Wie ist das Universum entstanden (Umfrage)?

Das Ergebnis basiert auf 118 Abstimmungen

Durch einen Urknall 69%
Durch einen Gott/ Durch Götter 17%
Sonstiges: 14%

28 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet
Durch einen Urknall

Hallo TausendFragenX,

diese Frage wird hier fast täglich gestellt. Nicht selten mit der Absicht, kreationistischen Unsinn zu verbreiten - oder ihn verbreiten zu lassen.

1) Zur Abstimmung selbst:

Abstimmungen dieser Art sind aber wenig sinnvoll: Die Geschichte unseres Universums ist nicht davon abhängig, was User hier und heute in einem Internetforum von sich geben. Es ist keine Meinungsfrage, über die man diskutieren kann oder über die man abstimmen kann.

Kosmologie und Astrophysik sind naturwissenschaftliche Gebiete. Es sind Beobachtungsdaten, an denen Modelle wie der Urknall getestet werden - und nicht die Frage, ob die Beobachtungsdaten uns auch schön brav erzählen, was in alten religiösen Büchern steht. Kaum strapaziert eine naturwissenschaftliche Aussage die Grenze unserer Erkenntnis, springen Kreationisten hinter dem nächsten Baum vor und plärren "Gott war's". Bei der Newtonschen Mechanik machen die das nie ... obwohl die genau wie der Urknall über Beobachtungsdaten abgesichert wird.

Religiöse Aussagen sind immer Deutungen der Welt aus dem Blickwinkel einer bestimmten Religion heraus. Sie beschreiben aber nie gesetzmäßig innerhalb der Natur ablaufende Prozesse. Das ist der Gegenstandsbereich der Naturwissenschaft.

Entsprechend können religiöse Aussagen NIE Antworten auf naturwissenschaftliche Fragen sein. Die Aussage "Gott war's" ist vielmehr ein willkürliches Abbrechen der naturwissenschaftlichen Fragestellung: Ab dem Punkt, ab dem wir setzen, dass wir nur noch antworten können "das ist so, weil Gott es so gemacht hat", ist jedweder Erkenntnisprozess unterbunden, weil diese Antwort immer und willkürlich setzbar ist, egal welche Beobachtungsdaten nun zu erklären wären.

2) Zum Lieblingseinwand der Kreationisten gegen den Urknall:

Der Urknall ist ein Beobachtungshorizont. Im Urknall entsteht unser Raum, unsere Zeit und unsere Physik. Allein deshalb können über den Urknall hinaus keine naturwissenschaftlichen Aussagen in Beobachtungen geprüft werden.

Prompt beruht die kreationistische Kritik am Urknall in einer endlosen Fragerei nach dem "DAVOR". Der Einwand geht in etwa so, dass man den Urknall ja nicht als Tatsache akzeptieren müsse, so lange die Naturwissenschaft nicht in der Lage sei, zu erklären, was davor gewesen sei.

Doch diese Aussage ist in mehrfacher Weise falsch.

  • Da der Urknall ein Beobachtungshorizont ist, ist es nicht erstaunlich, es ist unvermeidbar, dass man irgendwo das Gebiet unbelegter Hypothesen betritt.
  • Aus dem Fehlen weiterer Daten über einen naturgegebenen Beobachtungshorizont hinaus folgt - anders als es der Kreationismus postuliert - für eine konkrete religiöse Vorstellung gar nichts. (Fehlschluss aus Unwissenheit)
  • Wir können den Urknall sehr gut über Beobachtungen nachweisen. Unser beobachtbares Universum ist sicher vor einigen Milliarden Jahren in einem dichten, heißen Anfangszustand entstanden. Auch ohne die genaue Kenntnis, welche Prozesse zum Beginn der Ausdehnung des Raums geführt haben, ist dies nicht wegdiskutierbar.

Es gibt übrigens sehr gute Modelle, die die Vorgänge beim Urknall beschreiben. (Während Kreationisten den Urknall grundsätzlich falsch darstellen. Oft als Explosion, oft anders falsch..) Ich habe hier in dieser älteren Antwort von mir einmal ein solches Modell beispielhaft näher erklärt:

https://www.gutefrage.net/frage/was-hat-den-urknall-ausgeloest#answer-241894291

3) Welche Beobachtungsdaten belegen den Urknall?

