafür.

Das internet bzw. einige Bots können es gut erklären ;)

Das ist eine hervorragende Frage, die einen zentralen Punkt der Energiewende betrifft! Negative Strompreise erscheinen auf den ersten Blick tatsächlich widersinnig, aber sie sind ein Symptom für die Herausforderungen und die Funktionsweise unseres Stromnetzes, insbesondere im Zuge des Ausbaus erneuerbarer Energien.

Lass uns das mal Schritt für Schritt aufschlüsseln:

1. Das Problem: Stromangebot > Stromnachfrage (und das Netz muss stabil bleiben)

Unser Stromnetz ist ein extrem sensibler Kreislauf. Angebot und Nachfrage müssen jederzeit und in jedem Augenblick exakt im Gleichgewicht sein. Schon kleine Schwankungen können zu Instabilität bis hin zum Netzzusammenbruch (Blackout) führen. Die Netzbetreiber sind gesetzlich verpflichtet, diese Stabilität sicherzustellen.

2. Die Rolle der Erneuerbaren (Wind und Sonne):

  • Fluktuierend: Wind und Sonne sind "fluktuierende" Energiequellen. Sie produzieren Strom, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint – nicht unbedingt dann, wenn der Strom am dringendsten gebraucht wird.
  • Geringe Grenzkosten: Wenn eine Windkraftanlage oder Solaranlage einmal gebaut ist, sind die variablen Kosten für die Stromproduktion (die sogenannten Grenzkosten) praktisch Null. Der "Brennstoff" (Wind und Sonne) ist kostenlos. Daher haben sie ein starkes Interesse daran, so viel Strom wie möglich zu produzieren, sobald die Bedingungen stimmen.

3. Warum die Schalter nicht einfach umgelegt werden können:

Das ist der Kernpunkt und komplexer, als es scheint:

  • Trägheit konventioneller Kraftwerke: Konventionelle Kraftwerke (Kohle, Gas, Kernkraft) sind nicht wie Lichtschalter. Sie brauchen Stunden, um hoch- oder runterzufahren oder ganz abzuschalten. Ein häufiges Hoch- und Runterfahren ist teuer, ineffizient und verschleißt die Anlagen. Sie wollen in der Regel möglichst stabil durchlaufen, da sie für die Grundlast und Netzstabilität sorgen.
  • Mindestlasten: Viele Kraftwerke können technisch gar nicht unter eine bestimmte Mindestlast fahren. Sie müssen auch bei geringer Nachfrage ein gewisses Niveau an Strom einspeisen.
  • Vertragliche Verpflichtungen: Viele Betreiber von Kraftwerken haben langfristige Verträge über die Lieferung einer bestimmten Strommenge.
  • Netzstabilität (technische Anforderungen): Die Netzbetreiber brauchen eine gewisse Menge an rotierenden Massen (von Großkraftwerken), um die Frequenz des Stromnetzes stabil zu halten (50 Hertz). Das Abschalten vieler konventioneller Anlagen würde diese Stabilität gefährden.
  • Gesetzliche Vorrangstellung der Erneuerbaren: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Deutschland sieht vor, dass Strom aus erneuerbaren Energien vorrangig ins Netz eingespeist werden muss. Das bedeutet, Wind- und Solaranlagen dürfen nicht einfach abgeschaltet werden, solange die Netzkapazität es zulässt.

4. Das Entstehen negativer Strompreise (am Strommarkt):

Wenn nun an einem sonnigen, windigen Sonntagmittag die Nachfrage gering ist (z.B. Feiertag, wenig Industrie läuft) und gleichzeitig viel Wind- und Solarstrom ins Netz drängt, entsteht ein Stromüberschuss.

