Gibt es bald auch keinen Akkusativ mehr?
Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. Das ist das erste von vier Büchern des Autors Bastian Sick, welche alle auf einer Sammlung aus den Zwiebelfisch Kolumnen basieren. Mittlerweile scheint auch der Akkusativ mehr und mehr dem Tode geweiht. Selbst angehende Abiturienten schreiben beispielsweise: "Gestern habe ich mein Freund zufällig im Kino getroffen." Das gilt gleichermaßen für den Dativ, der ebenfalls häufig durch den Nominativ ersetzt wird. Ist das der normale Wandel der Sprache oder eine zunehmende Verwahrlosung?
9 Antworten
Ein Schüler, der korrekt sprechen kann, würde niemals aus Jux und Dollerei "von einen Freund" sprechen oder davon, dass er "ein Freund hat" und gerade "von ihn" kommt. Er würde auch nicht sagen oder schreiben, dass "er nen Haus hat", sondern: „Meine Eltern (bzw. wir) haben ein Haus."
Es ist bedauerlich, dass dieses fehlerhafte Sprechen und Schreiben unter Muttersprachlern immer schlimmer wird und inzwischen selbst bei Gymnasiasten und Uni-Studenten keine Seltenheit ist. Es geht aber noch weiter: Auch die Allgemeinbildung ist anscheinend zurückgegangen, Wissenslücken an allen Ecken und Enden. Auf eine diesbezügliche Frage sagte mir kürzlich ein pensionierter Gymnasiallehrer in etwa Folgendes: "Die Klassenarbeiten, die ich zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn habe schreiben lassen können, würden den Durchschnittsgymnasiasten von heute überfordern. Wir Lehrer mussten unsere Anforderungen an ein kontinuierlich sinkendes Niveau anpassen und für schlechtere Leistungen immer bessere Noten geben."
Das passt zusammen mit den Klagen nicht weniger Lehrender an den Hochschulen, dass eine beträchtliche Zahl von Studenten zu wissenschaftlichem Arbeiten nicht in der Lage, sprich eigentlich gar nicht studierfähig, sei.
Gut, dass ich kein Lehrer sein muss(te). Da braucht man wirklich ein dickes Fell. Wie frustrierend muss das oft sein, vor allem, wenn man sich gut vorbereitet hat.
Deine Beobachtung ist dem syllabischen /n/ in der zweiten Silbe von einen geschuldet. Ich denke nicht, dass der Akkusativ auf absehbare Zeit verschwinden wird.
"Syllabisch" musste ich nun doch googeln. Mir geht es um den Ausdruck in der geschriebenen Sprache.
Normaler Wandel der Sprache. Wieso kompliziert wenn es einfach geht? Der Mensch ist simpel gestrickt
"Gestern habe ich mein Freund zufällig im Kino getroffen."
Wenn ich sowas lese, könnte ich echt vor Wut in die Couch beißen (nicht in den Coach!). Leider bekommt man hier sowas täglich zu lesen...
Es ist schlimm!
Bei mir ist es keine Wut, nein, ich bin traurig über die Verwahrlosung der Sprache.
Genau, Wut ist es nicht, eher eine Art der Besorgnis,
"Gestern habe ich mein Freund zufällig im Kino getroffen."
Dieses spezielle Silbenverschlucken halte ich nicht für einen Wandel der Grammatik, sondern der Aussprache. Ist auch nichts allzu Neues. Aber natürlich schlägt das mittlerweile auch ins geschriebene Deutsch durch, wie man auf GF täglich beobachten kann.
Ich habe eine sehr krude Hypothese dazu: das ist eine Folge der in Deutschland sehr verbreiteten Dialektphobie. Gebildete Dialektsprecher können ganz selbstverständlich zwischen Standard und Dialekt wechseln ("code switching") oder sogar kontinuierlich verschieben ("code shifting"). Die wissen, wann sie was verwenden: einmal mehr, einmal weniger Dialekt. Das eine schreibt man, das andere spricht man (oder schreibt es nur in sehr, sehr informellem Zusammenhang). Sie haben verschiedene Werkzeuge für verschiedene Situationen.
Aber was macht man, wenn man doch fest überzeugt ist, "kein Dialekt" (sic!) zu sprechen? Da gibt es kein Switching, da hat man eben nur ein Register. Und so mischt sich da drin alles zu einer seltsamen Pampe und schwappt sogar in die geschriebene Sprache. Wohin soll man denn umschalten, wenn doch angeblich alles "Hochdeutsch" ist?
Das ist also m.E. durchaus mangelnde Sprachkompetenz.
In den Lehrplänen verschwindet die Sachkompetenz zugunsten der Kommunikationskompetenz. Hauptsache labern egal was und wie.