Im Laufe der 1920er gelang das für einige - rund 20 - "nahe" Galaxien. Gleichzeitig beobachtete man auch die Dopplerverschiebungen der Galaxien und stellte überrascht fest, dass sich alle außer der Andromeda von uns entfernen. 1929 veröffentlichte Hubble seine berühmte Gerade: Je weiter die Galaxien weg sind, desto schneller entfernen sie sich von uns.

https://apod.nasa.gov/diamond_jubilee/d_1996/hubble_fig1_full.gif

1931 veröffentlichte Lemaître darauf aufbauend die erste Idee eines "Urknallmodells", das sich aber in der damaligen Formulierung noch ziemlich von dem unterschied, was wir heute darunter verstehen.

Die Idee entsteht durch obige Graphik, die sich am besten dadurch erklären lässt, dass sich der Raum selbst ausdehnt. Dadurch nehmen die Entfernungen zwischen den eingebetteten Objekten zu - je schneller, je mehr Raum zwischen ihnen liegt. Denkt man dies weiter und weiter zurück, kommt man zu dem Zeitpunkt, an dem das heutige beobachtbare Universum nur ein winziges Volumen einnimmt.

Da die Daten damals noch recht fehlerbehaftet waren, hatte das neue, revolutionäre Modell natürlich Schwierigkeiten, zu überzeugen und sich durchzusetzen. Überhaupt stammt der Name "Urknall" von den Kritikern des Modells.

In der Naturwissenschaft glauben wir unsere Modelle nicht - im Gegenteil: Wir zweifeln sie an. Um zu schauen, ob unser Zweifel gerechtfertigt ist, errechnen wir aus den mathematisch formulierten Modellen Vorhersagen für weitere konkrete Beobachtungen... und die führen wir dann durch.

Der Gedankengang ist also: __Wenn__ diese Vermutung richtig wäre, müssten wir dies und jenes beobachten. Und das sin starke Argumente dafür, dass ein Modell die Natur gar nicht sooo schlecht beschreibt. Denn wer das Modell nach dem Eintreffen von Beobachtungsvorhersagen verwerfen will, der muss erst mal erklären, warum völlig falsche Modelle so tolle Vorhersagen liefern konnten.

Ungefähr klar?

Sind denn Vorhersagen aus dem Urknallmodell eingetroffen? Ja.

a) Hintergrundstrahlung

In den 1940ern berechneten Physiker dann, wie dicht und heiß das Universum an Anfang gewesen ist, wenn es im Urknall entstanden ist: Unvorstellbar dicht und heiß. So dicht, dass sich Starhlung am Anfang gar nicht ausbreiten kann - es kommt sofort wieder zu einer Wechselwirkung.

Das Universum muss sich am Anfang also erst einmal eine Zeit lang ausdehnen und abkühlen, bevor sich das Licht ungehindert ausbreiten kann.

Aus dieser Überlegung berechnete man, dass es eine Art Nachhall im Universum geben muss, wenn es im Urknall entstanden ist: Das entfernteste Licht, das man beobachten kann, das muss in alle Richtungen aus der Zeit stammen, als das Universum durchsichtig wurde: Das erste Licht, das sich im Universum ausbreiten konnte. Die Vorhersage war eine gleichmäßig aus allen Richtung kommende Strahlung, bis heute abgekühlt durch die Expansion auf unter 3 Kelvin.

1964 haben Penzias und Wilson diese Hintergrundstrahlung entdeckt - obwohl sie gar nicht danach suchten. Sie gilt bis heute als einer der besten Belege für den Urknall, weil die Mikrowellenstrahlung in keinem anderen kosmologischen Modell derart zwanglos erklärbar wird.

