Neandertaler und Homo Sapiens?

7 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo,

je mehr wir mit modernen Methoden die tatsächlichen Verwandtschaftsverhältnisse von Arten, von Gruppen von Lebewesen allgemein, feststellen können, desto deutlicher wird, dass unser menschliches Gedankengebäude, mit dem wir die Natur strikt in Schubladen wie Arten, Gattungen etc einteilen, die tatsächlichen Verhältnisse nicht vollständig korrekt wiederspiegeln kann. Anders ausgedrückt: anhand der Beobachtung der Natur können wir zwar Regeln aufstellen, beispielsweise dass Vertreter verschiedener Arten miteinander keinen fruchtbaren Nachwuchs haben können. Diese Regeln können zwar so hilfreich sein, dass man sich fast immer daran orientieren kann, letztendlich können wir aber der Natur nicht vorschreiben, dass sie sich, nachdem wir uns das einmal ausgedacht haben, auch bitteschön in jedem Einzelfall daran zu halten hat - und sie tut es auch nicht! Gerade in den Fällen, in denen es um sehr eng verwandte Arten geht, deren Vorfahren vor relativ kurzer Zeit wir noch einer gemeinsamen Art zurechnen. Der Prozess der Entwicklung einer Art geht eben fließend, die Unterschiede zur Ursprungsart werden langsam aber sicher immer größer - unser System der Einteilung dagegen arbeitet mit starren Entweder-Oder- Entscheidungen. Wir sagen nur entweder, die beiden Individuen gehören bereits unterschiedlichen oder noch derselben Art an, den gerade laufenden Übergangsprozess können wir so nicht abbilden. Es mag gute Gründe geben, Homo sapiens und Homo neanderthalensis als unterschiedliche Arten zu betrachten - nach meiner Kenntnis ist das gegenwärtig in der Wissenschaft so Konsens - dieses eine, klassische Kriterium, dass eine gemeinsame Fortpflanzung, die zu fruchtbaren Nachkommen führt, dann nicht möglich sein dürfte, trifft dennoch nicht zu. Nicht umsonst sagt Wikipedia:

Bislang gelang keine allgemeine Definition der Art, welche die theoretischen und praktischen Anforderungen aller biologischen Teildisziplinen gleichermaßen erfüllt.

Die Natur hat sich eben bislang erfolgreich dagegen gestäubt, sich vollständig in unser Schubladensystem pressen zu lassen.


Pomophilus  09.06.2025, 23:10

Und vielen Dank für 🌟!

Euyazik 
Beitragsersteller
 08.06.2025, 12:08

DANKE! Es ist sehr einleuchtend, dass es vielerlei Übergangsbereiche gibt, daß es oft winzige Unterschiede gibt, die sich nach und nach jedoch zu einer großen Differenz aufsummieren. Daher ist es wohl Definitionssache, ab welcher Unterschiedsgröße man von einer neuen, einer anderen Art sprechen mag.

wird gesagt, daß unterschiedliche Tierarten im allgemeinen keine Nachkommen haben haben können

Das hört man zwar oft, aber es ist ziemlich falsch. Richtig ist, daß unterschiedliche Tierarten in der Natur selten Hybride bilden. Aber das ist ein gutes Stück Tautologie, denn wenn es anders wäre, würden wir sie ja nicht als „Arten“ bezeichnen.

In der Praxis gibt es viele Paare von Tierarten, die problemlos fertile Hybride bilden kön­nen. In der Natur passiert das selten, weil sie z.B. in verschiedenen Regionen le­ben, unterschiedliche Paarungszeiten haben oder sich einfach im Balzverhalten so stark unterscheiden, daß sie nicht erfolgreich miteinander flirten können. In Gefan­gen­schaft oder unter sich ändernden Umweltbedingungen passiert es trotzdem, z.B.

  • Eisbär und Braunbär lebten in der Vergangenheit räumlich getrennt, aber durch den Klimawandel kommen sie immer mehr miteinander in Kontakt, und Hybride sind schon in der Natur beobachtet worden.
  • Bei den hundeartigen Raumtieren (Wolf, Schakal, Koyote, Dingo) können im we­sent­lichen alle mit allen, auch mit Hunden. Solche Hybride wurden auch schon in der Natur gefunden.
  • Bei den Huftieren ist die Hybridisierungstendenz besonders ausgeprägt, so gibt es z.B. Hybride aus amerikanischem Bison und Hauskühen. Auch bei den Hirschen geht es munter zu, und bei Walen ebenso.
  • Katzen können es auch: Die Hauskatze paart sich z.B. so oft mit der europäischen Wildkatze, daß letztere dadurch bedroht ist. Es gibt sogar eine Katzenrasse, die durch Einkreuzen einer asiatischen Wildkatze entstanden ist.
  • Bei Vögeln sind Hybridisierungen sogar noch leichter möglich als bei Säugetieren

Euyazik 
Beitragsersteller
 09.06.2025, 19:50

DANKE !

