Warum reden alle von Gravitation und nicht von Raumkrümmung wenn's nur eine Scheinkraft ist?
8 Antworten
Hallo SRT2007,
es ist nicht wirklich falsch, von einer Kraft zu sprechen. Schließlich beschleunigt sie ja tatsächlich Körper, verformt sie etc..
Was bei Gravitation bloß ganz anders ist als bei z.B. der elektromagnetischen Wechselwirkung, fiel bereits GALILEI auf: Die Kraft, die auf einen Körper wirkt, ist streng proportional zu dessen Masse, d.h., die Beschleunigung ist dieselbe. Außerdem "spürt" er sie nur dann, wenn er ihr nicht widerstandslos folgen kann; ein frei fallender Körper "spürt" kein Gewicht. Deshalb lässt sich Gravitation überhaupt als – innere – Krümmung der Raumzeit beschreiben.
Raumzeit, nicht RaumWas wir den Raum nennen, sind eigentlich nur die drei "Seitwärtsrichtungen" innerhalb der Raumzeit, etwas, was Mathematiker eine Untermannigfaltigkeit nennen. Der Begriff der Mannigfaltigkeit verallgemeinert den der Fläche auf mehr Dimensionen.
Wenn wir zum Himmel schauen, sehen wir nicht einmal den Raum im Jetztzustand, sondern aufgrund der Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit eine weitgehend (hyper)kegelförmige Fläche in der Raumzeit, den sogenannten Vergangenheitslichtkegel.
Der zeitliche Verlauf der Position eines Körpers (genauer: seines Schwerpunkts) ergibt dessen Weltlinie (WL).
WL von Körpern, die sich relativ zueinander nicht bewegen, verlaufen parallel.
WL von inertialen Körpern, d.h., solchen, auf die keine Kraft (von der Gravitation abgesehen) wirkt, sind geodätisch, d.h., sie sind die geradesten möglichen WL.
Im nächsten Abschnitt will ich erst einmal klarstellen, was mit Krümmung überhaupt gemeint ist, nur für den Fall, dass Du an das irreführende Bild mit dem eingedellten Trampolin denkst.*)
GAUßsche KrümmungMit Krümmung einer Fläche oder ihrer Verallgemeinerung, einer Mannigfaltigkeit, ist nicht eine Verbiegung in einem höherdimensionalen Raum gemeint, sondern eine Eigenschaft ihrer inneren Geometrie. Für Flächen konnte GAUß zeigen, dass (und wie, nämlich mit Hilfe der Differentialgeometrie) sich ihre lokale Krümmung an jedem Punkt komplett unabhängig von ihrer Einbettung in den ℝ³ beschreiben lässt. RIEMANN verallgemeinerte dies auf Mannigfaltigkeiten.
Wenn ich ein ebenes Blatt Papier zusammenrolle, bleibt seine innere Geometrie "flach"**), auch wenn einige Geraden in Abhängigkeit von der Richtung, dadurch zu Schraubenlinien oder Spiralen bzw. Kreisen (wenn ich zwei Kanten zusammenklebe) werden; jede von ihnen bleibt eine Geodätische (Linie).
Solche Linien gibt es auch in gekrümmten Flächen; ein einfaches Beispiel ist ein Großkreis auf einer Kugeloberfläche.
In geometrisch flachen**) Flächen
- beträgt das Verhältnis zwischen Umfang U und Durchmesser d (entlang einer Geodätischen gemessen) immer π,
- beträgt die Innenwinkelsumme eines aus Geodätischen gebildeten Dreiecks stets π (bzw. 180°, was dasselbe ist) und
- sind je zwei Geodätische, die an einer Stelle in dieselbe Richtung verlaufen, überall parallel.
In negativ gekrümmten Flächen (Sattelfläche) weicht das Verhältnis U/d nach oben, die Winkelsumme des Dreiecks nach unten ab, und Geodätische laufen letztlich auseinander.
In positiv gekrümmten Flächen (Kugel) weicht das Verhältnis U/d nach unten, die Winkelsumme des Dreiecks nach oben ab, und Geodätische laufen letztlich zusammen.
Ein Modell für einen SprungDie WL der Erde – des Erdmittelpunktes – ist eine Geodätische, ähnlich wie der Äquator einer Kugel.
Die WL eines Punktes an der Erdoberfläche verläuft – wenn man von der Rotation der Erde um die eigene Achse absieht – parallel zu der des Erdmittelpunktes, ist aber nicht geodätisch – ähnlich wie ein Breitenkreis der Kugel.
Reist man den Breitenkreis entlang, muss man grundsätzlich ständig den Kurs ändern, da man anderenfalls richtung Äquator abdriftet. Will man auf dem geradesten Weg von einem Punkt zu einem anderen auf demselben Breitenkreis reisen, muss der Weg über höhere Breiten führen. Dies entspricht dem Stehen auf dem Boden bzw. einem vertikalen Sprung, wobei die geographische Länge ein Modell für die Zeit ist.
- Wenn ich auf dem Boden stehe, spüre ich mein Gewicht; die Kraft des Bodens nach oben, der mich an der Oberfläche hält, entspricht dabei der Kurskorrektur.
- Ein Weg über einen Großkreis von einem Punkt auf dem Breitenkreis zum anderen entspricht dem vertikalen Sprung; dieser Abschnitt meiner WL ist geodätisch.
