"Schuldfrage" - was kann und muss ich tun und wie viel ihm überlassen?
Hallo Community,
es geht um meine persönliche "Schuldfrage" oder Themen, die ich lernen muss, mit mir zu vereinbaren....ich bin da sehr im Zwiespalt.
Mein Vater hat COPD Gold Stufe 4 (Endstufe) und war dieses Jahr auch oft im KH, lag auch 1x für 2 Wochen im Koma (stand auf der Kippe, ob er es schafft), war am Beatmungsgerät angeschlossen und war auch in der Reha - Ergebnis; Er raucht und trinkt weiter. Da ist keine Einsicht und eher die Aussage "lasst mich in Ruhe" und "mir gehts so schlecht" und dann wird er sauer und nervös, wenn man ihn anspricht. Mein Bruder und ich haben das begleitet und es hat uns zermürbt. Ich bekomme davon das meiste ab, da ich mit ihm zusammenwohne.
Ein Teil von mir respektiert das in dem Aspekt, dass er ein erwachsener Mann ist und sein Leben selbst bestimmt. Auch im Sinne "wenn er geht, dann mit dem was er liebt und was er wollte". Andererseits tut es mir natürlich weh, dass er sich derart selbstzerstört und auch "auf meine Kosten" (ich zahle anstehende Kosten und streiche meine Freizeit und einen Teil von mir demnach). Ich habe ihm bereits 3x das Leben gerettet, weil ich in dem Moment zuhause war (2013 einen Herzinfarkt und innerhalb von 3 Jahren hörte seine 2x Lunge auf zu arbeiten).
Aber wie oft muss und kann sowas passieren? Er provoziert das ja konstant.
Ich sehe, wie schlecht es ihm geht, wie sehr er verwahrlost und regelmäßig Atemnot und Todesangst hat. Den Haushalt schafft er nicht mehr, er ist sehr schnell aus der Puste und ihm tut alles weh. Mein Bruder holt ihn 1x die Woche ab zum Einkaufen. Andere Hilfe nimmt er nicht an, lehnt jegliche Haushaltshilfe, Pflegeansprüche oder Einrichtungen ab oder mag etwas verändern - das stresst ihn sehr und er wird aggressiv, das versetzt ihn in Panik und er hyperventiliert. Er ist zurechnungsfähig laut Gutachten und kann alles selbst entscheiden, wir machen da gar nichts.
COPDbedingt kriegt er regelmäßig Hustenanfälle, spuckt viel Schleim oder hat Atemnot, stöhnt und manchmal schreit er (kurz) auf - meistens auch gegen 3 Uhr morgens und ich steh dann demnach stramm und bin innerlich in Alarmbereitschaft, dass JETZT was passiert.
Was das auf Dauer mit einem Menschen macht, muss ich glaube ich nicht erläutern.
Ich habe nebenbei auch meine Arbeit (7-16 Uhr) und mein Privatleben mit Partnerschaft.
In seinen schlechten Phasen äußert er aber auch, dass er "meine Hilfe" braucht oder dass ich zuhause bleiben soll, falls nochmal was passiert und wie schlecht es ihm geht. Natürlich lasse ich ihn mit seiner Angst nicht alleine.
Ich wollte mit meinem Partner zusammenziehen, habe aber in mir die große Angst, dass dann was passiert und ich logischerweise nicht da bin und er dann stirbt.
Ich verstehe, dass es dann so wäre, aber ich kann es auch nicht so ganz mit mir vereinbaren....es fühlt sich an, als hätte ich ihn zurückgelassen, sich selbst und dem Tod überlassen.
Meine Mum ist verstorben als ich 6 war und es ist einfach schei*e, seine Elternteile zu verlieren (und ihn halt "immer wieder").
Ein schmaler Grat zwischen "selbstverständlich bin ich für ihn da, es ist mein Vater und schafft das nicht alleine" und "ich bin so arg strapaziert, warum muss ich dafür herhalten, nur weil er SO leben möchte?" - ich hoffe, ich konnte mein Dilemma ausdrücken...
Ich danke fürs Lesen, das Verständnis und kommende Antworten!
4 Antworten
Das ist natürlich sehr schade, dass er Hilfen von außen nicht annehmen möchte. Ich glaube du hast auch bestimmt alles versucht und gibt's dir wirklich sehr viel Mühe ihn zu entlassen und zu unterstützen.
