Ist der Urknall tatsächlich bewiesen?
Folgende physikalisch-philosophisch-politische Frage: Die Urknalltheorie besagt ja grob, dass das Universum aus dem "Nichts" entstanden ist. Die dialektischen Naturgesetze nach Engels & Lenin besagen jedoch, dass die Materie ewig und unendlich ist und es sich daher bei jeglicher Annahme einer Möglichkeit eines "Anfangs" der Materie um bürgerliche Ideologie handeln würde.
Als selbsterklärter Trotzkist bin ich daher unsicher, woran ich glauben soll. Wie bewiesen ist der Urknall tatächlich?
Hier ein Beispiel: https://derfunke.at/11996-der-urknall-und-die-krise-der-kosmologie
Empfehle auch "Aufstand der Vernunft" von Alan Woods und Ted Grant
9 Antworten
Bewiesen nur indirekt durch die Mikrowellenhintergrundstrahlung, die sich derzeit nur durch den Urknall erklären lässt. Allerdings geht man heute eher davon aus, dass der Urknall nicht aus einer Singularität heraus entstanden ist, sondern aus einer Quantenfluktuation mit einer Phase inflationärer Ausdehnung. Da eine Quantenfluktuation Raum benötigt, braucht man keine Singularität mehr, was aber auch bedeutet, dass es vor dem Urknall was gegeben haben muss. Der benötigte Raum für die Quantenfluktuation kann unvorstellbar klein gewesen sein, aber auch unvorstellbar groß. Daraus wiederum entwickelten sich verschiedene Hypothesen, z.B. das zyklische Universum, wonach der Urknall ein Übergangsstadium eines sich zusammenziehenden Universums war, das am Ende der Kontraktion auf kleinstem Raum eine Quantenfluktuation auslöste, die sich inflationär ausdehnte. Nach der inflationären Ausdehnung wurde die Energie der extrem schnellen Ausdehnung teils in Energie und Materie umgewandelt, das wäre dann der Urknall gewesen und das neue Universum begann sich wieder auszudehnen. Der umgekehrte Fall, also eine Inflation aus einem unvorstellbar großem Raum wäre auch möglich, weil quantenphysikalische Prozesse in einem sich immer weiter ausdehnendem Universum auch immer dominanter werden, da die Materie- und Enerdichte immer weiter abnimmt und alle Materie letztlich zerfällt. In so einem Raum kann es dann Gegenden geben wo eine Quantenfluktuation sich wiederum inflationär ausdehnen kann, was wiederum zu einem neuen Urknall führen kann. Demnach könnte sich in unvorstellbar langer Zeit aus unserem Universum mal ein neuer Urknall entwickeln, wenn man den Big Freeze des Universums voraussetzt, also kein zyklisches Universum. Kurzum, es braucht nicht zwingend eine Singularität für einen Urknall, die man auch mit der Relativitätstheorie nicht erklären kann.
Bewiesen ist nichts. Beobachtet wird (1) die kosmologische Expansion anhand der Rotverschiebung der meisten fernen Galaxien und (2) die Hintergrundstrahlung, die durch Entkoppelung von Photonen und Elektronen freigesetzt wurde und deren Wellenlänge seitdem "mitexpandiert" ist.
Das lässt darauf schließen, dass das Universum früher auf einem engen Raum konzentriert war und die Temperatur dabei so hoch gewesen sein muss, dass Elektronen und Protonen nicht zusammenhielten. Außerdem kann man ableiten, dass es der Raum selbst ist, der sich ausdehnt.
Per Rückextrapolation der Expansion kommt man auf den Startzeitpunkt von 13,8 Mrd. Jahren, per Rückextrapolation der Abkühlung kann man bis zu einem bestimmten Punkt Aussagen über das Verhalten der Elementarteilchen treffen. Irgendwann spielt die Physik nicht mehr mit, aber die reine Mathematik stellt sich nicht quer, wenn man die Rückextrapolation auf die Spitze treibt und das ganze Universum auf einen Punkt unendlicher (Energie-)Dichte konzentriert.
Das ist der Hintergrund für den weitverbreiteten Unsinn, dass das Universum aus dem Nichts entstanden ist und dass es "ein Davor nicht gab", weil man zusammen mit den Raumkoordinaten auch gleich die Zeitkoordinate einsparen kann.
Diesen Zustand hat es nie gegeben. Die Fluktuation im Quantenvakuum, die im gleichen Atemzug als Auslöser des Urknalls bemüht wird, setzt sowohl Raum als auch Zeit voraus, und in jedem Falle muss die gesamte Energie bereits vorhanden sein, denn die kann weder entstehen noch verschwinden.
