Waren die Nazis absolut böse Menschen?

12 Antworten

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Tja, wie sage ich es am Besten.

Nein, die Nazis waren nicht von Grund auf böse Menschen! Nichteinmal die Schergen der KZ waren dies. Unter ihnen gab es sicher Sadisten und blutrünstige Menschen, die unter den Umständen ihrer Brualität freien Lauf lassen konnten. Die meisten aber waren ganz normale Menschen, so wie DU und wie ICH.

Beispielsweise möchte ich vom Hamburger Polizeibattaillion 101 erzählen. Das waren alles altgediente Polizisten aus Hamburg, welche ganz normale Familienväter waren und ihr Leben lang ihren Beruf ganz normal ausgeübt hatten. Die meisten waren sicher zur Polizei gekommen, um Menschen zu helfen. Keine Nazis, nicht politisch geschult, ganz normale Männer.

Das Batallion wurde im Osten hinter der Front eingesetzt und war für die Deportation von mindestens 65.000 Juden in die Lager direkt verantwortlich. Außerdem beteiligten sich viele der Polizisten an Massenmorden in der Schlucht von Babi Jar, bei denen an 2 Tagen 38.000 Juden erschossen wurden.

Waren sie böse? Ja, ihre Taten waren es, aber es waren (leider) ganz normale Männer die zu Mördern wurden.

Das ist schwierig zu erklären, aber psychologische Forschungen haben ergeben, dass ganz normale Menschen schreckliche Taten begehen können, wenn mehrere Faktoren zusammen kommen.

  • Chorpsgeist und Befehl und Gehorsam
  • Ein Verantwortlicher, der ihnen die Befehle gibt und denen sie ihr Gewissen quasi abgeben
  • der Glaube es müsse getan werden
  • Eine extreme Situation
earnest  20.06.2022, 18:46

Das ist für die genannten Wehrmachtssoldaten richtig und entspricht den Forschungsergebnissen von Browning, Welzer und anderen.

Ich würde allerdings - wie du - zögern, diese "normalen" Soldaten (zum Beispiel des Polizeibataillons) als "Nazis" zu bezeichnen.

Dass aber Nazis wie zum Beispiel Friedrich Alpers oder bekannte KZ-Kommandanten wie Rudolf Höß von einem ganz anderen Schlag waren, steht außer Frage. Oder Monster wie Mengele...

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Eisenhieb  20.06.2022, 22:38
@earnest

Ja.

Aber ist z.B. ein Kindermörder böse? Oder hat er schwere psychsiche Krankheitsbilder? Ich halte die Einteilung in Gut und Böse sicher für einfach und gut beschreibend, um aber zu verstehen, weshalb Mengele solche schrecklichen Dinge tat .... da ist mir das einfach nicht genug. "Ja, der Mengele war böse!" Das ist mir einfach zu simpel und vor allem erklärt es nichts wirklich. War er denn generell böse oder nur zu seinen Opfern? Was war denn die Triebfeder zu seinem Handeln? Warum war ein Mediziner zu solchen Taten fähig, hat er seine Opfer gehasst, waren sie ihm gleichgültig und warum?

Nun bin ich nicht böse, wenn man solche Menschen böse nennt und verstehen kann ich es auch.

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earnest  21.06.2022, 06:23
@Eisenhieb

Ja.

Wie ich schon in meiner Nachfrage zu erkennen gab: Ich halte die Fragestellung in dieser Form für problematisch, denn schon die Kategorie "absolut böse" finde ich nicht zielführend.

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https://twitter.com/SebastianIsing/status/1039379884764737539

Zusätzlich sollte man sich klar machen dass kein Deutscher zum Dienst in einem KZ gezwungen wurde, siehe zum Beispiel

https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article144067359/Hatten-SS-Mitglieder-damals-wirklich-keine-Wahl.html

und das Märchen vom Befehlsnotstand schon seit längerer Zeit widerlegt ist:

Doch schon bald nach Gründung der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg, die alle Ermittlungen wegen NS-Verfahren koordinierte, wurde diese Annahme wissenschaftlich überprüft. Eindeutiges Ergebnis: Es gab damals und gibt bis heute keinen einzigen nachweisbaren Fall, in dem einem SS-Mann, der einen Mordbefehl verweigert hatte, selbst Gefahr für Leib und Leben drohte.
Im Gegenteil konnte durch zahlreiche Zeugenaussagen, aber auch durch Dokumente belegt werden, dass Befehlshaber von Mordeinheiten wie dem Hamburger Reserve-Polizeibataillon 101 wiederholt ihren Männer freistellten, sich an Mordaktionen nicht zu beteiligen. Wer sich so entschied, wurde nachweislich nicht bestraft.
Tatsächlich kam es vor, dass solche Männer als „Schwächlinge“ oder „Feiglinge“ geschmäht und aus der Kameradschaft ausgegrenzt wurden. Doch solche relativ milden Nachteile rechtfertigen die Annahme eines Befehlsnotstandes nicht.

Einige von ihnen würde ich als absolut böse bezeichnen. Viele, die ihnen folgten, eher als dumm. Und dazwischen gab es natürlich auch noch was.

Ist heute nicht anders.

Hm, das ist ein echt schwieriges Thema. Viele von denen haben das natürlich ausgenutzt um ihre ekligen Machtfantasien auszuleben. Viele hatten aber bestimmt auch einfach nur Angst um ihr eigenes Leben und ihre Familie.

Ich habe auch mal gehört, dass damals das Vergasen von Juden auch nicht gerade an die große Glocke gehängt wurde und viele das wohl einfach gar nicht wussten, was da passiert ist, wenn sie nicht gerade selbst im KZ gearbeitet haben.