Von Experte uteausmuenchen bestätigt

Ob anatomisch moderne Menschen und Neanderthaler wirklich eigenständige Arten bildeten oder lediglich Unterarten derselben Art waren, ist umstritten. Für beide Sichtweisen gibt es ein Für und Wider. Das kommt auch darauf an, welches Artkonzept man verwendet. Du hast absolut damit recht, dass nach dem biologischen Artkonzept beide zu einer Art gezählt werden müssen. Ich persönlich bevorzuge diese Sichtweise auch deshalb, weil Neanderthaler uns kulturell und geistig ebenbürtig waren. Viele Forscher folgen heute jedoch einem anderen Artkonzept, nämlich dem phylogenetischen Artkonzept. Dieses Konzept definiert eine Art nicht als Fortpflanzungsgemeinschaft, sondern als Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Phylogenie (Abstammung). Folgt man diesem Konzept, ist die Auftrennung in zwei Arten gerechtfertigt, da Neanderthaler eben einer eigenständigen, deutlich früherentstandenen Abstammungslinie angehörten als die anatomisch modernen Menschen. Letztendlich ist es einfach eine Interpretationssache, beide Sichtweisen sind möglich.

Davon unabhängig mal eine ganz allgemeine Bemerkung: Evolution ist ein dynamischer Prozess. Arten sind nur vom Menschen geschaffene Konstrukte, die uns die Sortierung des Lebens erleichtern. Es sind aber nur Momentaufnahmen. In Wirklichkeit verändern sich die Arten ja aber über die Zeit, sie trennen sich auf, sterben aus, verändern im Lauf der Zeit ihr Äußeres usw. Da ist es nur logisch, dass es jede Menge Arten gibt, die sich gerade an jenem Punkt befinden, wo sie sich gerade erst voneinander trennen oder kürzlich getrennt haben und noch nicht vollständig reproduktiv voneinander getrennt sind. Dass bei nicht wenigen Arten noch eine Hybridisierung möglich ist, widerspricht also nicht dee Evolutionstheorie, sondern beleht viel eher, dass das ein dynamischer Prozess ist.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Du hast recht: Normalerweise können sich verschiedene Arten nicht erfolgreich fortpflanzen oder ihre Nachkommen sind unfruchtbar (wie Maultiere).

Trotzdem trugen Neandertaler und moderne Menschen Kinder aus, die sich erfolgreich fortpflanzen konnten. Das beweist, dass sie nicht strikt getrennte Arten waren, sondern eher sehr eng verwandte Unterarten oder Populationen. Ihre genetische Distanz war nicht groß genug, um die Zeugung fruchtbarer Nachkommen zu verhindern. Das Ergebnis ist, dass wir heute noch Neandertaler-Gene in unserer DNA finden können.

Liebe 🌞 Grüße


Euyazik 
Beitragsersteller
 08.06.2025, 10:19

DANKE! - Mit scheint, der Begriff "Art" is wohl nicht so eindeutig festgeschrieben, wie oft dargestellt wird. Da gibt es wohl vielfältige Übergänge zwischen "gleiche Art" und "unterschiedliche Arten"

Florabest  08.06.2025, 09:57

Nein, er hat nicht recht. Es sind keine verschiedenen Arten.

Es kommt immer darauf an, wie weit sich die Unterarten genetisch bereits auseinander entwickelt haben. Löwe und Tiger können sich auch paaren. Ergebnis ist ein Liger.

Allerdings kommt das in der Natur nicht vor, weil sie nunmal nicht in denselben Lebensräumen vorkommen.

Bei Homo sapiens und Homo neandertalensis war das anders.


Euyazik 
Beitragsersteller
 08.06.2025, 10:26

DANKE! - Mit scheint, der Begriff "Art" is wohl nicht so eindeutig festgeschrieben, wie oft dargestellt wird. Da gibt es wohl vielfältige Übergänge zwischen "gleiche Art" und "unterschiedliche Arten" wie auch das Beispiel 'Liger' zeigt. - Können 'Liger' Nachkommen zeugen?

Hinkel1957  08.06.2025, 10:23

Eisbär und Grizzly auch: Die Nachkommen sind auch fruchtbar. Es gibt immer mehr Eisbären mit schmutzigbraunem Fell bzw. Grizzlys mit Eisbärschnauze.

Euyazik 
Beitragsersteller
 08.06.2025, 10:22

DANKE! - Mit scheint, der Begriff "Art" is wohl nicht so eindeutig festgeschrieben, wie oft dargestellt wird. Da gibt es wohl vielfältige Übergänge zwischen "gleiche Art" und "unterschiedliche Arten" , wie auch das Beispiel vom 'Liger' zeigt. Können 'Liger' Nachkommen zeugen?

Kerner  08.06.2025, 10:17

Unterarten können nicht mehr gekreuzt werden,
sonst würden sie nicht so heißen.
Oder besser, es ist der Übergang von einer Rasse zu einer neuen Art.
Übergang ist fließend´.

Trifft auf Löwen und Hundeartigen zu, nicht auf moderne Menschen.

Hansi

Pomophilus  08.06.2025, 11:53
@Kerner

Nein!!

Der Begriff der Unterart ist nicht wirklich definiert und wird weitgehend synonym mit Poulatiation verwendet. Selbstverständlich sind verschiedene Populationen einer Art miteinander kreuzbar!

Der Begriff Rasse wird heute nur noch für künstlich vom Menschen gezüchtete Formen von Haustieren verwendet.

Kerner  08.06.2025, 16:09
@Pomophilus

Ja, da hat wieder mal etwas durcheinander gewürfelt.

Hansi