Den Energieerhaltungssatz haben die Dialektiker wohl richtigerweise zugrundegelegt, aber sicher nicht erfunden.
Hallo pepsey,
Folgende physikalisch-philosophisch-politische Frage
Sorry, aber da muss ich widersprechen. Das ist eine rein interne Frage der Physik. Wenn wir Physiker Daten haben, die uns vom Urknall überzeugen, dann ist uns schnurz-piep-egal, was Philosophen und Politiker dazu sagen.
Die dialektischen Naturgesetze nach Engels & Lenin besagen jedoch, dass die Materie ewig und unendlich ist und es sich daher bei jeglicher Annahme einer Möglichkeit eines "Anfangs" der Materie um bürgerliche Ideologie handeln würde.
Ja, genau so was meine ich.
Schnurz piep egal. Um nicht zu sagen: SCHNURZPIEPEGALST.
Als Physiker interessiert mich nur eines: Was sagen die Beobachtungsdaten?
Auf nichts anderes hört der Physiker.
Hier ein Beispiel: https://derfunke.at/11996-der-urknall-und-die-krise-der-kosmologie
Sorry, aber den Text kann ich als Physiker aus genau diesem Grund nicht ernst nehmen. Es ist mir egal, was der Papst zum Urknall sagt. Es ist mir egal, was der Marxist zum Urknall sagt. Mich interessiert, was die Beobachtungsdaten sagen.
Im Übrigen irrt der Text gewaltig, wenn der Urknall als "idealistisch" im Gegensatz zum "materialistischen" Weltbild gesehen wird. Naturwissenschaft - einschließlich Kosmologie - beruht auf dem schwachen ontologischen Naturalismus.
Als selbsterklärter Trotzkist bin ich daher unsicher, woran ich glauben soll.
Physik und Naturwissenschaft allgemein hat nichts mit Glauben zu tun.
Naturwissenschaft ist eine Methode. Eine Methode, zu der intrinsisch gehört, dass man sich fragt, an welchen Beobachtungsdaten man erkennen würde, dass ein Modell falsch ist. Es ist eine nichts-glauben-Methode.
Wie bewiesen ist der Urknall tatächlich?
Naturwissenschaftliche Aussagen sind als Allgemeinaussagen über die Welt nie letztbeweisbar. Das ist jetzt tatsächlich etwas, das die Philosophen rausgefunden haben.
Im Übrigen muss man hier aufpassen, dass man an naturwissenschaftliche Fragen bei der Frage nach dem Beweis keine anderen Maßstäbe ansetzt als bei alltäglichen Fragen. Denn es ist keineswegs so, dass nur naturwissenschaftliche Aussagen nicht letztbeweisbar sind. Vielmehr ist KEINE Aussage über die Welt, die über die Frage der eigenen Existenz hinausgeht, letztbeweisbar.
Insofern ist es erheblich sinnvoller zu fragen, ob eine Aussage durch Daten so gut belegt ist, dass es keinen rationalen Grund zum Zweifeln gibt.
Und? Gilt das für den Urknall?
Ja, die Beobachtungsdaten reichen zurück bis ins nur Sekunden alte beobachtbare Universum. Wir haben sehr starke Belege dafür, dass sich unser beobachtbares Universum aus einem dichten und heißen Anfangszustand heraus entwickelt hat und seitdem ausdehnt. Dazu gehören neben der beobachteten Galaxienflucht etwa die primordiale Nukleosynthese oder die Auswertung der kosmischen Hintergrundstrahlung. Physiker weltweit werden Dir erklären, dass der Beginn in einem heißen und dichten Anfangszustand nicht mehr aus unserem Weltbild verschwinden wird, weil er zu gut belegt ist.
Leider liest man immer wieder Clickbait-Überschriften, die den Laien verunsichern. Andauernd wird irgendwo gemeldet, das JWST habe (schon wieder) den Urknall widerlegt oder das ganze Modell sei am Zusammenbrechen.
Nope. Sorry, aber all das ist entweder bewusstes Clickbaiting oder einfach Unverständnis.
Unklar ist, was in den ersten Sekundenbruchteilen passiert ist. Es gibt verschiedene Ansätze/Hypothesen (wie etwa die Inflation, das Ekpyrotische Universum, das zyklische Universum,...) - und hier haben wir keine Beobachtungsdaten, die zwischen diesen Hypothesen unterscheiden können.