Die Netzbetreiber haben nun ein Problem: Sie müssen das Gleichgewicht wiederherstellen. Sie können nicht einfach die erneuerbaren Energien abschalten (wegen EEG-Vorrang). Sie müssen also:

  • Konventionelle Kraftwerke runterfahren: Soweit technisch möglich.
  • Strom exportieren: Wenn Nachbarländer aufnehmen können.
  • "Abregeln" (Einspeisemanagement): Im äußersten Notfall können Netzbetreiber Windräder und Solaranlagen anweisen, ihre Produktion zu drosseln oder ganz abzuschalten. Dafür erhalten die Betreiber aber Entschädigungen nach dem EEG (denn sie haben ja eigentlich das Recht zur Einspeisung).
  • Negative Preise anbieten: Am Strommarkt, insbesondere am Spotmarkt (wo kurzfristig Strom gehandelt wird), entsteht ein negativer Preis. Die Produzenten sind bereit, dafür zu bezahlen, dass ihnen der Strom abgenommen wird, weil die Alternativen (Abregelung mit Entschädigung oder teures und schädliches Abschalten konventioneller Anlagen) noch teurer wären. Gleichzeitig sind Stromverbraucher (z.B. große Industriewerke, Pumpspeicher) bereit, für das Abnehmen des Stroms Geld zu bekommen.

5. Warum bezahlen Energieversorger dann noch für das Einspeisen?

Weil die Alternative, den Strom nicht loszuwerden, für sie teurer wäre:

  • Vermeidung von Stillstandskosten: Ein Kraftwerk (ob konventionell oder erneuerbar) zu stoppen und später wieder anzufahren, ist teuer. Es kann günstiger sein, für die Abnahme zu bezahlen, als die Anlage herunterzufahren und den potenziellen Ertrag (auch bei negativem Preis) zu verlieren.
  • Einspeisevergütung für Erneuerbare: Viele ältere Wind- und Solaranlagen haben feste Einspeisevergütungen nach EEG. Das bedeutet, der Betreiber bekommt eine feste Summe pro erzeugter Kilowattstunde, unabhängig vom aktuellen Marktpreis. Wenn der Marktpreis negativ wird, können sie diesen Strom trotzdem einspeisen und dafür sogar die volle Vergütung erhalten – der Netzbetreiber bzw. die Stromkunden tragen dann die Kosten der "Entsorgung" dieses überschüssigen Stroms. Für den Anlagenbetreiber ist es also ein Gewinn, wenn er bei negativem Preis weiter einspeisen darf.
  • Anreiz für Verbraucher: Negative Preise sind ein Anreiz für große Stromverbraucher (wie z.B. große Kühlhäuser, die ihre Kühlung hochfahren können, oder Elektrolyseure zur Wasserstoffproduktion) und insbesondere Pumpspeicherkraftwerke, Strom abzunehmen. Pumpspeicher können in dieser Zeit sehr günstig Strom einkaufen, um Wasser bergauf zu pumpen, und es später wieder zu Geld machen, wenn der Strom teurer ist.

Zusammenfassend: Negative Strompreise sind ein Signal des Marktes, dass es zu viel Strom gibt. Sie entstehen, weil das Stromnetz extrem stabil sein muss, erneuerbare Energien Vorrang haben und konventionelle Kraftwerke nicht einfach an- und abschaltbar sind. Sie sind ein Anreizsystem, um überschüssigen Strom effizient zu nutzen oder zu speichern, und zeigen gleichzeitig die Notwendigkeit von flexibleren Speichern und einer besseren Abstimmung von Angebot und Nachfrage im Energiesystem.


Kathi2011w13 
Beitragsersteller
 22.05.2025, 23:47

Na toll. Dann ist also dieses blöde EEG daran schuld, dass der Strom in Deutschland so teuer ist. Ich finde das nicht gut.

siceripos  22.05.2025, 23:54
@Kathi2011w13

Exakt.....

Die Produktion von günstiger Energie ist ein Prozess, der sowohl technischen- als auch wirtschaftlichen Notwendigkeiten unterliegt.

Mit dem EEG hat man eine ideologisch-politische Komponente darüber gestellt die nun dafür sorgt, dass die sichere Energieversorgung immer schwieriger und teurer wird.

Weil durch die super Energiewende viel zu viele "erneuerbare Energie" produziert wird....diese kann nicht verbraucht werden....muss also irgendwo hin....da bieten sich dann Abnehmer im Ausland an...die wiederum den Strom nur nehmen, wenn sie dafür Geld bekommen....ein höchst ineffektives System zum Schaden für uns alle.