Juden glauben an keine Hölle?

4 Antworten

HopfundMalz,

danke für deine Frage!

Zunächst möchte ich Stellung zu den Begriffen Ge-Henna und Scheol nehmen:

Ge-Henna:

Im Alten Testament unter Jes 66,24 finden wir folgendes Zitat:

Und sie werden hinausgehen und die Leichen der Männer sehen, die mir abtrünnig geworden sind. Denn ihr Wurm stirbt nicht und ihr Feuer erlischt nicht und sie werden ein Abscheu sein für alles Fleisch.

Beschrieben wird also quasi die Hölle: ein ewiges Feuer, mit Wurm könnte die Seele gemeint sein, die die Qualen ertragen muss. Ausgehen von der Hölle kann man durch das Markusevangelium 9,47 und 9,48:

47: Und wenn dir dein Auge Ärgernis gibt, dann reiß es aus; es ist besser für dich, einäugig in das Reich Gottes zu kommen, als mit zwei Augen in die Hölle geworfen zu werden, 48: wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt.

Eine klare Bezugnahme zu Jes66,24.

Im Neuen Testament lässt sich dieser Bezug unter Matthäus 10,28 herstellen:

Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet euch eher vor dem, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann!

und in Markus 9,44:

Wenn dir deine Hand Ärgernis gibt, dann hau sie ab; es ist besser für dich, verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Händen in die Hölle zu kommen, in das nie erlöschende Feuer.

Erneut wird klarer Bezug zu Ge-Henna genommen, weshalb die Hölle sehr wahrscheinlich ist. Viele Theologen gehen davon aus, dass Hades und Ge-Henna synonym verwendet wurden.

Scheol:

Scheol hingegen sehen wir Juden nicht als Hölle an, sondern als "Reich der Toten". Hierhin gelangen alle, egal ob Gläubig oder Ungläubig. Denn im Judentum wird jeder (unabhängig des Glaubens) ein glückliches Leben nach dem Tod führen, solange das Leben auf der Erde moralisch vertretbar war. Im Judentum existiert keine Hölle per se. Einige Theologen und Juden gehen davon aus (ich auch), dass nach dem Tod das Leben entweder streng oder paradiesisch ausfällt. Aber immer im Scheol - das kann (nach älteren Auffassungen) auch im Diesseits sein.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Jüdisch.
Reho797  22.04.2024, 18:30

Dieser Ort hat zweifelsohne eine grauenvolle Vergangenheit. Zu alttestamentlicher Zeit wurden hier bei kultischen Handlungen dem Ammoniter-Gott Moloch Kinder geopfert (2.Könige 23,10). Dies geschah auf dem sog. „Thophet“ (wörtlich „Feuerstätte“), einer Höhe, die eigens zu diesem Zweck dort errichtet wurde. Diese Praxis wurde von den Israeliten unter der Regentschaft Solomons im 10. Jh v.Chr. und des Königs Menasseh im 7. Jh. v.Chr. weitergeführt bis in die Zeit des babylonischen Exils (6.Jh. v.Chr.). Der Prophet Jeremia, der diesen unsäglichen Brauch scharf verurteilte, nannte dieses Tal „Schlucht der Umbringung“ (Jer. 7,31-3219,5-9), weil nach dem Gericht Gottes über Jerusalem kein anderer Platz mehr sein wird, die Toten zu begraben (Jer. 19,6-11). So kündigte Jesaja an: „…und sehen die Leichen der Menschen, die da übertraten gegen Mich [Jahwe] … und sie werden zum abstoßenden Anblick allem Fleisch“ (Jes. 66,24). Diese Prophezeiung hat sich mit der Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar II. 586 v.Chr. erfüllt.

Spätestens ab dem 8 Jh. v.Chr. diente das Tal als das wichtigste Begräbnisfeld Jerusalems, wie aus archäologischen Ausgrabungen hervorgeht (Jerusalemer Bibellexikon, S. 344). Außerdem wurden ständig Tierkadaver und Unrat verbrannt. Wo Feuer das Fleisch nicht vollständig vernichtete, dürften Würmer oder Maden dies übernommen haben. Was daher die Bibel über diesen Ort sagt, entspricht im Allgemeinen der traditionellen Auffassung, die in rabbinischen und anderen Schriften vertreten wird. Demnach diente das Hinnomtal als Müllgrube der Stadt Jerusalem. In J. B. Phillips’ „New Testament in Modern English“ wird das Wort Gehenna in Matthäus 5,30 mit „Schutthaufen“ wiedergegeben. Der Jude David Kimchi (ca. 1160 bis 1235) kommentierte: „In der Umgebung von Jerusalem existiert ein widerlicher Ort, in den man unreine Dinge und Leichname hinabwarf. Ebenso war dort ein ständiges Feuer, um die unreinen Dinge und die Knochen der Leichname zu verbrennen.“