2) Die Häufigkeiten der Elemente im Universum

Nur in den ersten Minuten ist es im Urknallmodell heiß genug, damit sich im ganz jungen Universum Elementarteilchen bilden können. ("Primordiale Nukleosynthese") Deswegen bestimmt die im Modell beschriebenen Temperatur- und Druckkurven, wie viel Materie wir in Universum beobachten und in welchem Verhältnis der Elemente.

Die errechneten Verhältnisse von Wasserstoff und Helium stimmen sehr, sehr gut mit den Beobachtungen im Universum überein. Das Urknallmodell erklärt also dieses beobachtete Verhältnis.

3) Bestätigungen in Teilchenexperimenten

In Teilchenbeschleunigern beobachten genau die vorhergesagten Effekte, die wir im dichten heißen Anfangszustand für die ersten Sekundenbruchteile nach dem Urknall erwarten. Weil ganz am Anfang das Universum so dicht ist, spielen hier Quanteneffekte eine Rolle - deswegen können wir kosmologische Modelle in Teilchenbeschleunigern mittesten.

Über 90 Jahre sind also alle Vorhersagen, die sich aus dem Urknallmodell ergeben, in Beobachtungsdaten bestätigt worden. Leugner des Urknalls stehen nun eigentlich in der Bringschuld, erst einmal zu erklären, warum man auf der Basis eines ihrer Ansicht nach völlig falschen Modells so tolle, eintreffende Vorhersagen machen kann. - Mir konnte das bisher niemand erklären. ;-)

Falls Du Englisch kannst: Dieser Artikel fasst eigentlich recht gut zusammen, dass unsere experimentellen Bestätigungen bis in eine Zeit wenige Sekunden nach dem Urknall zurückreichen:

http://profmattstrassler.com/2014/03/26/which-parts-of-the-big-bang-theory-are-reliable/

Grüße

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Diplom in Physik, Schwerpunkt Geo-/Astrophysik, FAU
Zeugenaussagen  17.04.2020, 10:59

Der lange Beitrag ehrt Dich sicher. Dafür schon mal Dank und Anerkennung.

Du hast aber einen Fehler drin. Genauso wie die Anhänger einer unkritischen religiösen Anschauung einen Fehler darin haben, wenn sie glauben, alle Bilder des Alten oder Neuen Testaments wörtlich zu nehmen.

Als studierte (Astro)Physikerin weisst Du vielleicht, dass der Schöpfer der Urknalltheorie selber frommer Christ und sogar ordinierter katholischer Priester war: Georges Lemaitre.

Alles ist eine Frage der Auslegung, die Schöpfungsgeschichten und Metaphern der Bibel können durchaus auch in einem ensten physikalisch-mathematischen Diskurs über den Ursprung des Universums sinnvoll philoso-theologisch gedeutet werden.

Hier ist ein Artikel von einem Fachmann, Dominique Lambert, Physiker und Philosoph (Namur), vielleicht magst Du ihn Dir durchlesen:

https://www.theologie-naturwissenschaften.de/startseite/leitartikelarchiv/urknall/

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uteausmuenchen  17.04.2020, 16:18
@Zeugenaussagen
Du hast aber einen Fehler drin.

Ich finde es immer ein wenig amüsant, wenn mir unter eine Antwort geschrieben wird "bäh, falsch!!!111!!!" - ohne dass der Kommentator den Fehler sachlich benennt.

;-)

die Schöpfungsgeschichten und Metaphern der Bibel können durchaus auch in einem ensten physikalisch-mathematischen Diskurs über den Ursprung des Universums sinnvoll philoso-theologisch gedeutet werden.

Nachträgliches mit-Gewalt-reinlesen-wollen hat halt mit moderner Theologie herzlich wenig zu tun.

Als studierte (Astro)Physikerin weisst Du vielleicht, dass der Schöpfer der Urknalltheorie selber frommer Christ und sogar ordinierter katholischer Priester war:

Und Du weißt sicher, dass er auch ein Studium der Astrophysik hinter sich hatte?

Den verlinkten Artikel habe ich gelesen. Er ändert nichts an den Aussagen in meiner Antwort.

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uteausmuenchen  25.04.2020, 22:05

Danke für das Sternchen, ich freu' mich!

