Sollte sich die Lohnsteuer nach dem Lohnvolumen richten?
Hallo, aktuell richtet sich die Einkommenssteuer in Deutschland nach dem individuellen Einkommen und der gesetzlichen Progression. Das führt dazu, dass die Top-10% der Einkommensbezieher zwar nur rund ein Viertel des gesamten Lohnvolumens erwirtschaften, aber mehr als die Hälfte des gesamten Einkommenssteueraufkommens tragen.
Eine Orientierung der Steuerlast am Lohnvolumen würde diese Progression aufheben: Wer 25% der Löhne verdient, müsste auch genau 25% der Steuerlast tragen. Damit würde die Steuerquote insgesamt proportional, nicht progressiv sein. Das wäre gerechter im Sinne der Gleichbehandlung pro verdienten Euro, aber es würde gleichzeitig die Umverteilungsfunktion des Steuersystems schwächen, da höhere Einkommen relativ entlastet und untere Einkommen relativ stärker belastet würden.
Im Wesentlichen geht es hier also um die Frage, Gleichbehandlung vs. Gerechtigkeit im Steuersystem.
Wie steht ihr zu dieser Sichtweise - unabhängig von der politischen oder wirtschaftlichen Machbarkeit?
(Lohnsteuer wird hier synonym zu Einkommenssteuer verwendet, auch wenn das fachlich nicht ganz korrekt ist. Gemeint ist aber durchweg die Einkommenssteuer)
4 Antworten
Wenn man die Lohnsteuer proportional zum Lohnvolumen gestaltet, wie du es beschreibst, entspricht das dem Prinzip der Gleichbehandlung pro verdientem Euro. Jeder zahlt denselben Anteil seines Einkommens, unabhängig von Höhe oder Position im Lohngefüge. Das klingt zunächst fair, weil kein Einkommen „bestraft“ wird und niemand bevorzugt wird.
Das Problem dabei ist die Umverteilungsfunktion des aktuellen Systems. Die progressive Besteuerung ist bewusst so gestaltet, dass höhere Einkommen überproportional beitragen. Dies dient dazu, soziale Ungleichheit abzufedern, öffentliche Dienstleistungen zu finanzieren und strukturelle Gerechtigkeit herzustellen. Würde man die Steuerlast proportional zum Lohnvolumen gestalten, entlastet man automatisch Spitzenverdiener und belastet Geringverdiener relativ stärker, da das System die gesellschaftlichen Lasten nicht mehr nach Leistungsfähigkeit verteilt.
Aus meiner Sicht ist die proportionalisierte Variante zwar logisch nachvollziehbar unter dem Aspekt „Gleichbehandlung pro Euro“, sie ist aber nicht zwingend gerechter, wenn man das größere Bild betrachtet. Gerechtigkeit im Steuersystem hängt nicht nur an formaler Gleichheit, sondern auch an sozialer Fairness und der Fähigkeit, die Gesellschaft insgesamt stabil und lebenswert zu halten. Eine rein proportionale Steuer würde also Gleichheit auf der Mikroebene herstellen, aber die gesellschaftliche Gerechtigkeit auf der Makroebene schwächen.
Gruß aus Tel Aviv
Das Problem dabei ist die Umverteilungsfunktion des aktuellen Systems
In Deutschland findet das aber nicht statt. Leute mit gutem Einkommen zahlen zwar mehr Lohnsteuer aber der Gesamtabgabensatz ist ähnlich wie bei mittleren Einkommen.
Und wer Kapitalerträge hat zahlt sogar weniger Steuern als jemand der arbeitet. Vor allem wenn wir in die Top-Verdienerbereiche kommen.
Besonders heftig ist es bei Firmenerben wo man teilweise dreistellige Millionenbeträge erbt und keinen Cent Steuer zahlen muss. Was nebenbei auch nicht grade Fair gegenüber Leuten ist die ein Unternehmen selber gründen den die müssen das komplette Inventar aus Eigenkapital oder Krediten finanzieren.
Sollte sich die Lohnsteuer nach dem Lohnvolumen richten?
Tut sie schon!
Es ist lediglich keine Lineare sondern eine steigende Belastung.
Wobei es immer noch so ist das jemand der den Maximalen Lohnsteuersatz zahlt durch die Lohnsteuer WENIGER belastet wird als jemand der den einstiegssatz zahlt.
Warum ? Weil die Lebensqualität (ohne großes Vermögen) nicht von dem Einkommen abhängt sondern von dem frei verwendbaren Einkommen.
Anders gesagt wer im Monat nur 20 Euro für private wünsche ausgeben kann hat viel viel viel weniger Lebensqualität als jemand der 200 oder 2.000 Euro für private Wünsche ausgeben kann.
Das wäre dann unter dem Strich noch ungerechter und würde dazu führen, dass die Vermögen noch Ungleicher verteilt werden. Das ist aber eines der größten gesellschaftlichen Problem hier und in anderen Ländern.
Der Fehler bei deinem Rechenbeispiel liegt vor allem daran, dass ab einem gewissen Einkommen es viel mehr Möglichkeiten, Ausnahmen und Regelungen gibt, die dafür sorgen, dass die tatsächliche Steuerlast deutlich sinkt. Das hat dazu geführt, dass Multimillionäre und Milliardäre in Deutschland jetzt schon weniger Steuern anteilig zahlen, als normale Angestellte aus dem Mittelstand.
Das Vermögen bleibt dazu seit Jahrzehnten komplett unangetastet.
Alleine in Deutschland gibt es ca. 800.000 Menschen die ihre Einkünfte komplett aus Kapitalerträgen generieren. Das heißt also Einkommen fast leistungslos und ohne wirkliches Arbeiten und einen Steuersatz von 25% abzüglich dem was der Steuerberater noch rausholen kann.
Das heißt richtige Arbeit wird höher besteuert als Leistungsloses Geld vermehren.
Gleichheit ist aber nicht Gerechtigkeit!
Wer mehr verdient kann sich nun mal stärker an den Kosten des Gemeinwesens beteiligen.
Man kann sicherlich über das Thema 'kalte Progression' streiten, aber meines Erachtens nicht über die Progression an sich.