Und ja, selbstverständlich gibt es - wie in jeder guten Wissenschaft offene Fragen. Etwa die nach dem Hubbleparameter, die nach Dunkler Materie und Dunkler Energie. Und wir hoffen, dass diese Fragen auch zu einem verbesserten Verständnis der Geschichte des Universums führen werden. Offene Fragen bedeuten aber nicht, dass es Grund zum Zweifel an sehr gut belegten Aussagen gibt.
Und was uns garantiert nicht interessieren wird in der zukünftigen Kosmologie ist, was Papst, Marxisten, Faschisten oder Philosophen über das denken, was uns die Beobachtungsdaten sagen. In der Naturwissenschaft gibt nur einer die Richtung vor - und das ist die Natur selbst.
Grüße
P.S.: Und um das noch mal deutlich nachzureichen: Nein, die Urknalltheorie sagt nicht, dass das beobachtbare Universum aus dem "Nichts" entstanden ist. Sie beschreibt den Urknall als Phasenübergang über den hinaus "nichts" von dem, was unsere Physik innerhalb des Universums beschreibt, als sicher gegeben betrachtet werden kann.
Danke. Ich freu mich über jeden netten Kommentar.
Hetze von Wissenschaftsfeinden gibt´s mehr als genug. 🙄
Hahah ja weil die Physiker ja im Vergleich zu Philosophen schon so viel bewiesen haben. Die Physiker haben überhaupt nichts bewiesen und arbeiten auch nicht so empirisch wie es immer dargestellt wird. Was Physiker nie erklären konnten:
-Zeit
-Urkanll
Ja, das ist wohl richtig. den "Urkanll" konnten wir tatsächlich nie erklären.
Ich finde es immer sehr amüsant, wenn Laien Physiker komplett argumentleer als absolut unfähige Deppen hinstellen - und zur Verbreitung ihrer Hetze elektronische Geräte benutzen, die es ohne die Physiker nicht gäbe.
Ich habe die Physik ja nicht per se abgewertet. In eurem kleinen Bereich den ihr macht seid ihr sicher klasse und ich bin sehr wohl in Physik bewandert, wobei mein Interesse natürlich der Mutter aller Wissenschaften gerichtet ist, nämlich der Philosophie. Aber hey, find's immer lustig wenn Physiker sich über Philosophen und deren Intervention aufregen, es aber die Physik ohne Philosophie gar nicht gäbe. Und ja, ihr konntet den Urknall tatsächlich halbwegs erklären, für Beweise hat es dann zwar nicht gereicht aber ist ja auch marginal, solange man in seiner Sekte voller Physikalisten sein kann die glauben alles wären nur Atome.😌
Wenn Sie sich in Wissenschaft auskennen würden, dann wüssten Sie, dass es in der (seriösen) Wissenschaft keine (100%-igen) Beweise gibt.
Nein, das stimmt meiner Meinung nach nicht.
Finde es immer bescheuert, wenn behauptet wird, dass das Universum aus dem Nichts entstand.
Wir behaupten, dass es vor dem Universum nichts gab, weil mit dem Urknall und der Entstehung des Universums, alles erschaffen wurde, also alle Regeln und Gesetze der Physik, wie wir sie kennen. Also die Dimension der Raumzeit beispielsweise. Deshalb könne man ja nicht nach einem Davor fragen.
Dabei ist das so dermaßen bescheuert, denn theoretisch könnten auch andere Dimensionen geherrscht haben, ohne Zeit und Raum. Etwas unvorstellbares, eine Art Energiezustand unabhängig von Raumzeit, woraus sich ein Urknall gebildet hat.
Es gibt ja das Antropische Prinzip. Danach sehen wie das Universum so, wie es ist, weil wir hier sind, um es zu sehen.
Jetzt stelle man sich vor, dass es eben andere Dimensionen gibt, wo wir einfach nicht für gemacht sind
wer thesen mit „bescheuert“ lapidar „vom tisch wischen“ möchte, disqualifiziert sich als unqualifiziert
Theoretisch kann es soweit ich weiß auch einfach 1 Universum vor unserem gegeben haben.
Das populärwissenschaftlich als „Big Bang“ bezeichnete Ereignis hat tatsächlich stattgefunden und mess- und beobachtbare Spuren hinterlassen, die sich nicht anders erklären lassen als die gültige Theorie es beschreibt.
Philosophie hat bei diesem Thema absolut nichts zu suchen und der Versuch, fanatische Gläubiger, aus noch bestehenden Wissenslücken zu konstruieren, dass alles falsch ist und es nur durch Gott erklärbar wäre, ist einfach nur schwachsinnig.
Sehr viel Mühe gegeben. Schade, dass hier keine Auszeichnung gegeben werden kann. 👍