Hallo ChrisCR,
früher hätte ich gesagt, dass die Beziehung zwischen räumlichen und zeitlichen Abständen, wie sie sich in der Speziellen Relativitätstheorie (SRT) darstellt, es erlaube, Raum und Zeit zur Raumzeit zusammenzufassen.
Tatsächlich gibt es allerdings keinen Grund, das nicht schon vor dem Übergang von der NEWTONschen Mechanik (NM) zur SRT zu tun. Ein Ereignis ist ja immer durch Ort und Zeit gekennzeichnet.
Inzwischen würde ich sogar von der Raumzeit als etwas Primärem sprechen, das wir erst anhand eines Körpers B, auf den wir Orte und Geschwindigkeiten beziehen (der deshalb auch Bezugskörper heißt), in Zeit und Raum zerlegen können. Die Weltlinie (WL) von B ist dabei die Zeitachse eines von B aus definierten Koordinatensystems Σ, die t-Achse, und zu dieser Achse parallele WLn stehen für Orte (= zeitlich konstante Positionen relativ zu B).
Die WL eines Körpers ist eigentlich die zeitliche Fortsetzung seines Schwerpunkts; der räumlich ausgedehnte Körper wird eher durch einen Weltstrang dargestellt.
Die B- Koordinatenzeit t₁ eines Ereignisses Ě₁ ist der Punkt auf der t-Achse, auf die wir Ě₁ nach einer bestimmten einfachen Regel projizieren: Ist t₁ᵥ die Zeit, zu der man von B aus Ě₁ in der Entfernung r₁ sehen kann, so ist t₁ = t₁ᵥ − r₁⁄c. Als B- Koordinatenzeit können wir auch die auf diese Weise ermittelte Zeitspanne Δt = t₂ − t₁ zwischen zwei Ereignissen Ě₁ und Ě₂ bezeichnen.
Die Zeitspanne Δτ = τ₂ − τ₁, die von einer lokalen Uhr Ώ direkt gemessen würde, heißt Eigenzeit und entspricht der direkten Entfernung zwischen zwei Punkten im Raum.
Ich vermute mal, dass "Zeit" etwas anders funktioniert, als die anderen Dimensionen, die wir wahrnehmen.
Da hast Du völlig Recht:
- Räumlich kann man sich grundsätzlich in alle möglichen Richtungen bewegen, und auch wieder zurück. Zeitlich geht es unerbittlich vorwärts, mit mindestens 1s/s.
- Räumlich kann ein Körper nur begrenzt ausgedehnt sein. Zeitlich kann sein Weltstrang vielleicht einmal aus vielen "Fäden zusammengesponnen" sein und später wieder "aufribbeln", aber einfach irgendwo anfangen oder aufhören kann ein Weltstrang nicht.
- Außerdem gibt es auch einen wesentlichen Unterschied zwischen der Zeit und den räumlichen Dimensionen, was die Geometrie betrifft. Darauf komme ich noch zurück.
Die Vierergeschwindigkeit
Statt einer Maximalgeschwindigkeit, stelle ich mir eine konstante Geschwindigkeit vor, in welcher wir uns durch die Raumzeit bewegen.
Nicht so sehr wir als vielmehr unser Jetzt. Davon reden auch Physiker; es heißt die Vierergeschwindigkeit (weil die Raumzeit insgesamt 4 Dimensionen hat); ich ziehe "raumzeitliche Geschwindigkeit" vor. Deren Betrag lässt sich nicht ändern, nur ihre Richtung.
Wir werden uns im Folgenden auf eine räumliche Dimension beschränken, die x-Richtung von Σ.
Je schneller wir durch eine Dimension fliegen, desto langsamer tun wir das durch die anderen.
Das gilt nur für die räumlichen Dimensionen. Für die Bewegung durch die Raumzeit gilt stattdessen: Je schneller Du Dich relativ zu B räumlich bewegst, desto schneller bewegt sich Dein Jetzt zeitlich vorwärts.
Ort und B- Koordinatenzeit entsprechen nämlich einander, nicht Ort und Eigenzeit. Vergiss nicht, dass die Eigenzeit ein Wegpatameter bzw. eine Weglänge ist.