Abb. 1: Modell für einen vertikalen Sprung
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*) Selbst von Physikern wird zur "Erklärung" der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) das Bild vom eingedellten Gummituch gebracht, auf dem Murmeln immer in Richtung der Delle abgelenkt werden. Allerdings reagieren sie damit auf die reale Gravitation der Erde unter dem Tuch und keineswegs auf dessen Krümmung; Würde jemand die Delle durch eine Ausbeulung ersetzen, würden nämlich die Murmeln von dieser wegrollen, obwohl die Krümmung genau dieselbe ist. Etwas besser wird's, wenn man die Murmeln durch eine auf's Geradeauskrabbeln programmierte Roboter-Ameise ersetzen würde, welche ein Lichtsignal darstellen soll. Diese folgt einer Geodätischen Linie (d.h., sie krabbelt so geradeaus, wie sie es kann, ohne die Flächezu verlassen) und wird sowohl durch Delle als auch durch Beule nach innen gelenkt.
**) Mit "flach" ist nicht zweidimensional gemeint, sondern Euklidisch, d.h., dass die von EUKLID axiomatisierte Geometrie in der ganzen Mannigfaltigkeit gilt, unabhängig von der Skala. Unter anderem gilt der Satz des PYTHAGORAS.
Was meinst Du mit Scheinkraft... Zentrifugalkraft ist eine Scheinkraft. Scheinkräfte sind von einer gleich großen Gegenkraft abhängig.
Zentrifugalkraft vs Zentripetalkraft - fehlt die eine fehlt die Andere.
Die Gummibildversion der Gravitation ist Krücke die nicht wirklich ist.
Ähnlich wie die Behauptung in der Nähe großer Massen laufe die Zeit langsamer. Das hält einfacher Prüfung nicht stand -
Die Zeit läuft immer gleich ab. An der Lichtgeschwindigkeit eine Zeit Dilation festzumachen geht daher nur als Brotlose Kunst.
Wahrscheinlich, weil es einfacher ist, mit einem Kraftfeld zu argumentieren, vor allem in der Mittelstufe.
Einerseits ja andererseits nein,... Genau deshalb braucht die Wissenschaft so lange um sich weiter zu entwickeln,....🙄
Da hast Du natürlich Recht – grundsätzlich. Allerdings kann man Dinge auch unter dem Vorbehalt erklären, dass sie nicht "die ganze Wahrheit" sind, wenn diese zu viel Vorwissen erfordert und man dieses nicht voraussetzen kann.
Am wichtigsten ist es, "Erklärungen" zu unterlassen, die von einem korrekten Verständnis weg führen.
Zum Beispiel das Modell mit auf einem eingedellten Gummituch rollenden Murmeln. Wenn schon, nehme man am besten Roboter-Ameisen, die an der Oberfläche haften und dazu programmiert sind, möglichst geradeaus zu krabbeln.
Wiso drehen die Sataliten um die Erde und nicht in einer Linie? Gravitation.
Nein es ist die Raumkrümmung. Der Satalit fliegt gerade aus, aber der Raum ist gekrümmt und bildet eine Kurve.
Habe ich das richtig verstanden? Denn für mich gibt es keinen sinn. Warum braucht er eine Gewisse Geschwindigkeit und warum dreht dann das licht nicht um die Erde? Man müsste um die Erde sehen, wenn die Erdkrümmung einen Kreis bilden würde?
Gravitation.
Nein es ist die Raumkrümmung.
Das "Nein" ist falsch. Gravitation ist Krümmung, allerdings nicht des Raumes, sondern der Raumzeit.
Die Bahn des Satelliten um die Erde ist lediglich die Projektion seiner Weltlinie auf die räumlichen Dimensionen. Und die ist in diesem Fall eine deutlich langgestreckte Schraubenlinie.
... für mich gibt es keinen sinn. Warum braucht er eine Gewisse Geschwindigkeit ...?
Geometrisch ausgedrückt – in Bezug auf die Raumzeit – ist die Geschwindigkeit eines Körpers relativ zu einem anderen nichts anderes als die Neigung seiner Weltlinie gegenüber der des anderen Körpers (eingeschlossen die Richtung, in die sie sich neigt).
In der positiv gekrümmten Raumzeit zwischen zwei Körpern, von denen mindestens einer hinreichend massereich und kompakt ist, tendieren ihre Weltlinien dazu, zusammenzulaufen. Die Raumzeit verfügt allerdings um mehrere Raumdimensionen "zum Ausweichen", d.h., bei hinreichender Seitwärtsneigung äußert sich das Zusammenlaufen nicht darin, dass sie sich unweigerlich irgendwo schneiden wie zwei Großkreise, sondern darin, dass sie trotz ihrer windschiefen Ausgangsrichtung nicht voneinander entfernen.
Bei noch stärkerer Neigung tun sie das trotzdem, aber weniger rasch und in anderer Richtung als ohne diese Krümmung.
Man müsste um die Erde sehen, wenn die Erdkrümmung einen Kreis bilden würde?
Wenn die Gravitation stark genug ist, ja. Schwarze Löcher können das, nennt sich Gravitationslinse..
Zentrifugalkraft = Masseanziehung in "Bahnhöhe" Radius ab Mittelpunkt der Erde zu rechnen.
Es gibt keine "Raumkrümmung"
F = m * V² / r
weil der name für dieses phänomen eben gravitation lautet. was stört dich an diesem wort?
Ich liebe dieses erhabene Wort so sehr, dass ich sogar versuche zu verstehen, was Gravitation ist und fantasiere wie man sie irgendwie beherrschen könnte. Ich glaube nicht, dass mir das je gelingen wird, zu verstehen was Gravitation ist.
Vielen Dank für die sehr ausführliche Antwort!