Er scheint aufjedenfall sehr stur zu sein, was ich schade finde, da er eigentlich sehen müsste, dass du auch darunter leidest. Du solltest ihm klarmachen dass eine Haushaltshilfe und Pflegeansprüche nicht nur ihn, sondern auch dich entlasten würden. Und wenn es im Streit ausartet, dann ist das so.
An sich finde ich aber auch, dass du keine Schuld empfinden solltest, auch wenn das mit Sicherheit schwierig ist, weil du ja wie gesagt alles für ihn machst.
Ich wünsche dir und deiner Familie alles Gute für die Zukunft :)
Ich habe meine Mutter ein knappes Jahr gepflegt als sie Lungenkrebs im Endstadium hatte.
Daf0r bin ich extra aus München in eine andere Stadt gezogen, quasi über Nacht, weil ihr Mann, der sie gepflegt hatte an einem Herzinfarkt verstorben ist und sie wollte auf keinen Fall in ein Hospiz.
Anfangs hat es mich zwar sehr wütend gemacht, dass sie trotz lungenkrebs weiter geraucht hat, jedoch habe ich es akzeptiert.
Sie hat dann sogar angefangen zu kiffen und ich habe ihr das Gras besorgt.
Müssen musst du garnichts, du kannst aber deinem Vater Verständnis dafür zeigen, dass er so weiterlebt wie bisher.
So schlimm das auch rüber kommen mag, aber es ist doch nur eine Frage der Zeit.
Ich würde an deiner Stelle mit dem Zusammenzug warten, denn die Chancen stehen nicht schlecht, dass du ausziehst und er stirbt und du dir dann eine halbe ewigkeit vorwürfe deswegen machen wirst.
Ich wünsch dir viel Kraft und bessere Zeiten, das packst du schon
Wahrscheinlich hast du Recht und deine Mutter war dir sicher unendlich dankbar - dafür ist man ja auch füreinander da...
Es ist tatsächlich eine Frage der Zeit, wann es für ihn endlich ist - es tut nur noch sehr weh, ihm dabei "zuzusehen".
Ich danke dir!
Das was du beschreibst müssen Millionen andere auch machen wenn sie ihre Mutter nicht einfach abschieben wollen und oft aus Kostengründen auch nicht können. Meine Mutter habe ich vier Jahre lang mit COPD zusammen mit meiner Schwester gepflegt und ich habe ihr auch Alkohol und Zigaretten mitgebracht und auch nur deswegen weil es die einzige Lebensfreude noch war die sie hatte. Natürlich ist es nicht einfach so etwas durchzustehen aber da bist du weitem nicht die einzige. Bei mir war es sogar so das mein Lebensgefährte ebenfalls abbaute und depressiv wurde weil seine transplantierte Niere nicht mehr richtig arbeitete und er wieder vorbereitet wurde für die Dialyse. Gott hatte ihn dann ebenfalls zu sich geholt, er starb einen Monat später durch eine Lungenentzündung. Du siehst also es geht noch heftiger. Ganz zum Schluss war dann die Überlegung für ein Hospiz was sie aber ablehnte weil sie unbedingt zu Hause in unserem Beisein sterben wollte. Das tat sie dann auch, sie starb zu Hause.
Ich bin jetzt alleine ohne meine Mutter und ohne meinen Mann. Ich vermisse sie und denke jeden Tag an sie und glaub mir ich würde alles dafür tun nur um sie noch bei mir zu haben egal wie krank sie waren.
Ergebnis; Er raucht und trinkt weiter. Da ist keine Einsicht und eher die Aussage "lasst mich in Ruhe"
Es ist an der Zeit loszulassen. Verbringe deine Tage so gut es geht mit ihm. Er hat nichtmehr lange und überzeugen kann man ihn nicht.
Manche wollen das tun was sie tun wollen. Das ist es was Freiheit bedeutet, für den Moment zu Leben und einem egal ist wie lange man noch Leben könnte. Wer möchte 50 Jahre lang länger leben wenn er weiß das er als Sklave ohne Willen lebt, oder eben ein Leben für 10 Jahre, aber dafür ein wunderbares, was man sich immer erträumt hat.
Das stimmt absolut, deswegen akzeptiere ich es, aber blockiere mich selbst...ich bin 28 und das Thema Familienplanung schiebe ich seit Jahren her und lebe mich nicht aus - meinen Willen übergehe ich, da ich bei ihm die Not sehe. Er hat nicht mehr viel im Leben und gebe, was ich kann...frage mich zeitgleich zwischendurch "wofür?", wenn er es wegstößt, die Hilfe aber einfordert und sich weiter treibt..