In den sog. Evangelien wird von Jesus 11mal auf diesen unheimlichen Ort Bezug genommen. Jesus benutzt die in den Köpfen seiner Zuhörer vorhandenen Bilder von Feuer und Vernichtung, also das Bild des schändlichen Todes, um das Leben im Königreich als Alternative als noch erstrebenswerter darzustellen, das jedes denkbare Opfer lohnt (z.B. Mrk. 9,43-48). An diesem Königreich teilzunehmen, war Generationen von Juden ein großes Ziel – allein, es nicht erleben zu können, wäre eine große Strafe. Einmal noch wird Gehenna im NT erwähnt und zwar in Jak. 3,6 – dort wird besonders deutlich, dass es sich um eine Metapher handelt.

Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass der biblische Befund eindeutig ist:

1) Die Bibel beschreibt an keiner Stelle, dass in der Gehenna jemand gequält wird (schon gar nicht nach dem Tod); auch angekündigt wird das nie, weder von den Propheten noch von Jesus. Die Gehenna in der Bibel ist ein Freiluftkrematorium, nicht mehr und nicht weniger.

2) Angesprochen sind außerdem nur Angehörige des Volkes Israel in einem bestimmten Kontext, sowohl im AT als auch im NT. Daraus einen Ort der „ewigen Verdammnis“ ganz allgemein für Gott ferne Menschen zu machen, ist auch aus diesem Grund nicht gerechtfertigt.

Dass dieses Tal dennoch mit einer „Hölle“ in Verbindung gebracht wurde, liegt neben möglichem Wunschdenken an jüdischen Fabeln und Sagen: Beispielsweise soll es laut Talmund (ab 200 n.Chr. entstanden) in dem Tal Hinnom zwischen zwei Palmen ein Erdloch geben, aus dem Rauch aufsteige. Dies, so wird fabuliert, soll der Eingang zu einer Hölle sein (F. Rienecker, Lexikon zur Bibel, Stichwort Hinnom-Tal). Weiterhin machte man in den kultischen Büchern „4. Buch Esra“ und in den „Sibyllinischen Orakeln“ (beide um 100 n. Chr. entstanden) die Gehenna zu einem zukünftigen Strafort (siehe wikipedia). Jeder, der von einer Qualhölle redet und damit die Gehenna meint, sollte also wissen, dass er den Boden der Bibel verlässt und außer-biblische Geschichten verbreitet.

Um die Höllenvorstellung trotzdem zu rechtfertigen, wird gerne auf die Formulierung „Heulen und Zähneklappern“ (besser: Jammern und Zähneknirschen) verwiesen, die 7mal im NT auftaucht (wie in Mt. 8,12). Hier ist aber nicht von der Gehenna die Rede, sondern teils von Finsternis, die auf einem Feuerfriedhof nicht herrschen kann. Zudem wäre es eine verantwortungslose Verharmlosung von Zähneknirschen zu sprechen, würde Jesus hier vor den Qualen einer „Hölle“ warnen, die viele damit beschrieben sehen wollen. Richtig ist, dass Jesus mit verschiedenen Bildern vor der Alternative zum Leben im Königreich gewarnt hat. Diese Redeweise steht also für den Kummer und die Verzweiflung derer, die vom Königreich (im Bild: ein hell erleuchtetes Festbankett) ausgeschlossen werden (im Bild: Dunkelheit außerhalb), ausgeführt in einigen Gleichnissen (Mt. 22,1325,30). Zähneknirschen und Jammern symbolisieren dabei Selbstvorwürfe.

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IGoHard  23.04.2024, 14:17
"Die Leichen der Männer, die mir abtrünnig geworden sind. Denn ihr Wurm stirbt nicht und ihr Feuer erlischt nicht" (Jesaja 66,24)

"ihr Wurm stirbt nicht und ihr Feuer erlischt nicht" ist metaphorisch zu verstehen und bedeutet dass diese Abtrünnigen für immer tod sein werden, im Scheol bleiben.
Dass ihr (unterirdischer Leichen)wurm nicht stirbt bedeutet, dass sie für immer tote Leichen sein werden. Das nicht erlöschende Feuer bedeutet ewigen Zorn Gottes, der sie nicht lebendig machen wird.
Feuer ist nicht wörtlich als Hölle zu verstehen, denn Metaphern werden oft benutzt wie zum Beispiel hier:

