Warum sollten wir nicht stolz auf unsere Geschichte sein, auch wenn es dunkle Kapitel gibt?
9 Antworten
Im Ausdruck „stolz auf unsere Geschichte sein“ finde ich das Wort „stolz“ semantisch nicht passend. Ich würde stattdessen sagen: mit Kritischer Distanz, Wertschätzung und Respekt auf die Geschichte schauen. Und ja, ich denke, das kann man absolut bei vielem. Ich denke, es gibt faszinierende Momente und Personen in der deutschen Geschichte, ohne irgendeinen Anspruch auf Vollständigkeit fällt mir ein die Gründung der römischen Siedlung Köln, das Frankenreich unter Chlodwig, der Investiturstreit, die Ottonen, die Reformation, die Erfindung des Buchdrucks, die deutsche Barockmusik mit Gestalten wie Telemann und Bach, die deutsche Aufklärung, Weimarer Klassik mit Goethe und Schiller, Vormärz, Paulskirche, die die Sozialbewegungen des 19. Jahhunderts, die Sozialgesetze unter Bismarck, das kulturell blühende Berlin der 1920er Jahre, Grundgesetz, die Integration von Millionen Geflüchteter nach dem 2. Weltkrieg, die Integration vieler Arbeitsmigranten aus Italien, Jugoslawien, Türkei und anderen Ländern, und ganz besonders die Friedliche Revolution von 1989, und unendlich vieles mehr. Und es gibt natürlich Flecken in unserer Geschichte, die uns in tiefe Abgründe schauen lassen, von den Bauernkriegen im 16. Jahrhundert über den 30 jährigen Krieg, die Restauration, die Kriege der 1870er Jahre, die Besetzung und Kolonialisierung u.a. Togos, Kameruns und Namibias, mit dem schrecklichen Höhepunkt der Niederschlagung des Herero- und Namaaufstandes. Und natürlich das dritte Reich, der 2. Weltkrieg und die Schoah.
Ich denke aber, unsere Gedenkstättenkultur und unsere kritische Auseinandersetzung mit den dunklen Flecken der Geschichte in vielen Teilen der Gesellschaft, das ist etwas, das in der Welt ein kleines Bisschen vorbildhaft ist und worauf wir tatsächlich ein bisschen stolz sein dürfen. Eine solch intensive Auseinandersetzung mit den Leichen im Keller der eigenen Geschichte ist mir in den USA nicht aufgefallen, ich habe nach vergleichbarer Aufarbeitung der Versklavung der afroamerikanischen Bevölkerung und des Genozids an den first nations gesucht und nicht gefunden, in Großbritannien habe ich keine Gedenkstätten gefunden, wo man sich kritisch mit dem Imperialismus und Kolonialismus des UK, angefangen mit der jahhundertelangen Unterdrückung Irlands, beschäftigt. Allerdings war ich jetzt auch wieder etliche Jahre nicht dort, vielleicht hat sich inzwischen etwas getan.
m Ausdruck „stolz auf unsere Geschichte sein“ finde ich das Wort „stolz“ semantisch nicht passend. Ich würde stattdessen sagen: mit Kritischer Distanz, Wertschätzung und Respekt auf die Geschichte schauen.
👍 👍 👍
Natürlich kannst du stolz auf unsere Geschichte sein, dann solltest du aber eben auch zu den dazugehörigen schlechten Zeiten stehen.
Dann würde das ja für jedes Land gelten, sogar für die gesamte Menschheit ... einfach komplett und konsequent alle dunklen Kapitel ausblenden.
Das will ich vom Fragesteller selber hören, was er ganz genau gemeint hat, und nicht von dir.
Franz Du Ungeimpfter: Ich sag dir mal was.
Keiner sagt dir, dass Du nicht auf die deutsche Geschichte stolz sein darfst.
Doch Du solltest im Unterricht in Geschichte aufgepasst haben oder dich zumindest darüber im Nachhinein schlau gemacht haben, bevor Du auf Taten anderer stolz bist!
Dann brauchst Du nicht auf andere hören und stehst zu Deiner eigenen Meinung mit allen Konsequenzen der Gesellschaft.
Ja sollten wir. Aber leider wissen viele nur die Nazi-Vergangenheit.
Ich glaub die meisten wissen schon auch über die schönen Dinge der deutschen Geschichte bescheid. Mir fällt da zumindest die Kunst ein die geschaffen wurde, das ist ja nicht zu unterschätzen.
Aber wenn man von den negativen Dingen redet, sollte man sich halt auch der negativen bewusst sein. Und gerade Leute die unbedingt stolz auf Deutschland sein wollen (genauso wie bei jedem anderen Land, das ist ja nichts eigen deutsches), würden diese negativen Punkte, wie eben das Dritte Reich, gern verdrängen.
Das hat aber der FS nicht gemeint...
Gruß Fantho