Stell Dir vor, Du hättest eine Zeitmaschine, mit der Du in die Zukunft reisen möchtest. Wenn Du sagst "ich fahre mit 60s/s" meinst Du damit wahrscheinlich nicht, dass Du stundenlang in der Maschine sitzt und wenn Du rauskommst, sind draußen nur ein paar Minuten verstrichen, sondern umgekehrt.
Es wird zwar gern so formuliert, wie Du es jetzt getan hast, d.h., Koordinatenzeit und Eigenzeit werden vertauscht, um die contraintuitive Geometrie der Raumzeit zu umgehen, aber das Modell funktioniert nicht, sobald mehr als ein Koordinatensystem im Spiel ist.
Die Relativitätstheorie hat ihren Namen ja von GALILEIs Relativitätsprinzip (RP): Wenn ein zweiter Körper B' sich mit konstanter 1D-Geschwindigkeit v entlang der x-Achse von Σ bewegt, kann man ebensogut ein von N' aus definiertes Koordinatensystem Σ' benutzen und sagen, dass B' stillsteht und sich stattdessen B mit -v (gleiches Tempo, entgegengesetzte Richtung) bewegt.
Die Geometrie der Raumzeit
In einer räumlichen Ebene (z-x-Ebene) lassen sich die Koordinatendifferenzen Δz und Δx zwischen zwei Punkten als Längen der Katheten eines rechtwinkligen Dreiecks und die direkte Verbindungsstrecke als dessen Hypotenuse auffassen. Es gilt für den Abstand Δs daher der Satz des PYTHAGORAS:
(1) Δz² + Δx² = Δs²
Für zwei Ereignisse in der t-x-Ebene gilt laut Relativitätstheorie eine ähnliche und dennoch andere Beziehung, nämlich MINKOWSKIs Abstandsquadrat
(2.1) Δt² − (Δx⁄c)² = Δτ²
bzw.
(2.2) Δς² = Δx² − (c∙Δt)².
Wie Du siehst, gibt es zwei verschiedene Versionen des Abstandsquadrates, was mit dem Minuszeichen zu tun hat. Es gibt ja Ereignisse, für die Δx > cΔt ist, und dafür wäre Δτ² negativ und somit Δτ selbst imaginär. Was aber soll eine imaginäre Zeitspanne sein? Eine räumliche Strecke.
Zwei Ereignisse heißen
- zeitartig getrennt, wenn es ein Koordinatensystem gibt, in dem sie gleichortig sind, d.h. im zeitlichen Abstand Δτ nacheinander am selben Ort stattfinden,
- lichtartig getrennt, wenn Δx = c∙Δt ist, wie etwa ein Ereignis und dessen Beobachtung in einiger Entfernung, und
- raumartig getrennt, wenn es ein Koordinatensystem gibt, in dem sie gleichzeitig an im räumlichen Abstand Δς stattfinden.
Abb. 1: Vergleich zwischen der räumlichen und der raumzeitlichen Geometrie
Die Vierergeschwindigkeit oder raumzeitliche Geschwindigkeit v» erhält man, indem man die Koordinatendifferenzen durch die Eigenzeit teilt, also
(3.1) v» = (Δt⁄Δτ | Δx⁄cΔt),
wobei die einzelnen Komponenten beliebig groß werden können; das heißt z B., dass Du im Prinzip eine beliebige Strecke in beliebig kurzer Eigenzeit zurücklegen kannst. Das MINKOWSKI- Betragsquadrat der Vierergeschwindigkeit ergibt sich dadurch, dass man (2.1) durch Δτ² teilt:
(3.2) 1 = (Δt⁄Δτ)² − (Δx⁄cΔτ)².
Das können wir nach der räumlichen Komponente umstellen:
(3.3) (Δx⁄cΔτ)² = (Δt⁄Δτ)² − 1
Die linke Seite ist freilich nichts anderes als (v⁄c)²(Δt⁄Δτ)², und so ergibt sich durch Teilen von (3.3) durch (Δt⁄Δτ)²
(3.4) (v⁄c)² = 1 − (Δτ⁄Δt)²,
also etwas, das stets kleiner bleibt als 1.