"Denn ein Feuer lodert auf in meinem Zorn und brennt bis in die Tiefen der Unterwelt; und es verzehrt die Erde samt ihrem Ertrag und entzündet die Grundfesten der Berge. Unglück über Unglück will ich auf sie häufen, meine Pfeile will ich gegen sie verschiessen." (5. Mose 32, 21-23)

Im Tanach wird Hölle oder postmortale Bestrafung nicht eindeutig erwähnt.
Scheol ist der unterirdische Aufenthaltsort der Toten, wo sie begraben sind:

"in Scheol gibt es weder Tun noch Denken noch Erkenntnis noch Weisheit" (Prediger 9,10)
"sie sind in Scheol gesetzt wie Schafe, es weidet sie der Tod" (Psalm 49,15)

In folgenden Stellen kann Gott bestimmen, ob ein Toter tot bleibt oder lebendig wird:

"Gott wird mich auslösen aus der Gewalt der Totenwelt, ja, er nimmt mich auf" (Psalm 49,16)
"Jhwh macht tot und lebendig, er führt zur Totenwelt hinab und führt auch herauf" (1. Samuel 2,6)
"ausgestossen unter die Toten, Erschlagenen gleich, die im Grabe liegen, deren du nicht mehr gedenkst; von deiner Hand sind sie getrennt" (Psalm 88,6)

Die, deren Gott nicht mehr gedenkt, werden für immer in der Totenwelt sein, das heißt tot sein. Während einige aus der Totenwelt heraufgeführt werden, das heißt wieder lebendig werden, und von Gott aufgenommen.

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Was wäre, wenn unter dem Alten Bund (Alten Testament) andere "Spielregeln" für die Israeliten galten bzw. immernoch gelten?

Niemand, nicht ein Mensch, kann alle Gebote des Alten Bundes einhalten. Allein der Messias Jesus hat das getan und damit den Alten Bund "erfüllt".

Mit dem Wissen um den Neuen Bund und wie - verhältnismäßig - leicht die Gnade des Herrn zu erlangen ist, könnte sich auch die Zurechnung/Ahndung der Übertretungen in Gottes Maßstab geändert haben. Schließlich hat ER unsere Schuld auf sich genommen. Wer dieses Opfer zu Vergebung der Schuld - wissentlich - ablehnt und sich lieber an den extrem hohen Standards, die Jesus uns mitgeteilt hat, messen lassen "will", muss möglicherweise auch mit "verschärfter" Ahndung/Strafe rechnen.

Das ist Resultat meiner eigenen Überlegung. Es würde zumindest erklären, warum die Frage nach einer Hölle mit dem jüdischen Tanach (AT) nicht leicht beantwortet werden kann.

Die ZJ hingegen liegen falsch, argumentieren sich das gewünschte Ergebnis zurecht.

In Daniel 12,2 (also im jüdischen Tanach, gleich dem Alten Testsament der Bibel) steht aber schon recht deutlich:

  • " Und viele von denen, die im Staub der Erde schlafen, werden aufwachen; die einen zum ewigen Leben, die anderen zur ewigen Schmach und Schande."

Gehenna hat sehr wohl etwas mit der Hölle zu tun.

Es handelt sich um ein Toponym und bezeichnet im Alten Testament ursprünglich ein Tal bei Jerusalem, in dem dem Moloch durch Verbrennung Kinderopfer dargebracht worden sein sollen (vergleiche Ezechiel 16,20 LUT, 2. Buch der Könige 23,10 LUT), das eine Schlachtstätte und ein Leichenfeld gewesen sein soll (vergleiche Jeremia 7,31-33 LUT, Jeremia 19,1-9 LUT) und besonders in nachexilischer Zeit wohl eine Begräbnisstätte, vor allem eine für diejenigen, die aus bestimmten Gründen nicht an den regulären Begräbnisstätten bestattet wurden, womöglich auch eine Hinrichtungsstätte und ein Ort, an dem Äser verbrannt wurden (vergleiche Jesaja 66,24 LUT, Jeremia 31,40 LUT).[3] 
https://de.wiktionary.org/wiki/Gehenna#

Aeser bedeutet tote und verwesende Tierkörper.

Wenn man alle diese Zuschreibungen liest, dann kommt mir ein Ort entgegen, der so ziemlich alles behinhaltet, was ich mir unter Hölle vorstelle. Feuerbrünste, tote Körper, Töne von Trauer und Schmerz, Dunkelheit (es soll ja ein Tal gewesen sein)..

Die "Bibelforscher" - Zeugen Jehovas - haben einiges in der Bibel für ihre Sichtweise zurecht gebogen. Wie sie die Hinweise von Jesus auf die Hölle deuten, würde mich auch wundernehmen.