Warum wird Arbeit von vielen Menschen eigentlich als Belastung anstatt als Möglichkeit gesehen?

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Allgemein ist es natürlich das Ziel, dass Menschen jeden Tag motiviert aufstehen und sich auf ihre Arbeit freuen. Doch in der Realität gibt es viele Menschen, die in ihre Arbeit gedrängt wurden, weil sie ihre Rechnungen bezahlen müssen oder wenig Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt hatten. Zusätzlich gibt es natürlich auch Bequemlichkeit.

Befürworter für bedingungslosen Grundeinkommens argumentieren, dass es den Menschen eine größere Entscheidungsfreiheit ermöglicht und was langfristig zu mehr Produktivität führen könnte, eben weil viele mehr Freude an ihrem Job hätten.

Kommt erst Mal sehr drauf an, wie du "Arbeit" überhaupt definierst.

Aus deinem Beitrag entnehme ich, dass du dich damit ausschließlich auf die klassische Lohnarbeit, wie sie in unserer Gesellschaft üblich ist, beziehst.

Für mich umfasst der Begriff "Arbeit" aber viel mehr. Mal ganz abgesehen von der Definition einer "sinnvollen Beschäftigung".

Und ob es sich nun bei vielen der Tätigkeiten, mit denen Menschen hierzulande so ihr täglich Brot verdienen und den Großteil ihrer begrenzten Lebenszeit verbringen, nun wirklich um eine "sinnvolle " oder gar "sinnstiftende" Tätigkeit handelt, halte ich doch für sehr fraglich.

Klar, der Sinn besteht vorrangig darin, dass sie damit ihren Lensunterhalt (und ggfs den ihrer Familie) bestreiten und sich (wenn sie Glück haben und nicht im Niedriglohnsektor ausgebeutet werden) auch darüber hinaus noch etwas Konsum / Wohlstand, mitunter eine bessere medizinische Versorgung leisten, sich materielle Wünsche und Träume erfüllen und fürs Alter vorsorgen können.

Des Weitern leisten sie mit ihrer Lohnarbeit, ihren Steuern und Abgaben natürlich einen wichtigen Beitrag für die Gesamtgesellschaft, was dem ganzen einen höheren Sinn verleiht.

Der Preis, den sie dafür zahlen, ist in erster Linie Zeit. Zeit für die Familie und Freunde, für Hobbies und persönliche Interessen.

Und insbesondere in einigen Berufsgruppen zahlen sie auf lange Sicht auch mit ihrer Gesundheit.

Dass nun jeder einem Beruf nachgehen kann, der für ihn die pure Selbstverwirklichung ist, halte ich für eine schöne Utopie, die aber mit dem realen Leben der allermeisten Menschen wenig zu tun hat.Wer so einem Beruf / Job für sich gefunden hat, kann sich sehr glücklich schätzen.

Der Arbeitsmarkt gibt das aber für die Masse nicht her und es werden auch viele Arbeitskräfte für Tätigkeiten gesucht, die von denjenigen, die sie ausführen müssen, alles andere als befriedigend und sinnstiftend wahrgenommen werden.

Manchen Menschen (ich kenne davon einige in meinem Umfeld) fällt es auch auf Grund ihres zunehmenden Alters und gesundheitlicher Probleme immer schwerer, dem täglichem Leistungsdruck an ihrer Arbeitsstelle gerecht zu werden. Die schleppen sich da hin, weil sie eben müssen. Aber hätten sie die Wahl, würden sie auch gerne darauf verzichten. Und das kenne ich selbst von Leuten, die von sich sagen, das das eigentlich mal ihr Traumjob war..

Mal ganz abgesehen davon: Ich persönlich kann ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, wenn du sagst, dass du ohne tägliche (von außen vorgegebene) Lohnarbeit nicht wüsstest, was du mit dir selbst anfangen solltest. Das finde ich traurig.

Was machst du denn, wenn du Mal Rentner bist, krankheitsbedingt nicht (mehr) arbeiten gehen kannst oder gar mal arbeitslos wirst? Fällst du dann ins Bodenlose, weil dein Leben dann seinen einzigen Sinn verloren hat? Hast du denn nichts und niemanden außer der (Lohn-) Arbeit, was dich interessiert oder dir etwas bedeutet?

Also ich brauche keinen Job als Beschäftigungstherapie. Ich weiß auch so immer was mit mir anzufangen und kenne keine Langeweile oder ein Gefühl der Leere und Sinnlosigkeit.

Mein Motto lautet:

Ich arbeite, um zu leben. Aber ich lebe nicht, um zu arbeiten.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Campeona  02.07.2023, 13:08

Noch ein Nachtrag:

Habe vor einiger Zeit zum ersten Mal den Begriff "Privatier" gehört, den jemand in einer Quizshow angab , als er nach seinem Beruf gefragt wurde.

Ein sehr interessanter "Beruf", wie ich dann beim Googeln feststellte. Ein echter Traumjob :) :

"Als Privatière, gilt allgemein eine Person, die finanziell so gut gestellt ist, dass sie nicht darauf angewiesen ist, zur Deckung ihrer materiellen Bedürfnisse einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und dies auch nicht oder nicht mehr tut – unabhängig davon, wie sie zu dem Vermögen gekommen ist."

Habe nicht den Eindruck, dass es den betroffenen Menschen nun sonderlich schlecht geht und die nichts mit sich anzufangen wüssten.

Genau wie früher (und teilweise noch heute) den Adligen oder Klerikern. Wärst du zum Beispiel im Mittelalter lieber leibeigener Bauer / Söldner oder Feudalherr gewesen?

Witzig finde ich auch immer, wie häufig gerade Leute über die angeblich unverzichtbare Sinnhaftigkeit von (selbst ausbeuterischer) lebenslanger Lohnarbeit philosophieren, die selbst nie mal längerfristig in einem dieser Jobs gearbeitet haben.

Dazu fällt mir gerade ein Wort zum Sonntag von einem katholischen Würdenträger ein, das ich letztens im TV gehört habe. Ich hätte den ja zu gerne Mal gefragt, wann und ob er überhaupt in seinem Leben schon Mal wirklich gearbeitet hat.

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Warum wird Arbeit von vielen Menschen eigentlich als Belastung anstatt als Möglichkeit gesehen?

Weil sie vielfach körperlich und/oder psychisch belastend ist.

Je nun, Arbeitgeber sind keine Altruisten.
Das natürliche Gegenmodell lautet, "ohne Gage kein Auftritt".

Frei übersetzt, "wenn ihr so tut als würdet ihr uns bezahlen, tun wir so als würden wir arbeiten".

Also ich liebe meine Arbeit auch!

Und bezüglich derer, die ihre hassen, denke ich immer, dass sie entweder bei der Berufswahl nicht aufgepasst oder deren Wert nur noch nicht erkannt haben.

Dazu passt auch gut das Sprichwort:

"Vieles lernt man erst zu schätzen, wenn man es nicht mehr hat."

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Langjährige architektonische Fachplanerin