Hallo Leonk150,
Jede Webseite sagt es war davor nichts rein gar nichts und plötzlich ein kleiner Punkt dann 💥
Das ist halt, weil die meisten Webseiten keine wissenschaftlichen Quellen sind.
Du liest dann Texte, die oft von Laien für Laien geschrieben worden sind. Die komplexen Modelle sind dort extremst verkürzt und vereinfacht dargestellt. Und leider oft auch nicht mehr ganz richtig.
Die moderne Physik beschreibt den Urknall NICHT als eine Entstehung aus dem "Nichts". Die Physik beschreibt den Urknall als eine Art "Phasenübergang", bei dem sich praktisch alles im System ändert. Unsere Physik entsteht mit dem Urknall, genau wie unser Raum und unsere Zeit. Nichts von dem, was wir im Universum kennen, kann gesichert über den Urknall hinaus vorausgesetzt werden.
Was genau in den allerersten Sekundenbruchteilen des Universums passiert ist, ist uns nicht in Beobachtungen zugänglich. Entsprechend gibt es hier auch einige konkurrierende Modelle. Zu diesen Hypothesen, wie es zur schlagartigen Ausdehnung des Raums gekommen sein könnte, gehören die Inflation, das zyklische Universum und das ekpyrotische Universum. Auf manchen Webseiten liest man manchmal über die letzten beiden, dies wären Konkurrenzmodelle zum Urknall, sie stehen aber nur in Konkurrenz zur Inflation - und hier reden wir halt wirklich nur von etwas, das in den ersten 10^-32 Sekunden unseres Universums passiert.
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Lass mich versuchen, einmal kurz zu beschreiben, was "Inflation" ist: (Obacht, auch wenn ich versuche, es wirklich vereinfacht zu erklären, geht das jetzt ein bissi "ins Eingemachte):
Ein Inflatonfeld, das von einem angeregten Zustand in einen anderen Zustand wechselt, kann für die unglaublich kurze Dauer dieses Phasenüberganges einen negativen - also abstoßenden Druck - aufbauen, der zu einer unheimlich schnellen Expansion der Raumzeit für sehr, sehr kurze Zeit sorgt.
Ein möglicher Kandidat für dieses Inflatonfeld wäre das Higgsfeld, von dem wir seit der Entdeckung des Higgsbosons 2012 immerhin wissen, dass es existiert. Es ist aber keineswegs gesichert, dass es der richtige Kandidat ist.
Sehr vage beschrieben schaut das Ganze mit dem Higgsfeld als Inflatonfeld so aus:
In der Quantenfeldtheorie sind alle Elementarteilchen Anregungszustände von Feldern. Das gilt auch für Kraftfelder. Das Higgs-Teilchen ist der Anregungszusatnd des Higgsfeldes.
Das Higgsfeld hat aber eine ganz besondere Eigenschaft: Wenn man es anregt - also Energie zuführt - dann nimmt es den Wert Null an; im Grundzustand verschwindet es nicht, hat einen Wert verschieden von Null und wechselwirkt mit den Elementar-Teilchen - was ihnen letztlich die Eigenschaft "Masse" verleiht.
Im Anfangszustand ist das Universum eben extrem heiß und dicht. Bei dieser extremen Energiedichte schwankt der Wert des Higgsfeldes um den Wert Null und die Elementarteilchen sind masselos. Das gilt auch für die Kopplungsteilchen der Kraftfelder, die dadurch nicht mehr unterschieden werden können.
Ununterscheidbare Kopplungsteilchen bedeuten Vereinheitlichung der physikalischen Wechselwirkungen - bekannter unter dem Namen "Grand Unified Theories (GUT)"; es gibt nicht die heute 4 bekannten Kräfte (Gravitation, Schwache WW, Elektromagnetische WW, und Starke WW), sondern eine einzige physikalische Kraft.
Erst die Abkühlung des Universums durch minimale Ausdehnung kann dazu führen, dass das Higgsfeld in den Grundzustand wechselt. Dann hat es einen Wert verschieden von Null und verleiht den Teilchen Masse. Die Kraftteilchen werden unterscheidbar und die physikalischen Wechselwirkungsarten "frieren aus".
Bei dieser Abkühlung kann das Higgsfeld sehr, sehr kurzzeitig im instabilen Zustand des Wertes Null verharren. Einen ähnlichen Effekt kennt man vom unterkühlten Wasser: Sehr sauberes Wasser bleibt ohne Kristallisationskeime bis unter den Gefrierpunkt flüssig. Eine kleine Erschütterung reicht dann schon, um es schlagartig gefrieren zu lassen, weil sich dabei winzigste Bläschen bilden an denen die Eiskristallbildung einsetzt und sich schlagartig ausbreitet, weil der gefrorene Zustand bei dieser Temperatur eigentlich der günstigere ist.
Genauso verharrt im Modell auch das Higgsfeld in einem falschen Vakuumszustand für die wenigen Sekundenbruchteile, die es dauert, bis sich das Feld umstrukturiert hat und in den neuen Quantenzustand gewechselt ist. In diesem falschen Zustand erzeugt es einen enormen abstoßenden Druck, eine abstoßende Kraft, die den gesamten Raum innerhalb von 10^-35 bis 10^-32 Sekunden nach dem Urknall um das 10^30 bis 10^50 fache aufbläht.
Diese schlagartige Ausdehnung in den ersten Sekundenbruchteilen ist die "Inflation". Selbstverständlich dehnt sich das Universum auch danach weiter aus - aber eben nicht mehr derart schlagartig.
Nachzulesen ist das genauer als von mir hier beschrieben hier
http://www.spektrum.de/lexikon/astronomie/inflation/197
Wie gesagt: Es gibt hier für die ersten Sekundenbruchteile auch andere Modelle, wie etwa das in der Stringtheorie fußende Ekpyrotische Universum oder das zyklische Universum.
Trotz dieser Unsicherheit für die ersten Sekundenbruchteile, gibt es keine stichhaltigen Argumente gegen den Urknall. Das Urknallmodell beschreibt letztlich die gesamte Entwicklung des beobachtbaren Universums von seinem heißen und dichten Anfangszustand bis heute. Und - obwohl natürlich jede Menge offene und spannende Fragen bestehen - beschreibt es diese Entwicklung sehr gut. Unsere Beobachtungsbelege reichen tatsächlich bis ins nur Sekunden alte Universum zurück. Wir wissen, dass unser beobachtbares Universum sich aus einem heißen und dichten Anfangszustand entwickelt hat.
Ich hoffe, das hilft Dir etwas weiter, auch wenn es lang und kompliziert war. 😊
Grüße