Warum gibt es in Deutschland so "viele" Analphabeten?

9 Antworten

Funktionale Analphabeten können sehr wohl lesen und schreiben. Sie können aber einen Text nicht verstehen bzw. keine eigenen Texte verfassen. Das ist so als würdest Du einen Text in einer Sprache vor Dir haben, die Du nicht kannst. Du kannst zwar die Buchstaben lesen, verstehst aber den Sinn der Worte nicht.

Für mich persönlich ist einer der Hauptgründe, dass immer weniger gelesen wird. Und dass viele sich durch ihre Schulzeit mogeln ohne dass das bemerkt wird.

ratsucher1912 
Fragesteller
 28.01.2020, 15:40

Sie sind also sozusagen der Rechtschreibung und des Lesens mächtig, können aber die Zusammenhänge (grammatikaliscj) nicht erkennen?

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Seeheldin  28.01.2020, 15:48
@ratsucher1912

Nein, sie verstehen den Text nicht. Mit Grammatik hat das wenig zu tun. Eher mit einem grundlegendem Textverständnis.

Sofern Du nicht gerade im Steuerbereich arbeitest, wirst Du kaum ein tieferes Verständnis für Steuergesetze aufbringen. Jetzt stell Dir vor, Du verstehst ähnlich wenig bei einer Zeitungsmeldung, der Wettervorhersage o.ä.

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ratsucher1912 
Fragesteller
 28.01.2020, 15:50
@Seeheldin

Ah, ich glaube ich weiß, worauf du hinauswillst. Sie erkennen einzelne Buchstaben und können diese z.B. nennen, aber sie nicht in Zusammenhang bringen. Hab ich das richtig verstanden?

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Funktionale Analphabeten sind solche, die das Lesen und Schreiben durchaus gelernt, aber nie angewendet und so verlernt haben. Das heißt, dass sie durchaus eine Schulbildung hatten, aber eben nur mangelhafte Übung. Sie haben Probleme damit Texte zu verstehen. Das ist so wie wenn man zwar Musiknoten benennen kann, aber die Melodie nicht summen könnte.

Gerade bei älteren Leuten spielen da unter Umständen die Kriegsjahre noch eine Rolle. Oft kommen solche Analphabeten jedoch auch schon aus bildungsfernen Haushalten, wo auch die Eltern bereits nicht richtig Lesen und Schreiben konnten. So war es nicht möglich, mit den Kindern zu üben oder auch nur die Möglichkeiten zu schaffen um eigenständig die Fähigkeiten zu verbessern. Wenn daheim Schrift einfach keine Rolle spielt, dann ist es scheinbar möglich durch das Raster zu fallen, wenn es in der Schule nicht gelingt gegenzusteuern. Hier kann auch Lehrermangel oder Desinteresse seitens der Lehrer eine Rolle spielen. Wenn die Fähigkeiten in der Grundschule nicht erlernt wurden, dann ist es später nicht leicht das nachzuholen, zudem ein gesellschaftliches Stigma den Betroffenen den offenen Umgang mit dem Problem erschwert. Scheinbar rechnet man ab einem gewissen Punkt auch nicht mehr damit, dass so etwas Grundlegendes wie Lesen und Schreiben ein Problem sind und geht davon aus, dass die betroffene Person sich einfach nicht am Unterricht beteiligen will. Dies setzt Prozesse in Gang, die das Eingestehen dieser Schwäche weiter erschweren.

https://leo.blogs.uni-hamburg.de/wp-content/uploads/2014/01/9783830927754-openaccess.pdf

Ayutthaya  26.04.2020, 06:56

"Gerade bei älteren Leuten spielen da unter Umständen die Kriegsjahre noch eine Rolle."

Das kann ich so nicht bestaetigen. Ich habe mit Hunderten, wenn nicht sogarTausenden aelteren Kollegen zusammengearbeitet. Ein Analphabet habe ich noch niemals kennengelernt. Aber jetzt haben wir 10%, was ist mit dem BRD-Bildungssystem los? In Suedkorea ist es genau umgekehrt, kommt von 40% und geht jetzt stetig Richtung Null%. Dort sind wirklich nur noch ein paar Aeltere Analphabeten.

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So, du "gehst einfach einmal davon aus". Wie KOMMST du denn überhaupt dazu? Umgekehrt wird es wohl eher richtig sein, und der Anteil derjenigen, die überhaupt nicht lesen und schreiben können, ist vermutlich wesentlich niedriger.

Du darfst auch nicht vergessen, diejenigen mitzuzählen, die so schwer behindert sind, dass sie das Lesen und Schreiben nie lernen konnten. (Es gibt ja auch Menschen, die nie lernen, zu sprechen.)

ratsucher1912 
Fragesteller
 28.01.2020, 15:42

Das sollte kein Angriff sein, mich wundert nur jede Zahl über 1%...

Danke für deine Erläuterung:)

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Vor einiger Zeit las ich mal eine Umfrage, der zufolge 30% der Jugendlichen noch nie(!) in ihrem Leben zu ihrem eigenen Vergnügen ein Buch gelesen haben. Was man nicht übt, kann man auch nicht mehr gut oder hat es noch nie gut gekonnt. Manch einer hat die Schule eben geradeso geschafft, mit dem Lesevermögen eines Zweitklässlers, und danach wurde es mangels Übung noch schlimmer.