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Sonstiges:

Die Urknalltheorie ist der letzte Stand der Forschung, alles scheint einen finiten Anfang gehabt zu haben, hinter dem es sich zumindest physikalisch nicht mehr lohnt zu fragen "was war davor".

ABER:

  • Es ist "nur" ein Modell, und für ein Modell kann es nie eine 100-prozentige Sicherheit geben, dass es die Wirklichkeit, so wie wir sie messen können, vollständig und abschliessend beschreibt.

M.a.W.

Es kann durchaus sein, dass wir auf Naturphänomene oder neue Erkenntnisse in der Physik stossen, die es zwingend notwendig machen, das Modell zu revidieren oder gar ganz aufzugeben.

Zweitens:

  • Religion (Schöpfergott) und moderne Physik (Urknall) müssen nicht zwangsläufig gegeneinander stehen. Theologie und Philosophie können Physik und Religion durchaus plausibel in einem gemeinsamen vernünftigen Rahmen gleichzeitig denken, und solche wissenschafts-/glaubenstheoretischen Überlegungen sind zulässig, wenn man die Begriffe erweitert, mit denen man operiert.
Durch einen Urknall

Durch einen Urknall, deswegen glaube ich an Gott.

Bei der Evolution muss man zwischen Mikro- und Makroevolution unterscheiden. Die monotheistischen Religionen, insbesondere der Islam, sprechen meines Wissens nach nicht gegen die Mikroevolution, allerdings ist die Makroevolution nicht mit ihnen vereinbar.

21:30 Haben denn die Ableugner nicht gesehen,  dass Himmel und Erde  eine zusammenhängende Masse waren, worauf wir sie  getrennt und alles, was lebendig ist, aus Wasser gemacht haben? Wollen sie denn nicht glauben?
51:47  Und den Himmel haben wir mit (unserer) Kraft aufgebaut und gewiss,  Wir dehnen ihn aus.
Durch einen Gott/ Durch Götter

Es gibt gläubige Wissenschaftler und Menschen, die keinen Widerspruch sehen zwischen Glauben und Wissenschaft.

Mir ist die Bibel sehr wichtig. Ich nehme allerdings z.B. den Schöpfungsbericht nicht wörtlich, obwohl ich an einen Schöpfer glaube. Denoch ist der Schöpfungsbericht ein wichtiger Text, aus dem man viel über die Beziehung zwischen Gott und den Menschen erfahren kann.

Man kann sich auch als gläubiger Mensch mit Naturwissenschaften beschäftigen. Glaube und Wissenschaft müssen sich nicht immer widersprechen. So hat zum Beispiel Mendel, ein katholischer Mönch, wichtige Entdeckungen bei der Genetik gemacht. Der Mensch, der die Urknalltheorie aufgestellt hat, war katholischer Priester.

Laut der katholischen Kirche ist die Evolutionstheorie mit dem Glauben vereinbar.

Ich bin Christ. Gott liebt Dich. Wenn Du einiges wissen möchtest, was mich überzeugt, dass es Gott gibt, dann kannst Du mich z.b. fragen oder auf mein Profil gehen.

Durch einen Urknall

Ja, aber er ist ja nicht aus dem Nichts entstanden, sondern muss irgendwas ausgelöst haben und es muss ja davor was gegeben haben.

Denke auch wie einige wenige wissenschaftler dass es schon ein universum gab dass sich aber so zusammengezogen hat das es explodiert ist, denke dass es mit unserem auch geschieht, irgendwann ist die ausdehnung bis zu einem punkt erreicht wo es sich dann wieder zsm zieht.

oopexpert  16.04.2020, 00:47

Es gab kein "davor". Denn Zeit ist erst mit dem Universum entstanden...

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oopexpert  16.04.2020, 01:23
@Startill

Das ist ein Gedanke, der von allen kompetenten Physikern geteilt wird.

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oopexpert  16.04.2020, 01:29
@zeytinx33

Muss man nicht glauben. Es gibt schon Tests dafür und es werden weitere Folgen. Dann stellt sich heraus, ob da etwas dran ist...

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