Ist ein Studium wirklich so schwierig?

6 Antworten

Ein Studium ist vor allem mal eine komplett andere Art zu lernen, als man es auf dem Gymnasium mittlerweile lernt und praktiziert. Viel selbstständiger und selbstorganisierter, weniger "Labern" und Einschleimen, für gute Klausurleistungen ist regelmäßig Wissen nötig, das der Dozent nicht explizit erwähnt hat. Zum Teil gibt es gar nicht so eindeutig richtig und falsch, sondern es kommt darauf an wie du deine Sicht der Dinge argumentativ untermauerst.

Wer sich voll auf die gymnasiale Oberstufe eingelassen hat, darauf dass mündliche Noten eine Rolle spielen und Lehrer ihre Lieblinge haben, dass eine Wiedergabe der Lehrermeinung im Zweifel mehr Punkte gibt als eine gründliche Faktenrecherche, darauf dass in Klausuren nur das gefragt wird, was im Unterricht besprochen wurde... der tut sich dann im Studium erstmal schwer.

Überhaupt spielen die Dozenten eine weitaus geringere Rolle fürs Lernen. Klar, sie sind im Studium jetzt nicht bösartig... aber so wie das in der Schule geht, dass sich der Lehrer hinsetzt "dies und das solltest du noch ein Bisschen besser lernen..." und "wenn du dies und das noch machst, bekommst du die gewünschte Note", das gibt es im Studium nicht. Du bist selbst dafür verantwortlich, wie du die Modulprüfung bestehst und wenn du sie nicht bestehst, zuckt der Dozent mit den Schultern und du kommst halt irgendwann nochmal.

Ein weiterer Faktor ist, dass man als einsamer Wolf, der sich zum Lernen daheim verkriecht, zwar im Abitur noch einen Vorteil haben mag, aber mit dieser Taktik im Studium eher Schiffbruch erleidet, weil man eben auch mal eine Information(-squelle) nicht mitbekommt, die andere mitbekommen haben.

Außerdem scheinen manche frühere Einserschüler wirklich darunter zu leiden, dass sie im Studium plötzlich auch mal eine Drei oder Vier schreiben. In manchen Modulen ist das aber eine verdammt gute Note und schon eine Zwei ist quasi nicht machbar. Das kann arg frustrierend sein, wenn einem früher die Einsen zugeflogen sind. Aber gerade wenn einem die Einsen bisher immer einfach zugeflogen sind, hat man eher wenig Frustrationstoleranz erlernt.

Wie gesagt: Es ist komplett anders. Deshalb werden die Karten, wer wie gute Noten schreibt, ziemlich neu gemischt und deshalb fühlt es sich auch komplett anders an.

Gerade im MINT-Bereich werden auch gerne in den ersten beiden Semestern Module so geplant, dass sie eine vergleichsweise hohe Durchfallquote haben. Einmal als verkapptes Auswahlverfahren, damit sich die Studenten überlegen ob sie das wirklich wollen. Und einmal, weil Laborkapazitäten begrenzt sind, man aber mehr Studenten zugelassen hat als die Labore aufnehmen können.

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Du solltest aber auch bedenken, dass diejenigen, die positive Erfahrungen machen oder gut zurecht gekommen sind, normalerweise keinen Grund haben sich irgendwie im Internet auszuschreiben. Sondern im Internet siehst du wirklich nur die Meinungen derer, die unzufrieden sind.

InfoShit 
Fragesteller
 25.09.2022, 16:45

Vielen Dank für diese ausführliche Antwort! Eine Sache hast du erwähnt, die ich auch so schon öfters gehört habe und einfach nicht verstehe: Es gibt Lernstoff, der gar nicht vom Professor erwähnt wird. Aber wie bereitet man sich denn dann auf die Klausuren vor? Irgendwo muss man ja die Information bekommen, dass dieser Stoff dran kommt, oder etwa nicht?

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RedPanther  25.09.2022, 16:55
@InfoShit

Manchmal ist das einfach Vorwissen... vom Dozenten eher so gedacht, dass sich da auch ein vollkommen unwissender Student noch ein paar Punkte einsammeln kann, aber blöd für den Studenten, der in den letzten Semestern nur für die Klausuren gelernt und anschließend alles wieder vergessen hat.

Es gibt auch Dinge, die einfach zum Thema dazugehören und über die man zwangsweise stolpert, wenn man anfängt darüber zu recherchieren.

Beim Rest gibt es oft Hinweise. Solche Nebensätze in der Vorlesung wie "das wendet die Industrie im Bereich XYZ an, das ist hochinteressant, schauen Sie sich das mal an" können dann zu einer Klausuraufgabe führen wie "Beschreiben Sie ein Beispiel, in dem dieses Prinzip kommerziell angewandt wird".

