Waren homosexuelle Handlungen in anderen ehemaligen Ostblockstaaten verboten?

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Aus https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-125609

Zeitlich und geographisch umfasste die Konferenz neben der Blockführungsmacht Sowjetunion auch die sogenannten „Volksrepubliken“ Polen, Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und die DDR zwischen deren Entstehung in den späten 1940er-Jahren und ihrem Ende um 1989/90. Jugoslawien, bekanntlich nicht im sowjetisch geführten Ostblock, wurde ebenfalls betrachtet. Hinsichtlich der Sowjetunion beschränkten sich die Vorträge bewusst auf deren europäischen und transkaukasischen Gebiete. (Die zentralasiatischen Republiken waren kulturell sehr anders geprägt.) Thematisch blickte das Symposium auf juristische, politische, soziale und nicht zuletzt künstlerische Aspekte des homosexuellen Lebens jener rund 40 Jahre.

Die Tschechoslowakei und Ungarn auf der einen Seite und Rumänien auf der anderen Seite bildeten, wie in vielen anderen politischen und gesellschaftlichen Fragen auch, die entgegengesetzten Pole in der strafrechtlichen und damit polizeilichen Verfolgung von Schwulen (und, wenn auch weniger, Lesben): die Regierungen in Budapest und Prag legalisierten bereits 1961 gleichgeschlechtliche sexuelle Kontakte zwischen erwachsenen Männern, in Rumänien überdauerte die Verfolgung der schwulen Männer sogar das Ceaucescu-Regime für weitere fünf Jahre und endete erst 1996. Dagegen stellten Ost-Berlin und Sofia gleichgeschlechtliche sexuelle Kontakte zwischen erwachsenen Männern 1968 straffrei, 1977 folgten die jugoslawischen Teilrepubliken Slowenien, Kroatien und Montenegro. Und Polen? Das streng katholische Land war in der Frage erstaunlich liberal und ging schon 1932 voran. In der Sowjetunion beendeten Lenins Bolschewiki bereits 1922 die Kriminalisierung der Homosexualität. Dies entsprach dem gewollten größtmöglichen kulturellen Bruch mit der „miefigen“, von der russisch-orthodoxen Kirche geprägten Vergangenheit, sahen sich die Bolschewiki doch als Avantgarde des Fortschritts. Unter Stalin war auch mit dieser Liberalität bald Schluss: Ab 1934 fanden sich sowjetische Schwule und Lesben wieder vom Strafrecht bedroht und von der Polizei verfolgt. Mögliche Erklärungen mögen in Stalins eigener, von der orthodoxen Kirche geprägter bäuerlicher Jugend liegen und in der Industrialisierung, die den Zuzug von Bauernmassen in die Städte verlangte. Die bäuerlichen Vorstellungen von Gesellschaft und Familie hielt so Einzug in die Zentren des Landes und verdrängten die Vorstellungen der kulturell-liberalen Avantgarde. Letzte fand sich ab 1934 bald ohnehin nicht nur außerhalb der Macht, sondern in den meisten Fällen auch im sibirischen Gulag oder vor Exekutionskommandos wieder.

Die neuerliche Verfolgung Homosexueller wurde von neuen Tönen der sowjetischen „Kulturschaffenden“ angekündigt und gerechtfertigt. Allen voran schritt der größte damals lebende Schriftsteller des Landes, Maxim Gorki. In seiner Anklage an das „unordentliche Sexualleben“ griff er 1934 das homosexuelle Leben als nicht konform mit der sozialistischen Ordnung scharf an. Auf Gorkis Ukas folgten Polizei und Geheimdienst. GALINA ZELENINA (Moskau) interessanter Blick auf Gorkis Homophobie wurde durch die Thematisierung von Gegenpolen wie André Gide ergänzt. Gide, der Sex unter Männern als „die höchste Stufe der Sexualität überhaupt“ bezeichnete, hielt nach dessen Tod auf dem Lenin-Mausoleum eine Trauerrede für Gorki. Zeleninas roter Faden war der spannende Vergleich zwischen Homosexuellen und Juden als zwei Minderheiten in der sowjetischen Gesellschaft.

Blueorange25 
Fragesteller
 04.11.2023, 08:46

Danke für die Antwort.

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Die BpB schreibt dazu: "Die DDR war praktisch ein Land ohne öffentliche Orte für Homosexuelle. Das Klima war geprägt von medialer Verunglimpfung, staatlicher Überwachung und polizeilicher Verfolgung, ähnlich der Situation in der UdSSR. Auch schwul-lesbische Kontaktanzeigen durften erst Mitte der 1980er Jahre erscheinen."

Die homosexuellen Opfer der NS-Diktatur durften in der DDR nicht in die Verfolgtenorganisation VVN eintreten.

https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/265466/schwule-und-lesben-in-der-ddr/