DerRoll  20.06.2022, 17:49
und viele das wohl einfach gar nicht wussten, was da passiert ist

Dieses Märchen wird wohl nie aufhören in Deutschland herum zu geistern.

https://de.wikipedia.org/wiki/Zeitgen%C3%B6ssische_Kenntnis_vom_Holocaust

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TealcVonChulak  20.06.2022, 18:00
@DerRoll

Die Endlösung der Judenfrage blieb den meisten Reichsdeutschen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs verborgen und war auch für diejenigen, die über Auslandssender oder Erfahrungsberichte von Soldaten davon gehört hatten, meist unvorstellbar.

Das ist ein Auszug aus deinem Link... Du solltest erstmal lesen bevor du etwas teilst. 🤨

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LokiRockOfAges  20.06.2022, 18:01
@DerRoll

Erstmal danke für den Artikel. Ich bin dennoch nicht ganz überzeugt, dass so ultra viele davon gewusst haben. Im artikel wird ja in einem Absatz auch explizit geschrieben, dass dieser millionenfache Mord die Vorstellungskraft vieler Menschen einfach überstiegen hat.

EDIT: Ich hab das jetzt so aufgefasst, dass die Wisser eher in den Ämtern und weniger im Volk zu finden waren.

Sogar für mich als historisch aufgeklärte Person ist es noch schwer, das ganze Ausmaß dessen zu begreifen und mir vorzustellen, wie das damals gewesen sein muss.

Ich weiß nicht, wenn ich damals ein Bürger gewesen wäre, ob ich einfach so geglaubt hätte, wenn man mir gesagt hätte, dass es ein Lager gibt, wo ein Bevölkerungsanteil systematisch ermordet wird. Ob ich den Mut gehabt hätte, aufzustehen, wenn ich Angst haben müsste als Volksverräter erschossen oder aufgehängt zu werden. Heute von seiner sicheren bequemen kriegsfreien lebensweise aus, kann man natürlich große Töne spucken und die Bürger damals verurteilen. Aber man weiß im Grunde nicht, wie man selbst in der Situation reagiert hätte. Wir wissen es nicht, weil wir nie in einer Diktatur leben mussten.

Ich denke also nicht dass das ein Märchen ist, noch denke ich, dass keiner was wusste. Ich denke nur, dass das, gerade auch sozialpsychologisch etwas komplexer ist, als du das jetzt mit deinem Märchenspruch hier andeutest.

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DerRoll  20.06.2022, 18:14
@TealcVonChulak

selektives Zitieren kann ich auch.

Gleichzeitig erzeugte die NS-Informationspolitik mit allgemeinen Andeutungen in Zeitungs- und Wochenschauberichten, die auf organisierte Judenvernichtung schließen ließen, bewusst eine Art Mitwisserschaft der Deutschen. So sprach Adolf Hitler in reichsweit ausgestrahlten Reden offen von der „Vernichtung“ der Juden, die er schon am 30. Januar 1939 für den Fall eines neuen Weltkriegs „prophezeit“ hatte. Darauf kam er bis 1943 öfter – 1942 allein fünfmal – in wortgleicher Formulierung zurück: Von den Juden, die ihn für seine „Prophezeiung“ früher verlacht hätten, würden viele inzwischen nicht mehr lachen; bald, so Hitler, würde keiner mehr von ihnen lachen.
...
An Massenerschießungen beteiligte Deutsche berichteten ihren Verwandten in Briefen oder beim Heimaturlaub davon. In Verbindung mit den Pressemeldungen ergab die „Flüsterpropaganda“ dann allmählich immer genauere Vorstellungen davon, was mit Juden „im Osten“ geschah. Die im Oktober 1941 begonnenen Deportationen aus den deutschen Großstädten vollzogen sich öffentlich auf Versammlungsplätzen und Bahnhöfen und waren vielfach von großen Mengen Schaulustiger begleitet.
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„In Scharen tauchen die Juden unter. Furchtbare Gerüchte gehen um über das Schicksal der Evakuierten. Von Massenerschießungen und Hungertod, von Folterungen und Vergasungen.“
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 Ab Juli 1942 sendete die BBC, regelmäßig auch in deutscher Sprache, Details zur Judenvernichtung. Eine frühe Reportage nannte erste Zahlen, noch ohne daraus auf eine Ausrottungsabsicht zu schließen:
   „Eine internationale Kommission gibt folgende Ziffern. In Deutschland sind von den etwa 200.000 Juden, die es 1939 dort gab, mindestens 160.000 verschleppt worden oder zugrunde gegangen. In Österreich leben von 75.000 Juden höchstens noch 15.000, in Böhmen und Mähren, wo es auch 80.000 Juden gab, gibt es nunmehr an die 10.000.“
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Das Abhören von „Feindsendern“ galt als Rundfunkverbrechen, war im Deutschen Reich streng verboten und wurde mit der Todesstrafe geahndet. Beispielsweise verurteilte der Volksgerichtshof im September 1942 den Jugendlichen Walter Klingenbeck zum Tod durch die Guillotine.
Dennoch war das Abhören ausländischer Sender weit verbreitet. Meist bezog sich das Interesse der Hörer, vor allem nach 1943, auf die Frontverläufe. Da solche Meldungen oft mit „Propaganda“ (als Propaganda angesehen?) gegen die deutsche Kriegführung vermischt waren, war ihre Glaubwürdigkeit für die Deutschen und die Österreicher nicht immer erkennbar.

usw.usw.

https://www.bpb.de/mediathek/video/190077/was-wussten-die-deutschen-vom-holocaust/

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TealcVonChulak  20.06.2022, 20:48
@earnest

Dir ist aber schon klar das es sich um 2 verschiedenen Links handelt? 👌😂

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Kommt drauf an. Schindler war früher auch ein Nazi, hat aber dann aber Tausende Juden gerettet.