Teilweise läuft auch Mundpropaganda, z.B. dass der Dozent früher mal bei Continental in der Gummientwicklung tätig war und es deshalb gern hat, wenn Studenten in der Klausur auf Beispiele aus der Reifenproduktion zurückgreifen. Das ist ein Beispiel dafür, dass man als "einsamer Wolf" nicht alles mitbekommt... sowas wird nicht ans Schwarze Brett gehängt, sondern allerfrühestens in der Mensa und eher beim abendlichen Abhängen erwähnt.

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Coriolanus  25.09.2022, 17:19
@InfoShit

"Wissenschaftlich arbeiten" bedeutet auch, sich die gängige Literatur zu einem Themenbereich zu besorgen und sich damit auseinanderzusetzen. Oft bekommst Du eine Literaturliste oder kannst die Fachschaft fragen, was für Lehrbücher usw. man sich besorgen sollte. Ganz wichtig ist auch,das "Einzelkämpferdasein" aufzugeben. Such´dir 2 - 3 andere Mitstudierende und bilde eine Arbeitsgruppe, die sich einmal pro Woche für vielleicht 1,5 Stunden trifft und wo man dann gemeinsam Fachprobleme bespricht bzw. sich auf Prüfungen vorbereitet,

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Ich würde mal sagen, dann haben diese Personen den falschen Studiengang gewählt. Studium ist etwas anderes als Schule und zu einem Teil werden die Karten neu gemischt. Gut, wer vorher schon selbstdiszipliniert und strebsam war, kann natürlich weiterhin davon profitieren... Aber es kommt in zunehmenden Maße nicht mehr auf das reine Wissen an, sondern auf das Verstehen... und vor allem auf das Anwenden können. Das ist etwas, was in der Schule nur bedingt vermittelt wurde. Außerdem wird das Tempo der Wissensvermittlung viel schneller und in manchen Fächern - vor allem am Anfang - gilt halt einfach "4 gewinnt". Also dass man froh sein kann, bestanden zu haben - bei uns waren in den ersten Semestern die Durchfallquoten in den Haupfächern >50%.

Mich hat das Studium immer fasziniert - klar, es gab auch Fächer, die mir nicht gefallen haben, aber ich hatte immer auch Kurse, die mich motiviert haben... auch wenn ich nicht die besten Noten bekommen habe. Auf der anderen Seite habe ich als Tutor Student*Innen kennen gelernt, die zweifellos strebsam waren und vermutlich auch die Prüfungen sehr gut bestanden hatten, aber denen die wirklichen (fächerübergreifenden) Zusammenhänge nicht klar waren... - ein Aspekt, der in schriftlichen Prüfungen kaum eine Rolle spielt.

Schwer ist ein relativ. Ich habe mal einen Matheprofessor getroffen, der über sich gesagt hat, dass er sehr faul (beim lernen) sei. Aber für Mathe scheint er so eine Begabung zu besitzen, dass er das Studium als einfach empfand.

Ich finde es gut, dass in vielen MINT-Fächern keine Zulassungsbeschränkung existiert, sondern erst mal alle anfangen können... und dann eben ausgesiebt wird. So haben halt alle eine Chance... und Noten sind nicht alles. ;)

1,0 Abi sagt nur, dass man in der Schule sehr gut war.
Wie gut man im Studium sein wird, darüber sagen die Schulnoten nicht viel aus.

Studieren ist ganz anders als Schule.
In jedem Fall ist es viel schwieriger, anspruchsvoller und arbeitsintensiver als Schule.

► In Deutschland bricht im Schnitt jeder 3. Student sein Studium ab.

► In den zukunftssicheren MINT-Studienfächern schafft sogar mehr als die Hälfte der Studenten das Studium nicht. Hauptursache für das Scheitern sind die Mathe-Anforderungen in diesen Studiengängen.

Dir viel Erfolg!

Ein Studium ist mit ein bisschen Schule kaum zu vergleichen. Menge und Komplexität der Inhalte sind weit höher. Wer Inhalte, etwa wegen fehlender Planung, nicht rechtzeitig organisiert und damit strukturiert lernt, kann leicht scheitern.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Postdoc / Wissenschaftlicher Mitarbeiter

,mache scheitern daran, dass sie sich nicht organisieren können. Das lernt man in der Schule nur selten. Gerade die Fleißigen, die das 1er Abi nicht durch Talent, sondern durch harte Arbeit erworben haben, scheitern dann recht schnell