Hallo,
ich finde, die Diskussion müsste grundsätzlich anders herum geführt werden:
Der Mensch ist von Natur aus ein Allesfresser. Seit Millionen von Jahren leben unsere Vorfahren als Omnivore von sowohl (überwiegend!) pflanzlicher, aber auch tierischer Kost. Waren alle unsere Vorfahren schlechte Menschen? Wenn jemand nun plötzlich verlangt, dass Andere sich anders zu verhalten haben, ihre Ernährung auf die eigenen, höchstpersönlichen Vorstellungen der fordernden Person umzustellen, dann ist es erst einmal nicht Sache der Angesprochenen, haarklein begründen zu müssen, warum sie dieser Forderung nicht nachkommen, sondern es ist Sache der fordernden Person, ihr Ansinnen zu begründen. Noch dazu, wenn die erhobene Forderung überhaupt nicht für alle Menschen funktionieren könnte: eine komplett vegane Welt ist nicht möglich. Es geht den militanten Veganern, wie allen Fundamentalisten, also wohl nur darum, sich selbst auf der Seite der "Guten" zu sehen, für ein solches Weltbild ist es ja gar nicht schädlich, dass es gar nicht umsetzbar ist, dass alle anderen genauso leben - im Gegenteil, es ist sogar notwendig: um sich selbst als "die Guten" sehen zu können, braucht man ja einen Gegenpart, "die Bösen". Hier und anderswo ist die Diskussion leider bereits vollkommen gekippt: die "Guten" fühlen sich bedingungslos im Recht, die anderen müssen sich rechtfertigen.
Damit könnte man die Frage eigentlich schon beenden: wenn ich in Maßen auch tierische Produkte konsumiere, dann verhalten ich mich natürlich. Für mich persönlich ist das eine sehr starke Rechtfertigung - wohlgemerkt mir selbst gegenüber, denn sonst bin ich da niemandem Rechenschaft schuldig. Aber ich meine, dass dir das nicht ganz genügen würde.
Ich bin mir dessen bewusst, dass ich durch meine bloße Existenz andere Lebewesen schädige: ich muss mich ernähren, das geht nur, indem ich andere Lebewesen oder Teile, Erzeugnissen von ihnen esse, und natürlich nehme ich damit auch anderen Lebewesen ihre Nahrung weg. Ich beanspruche Platz - auf Kosten anderer Lebewesen. Ich gestalte meine Umwelt aktiv um und ich sorge durch meine Ansprüche mit dafür, dass die Umgestaltung der Umwelt, die unsere Vorfahren schon vor Tausenden von Jahren durchgeführt haben (zB Rodung von Wäldern, um Landwirtschaft zu betreiben) aufrecht erhalten bleibt - damit werden manche Lebewesen begünstigt, auch für sie sind vom Menschen geschaffene Lebensräume adäquat, sehr vielen anderen Lebewesen aber wurde und wird der Lebensraum genommen, viele sind gar schon ausgestorben.
Willkommen in der Realität, für mich gilt dasselbe wie für alle Lebewesen: entweder ich lebe und schade damit anderen Lebewesen, oder ich begehe Suizid. Ich habe mich für Ersteres entschieden, auch wenn ich das schon als eine Bürde sehe, die ich damit angenommen habe.
Für den Umgang mit dieser Bürde muss ich meinen ganz eigenen Weg finden, das kann mir niemand abnehmen. Mir ist es wichtig, dabei das Ganze zu sehen, die komplette Natur so gut es geht zu erhalten und möglichst wenig zu schädigen. Das ist mir wichtiger. Ein Verhalten nach dem Motto: "Hauptsache diesem einen Tier mit den süßen Kulleraugen passiert nichts, wenn dann der ganze Lebensraum kaputt geht, ist das dann egal" halte ich für falsch. Natürlich stufe ich ab, setze Prioritäten: ich behandle auch Menschen unterschiedlich, Familie und Freunde haben für mich mehr "Rechte" als andere, ich würde es nicht dulden, wenn Wildfremde ins Haus gingen, sich aufs Sofa setzten und den Fernseher anmachten. Diese Abstufung geht dann bei Tieren weiter: einem (nichtmenschlichen!) Säugetier das Leben zu nehmen ist schon eine andere Nummer als zB einer Zecke. Aber da ist die Abstufung noch längst nicht zu Ende: auch das Leben und Wohlergehen von anderen Lebewesen wie Pflanzen, Pilzen, selbst Bakterien, sind Werte, die man in meinen Augen nicht vollständig unter den Tisch fallen lassen darf. So ist das Leben eine ständige Abwägung. Anstrengend, aber wie ich finde besser als es sich einfach zu machen und zu sagen: "Einfach nur alles, was sich Tier nennt auf eine Stufe mit Menschen stellen, der Rest ist egal".
Was heißt das nun in der Praxis? Kurz angesprochen habe ich es bereits: wir leben auf einer Erde, die wir unseren Bedürfnissen angepasst haben, und damit nutzen wir manchen Tieren und schaden vielen. Seit wir Landwirtschaft betreiben ist das Gleichgewicht zwischen Fleisch- und Pflanzenfressern absolut verschoben, um so etwas wie "Natur" zu erhalten, aber auch um die Landwirtschaft weiter betreiben zu können, ist die Jagd eine Notwendigkeit geworden. Ich habe meinen Teil an der Verantwortung dafür, genauso wie jeder andere Mensch - auch Veganer, auch die konsumieren Erzeugnisse, die vom Acker kommen. Ich stelle mich dieser Verantwortung und bin Jäger. Bin ich deswegen ein schlechterer Mensch als einer, der davor die Augen verschließt, mich verdammt, nicht nur obwohl, sondern weil ich, überspitzt gesagt, für ihn die Drecksarbeit mache? Vor mir selbst kann ich es also absolut vertreten, Wildbret aus heimischer Jagd zu essen. Ich habe einen ökologischen Geflügelerzeuger im Ort. Erzeugnisse von Rindern, Schafen und Ziegen aus ökologischer Weidehaltung gibt es in der näheren Umgebung, ebenso Bioschwein. Das halte ich alles für vertretbar, und andere tierischen Nahrungsmittel versuche ich, so gut es geht, einzuschränken. Nicht immer gelingt mir das zu meiner vollsten Zufriedenheit, das muss ich mit mir selbst, und sonst niemandem, ausmachen.