Freiberuflich oder Kleingewerbe?
Hallo, ich möchte nach meiner Elternzeit bald wieder etwas arbeiten. Einen Auftraggeber habe ich bereits und muss nun entscheiden, ob ich ein Kleingewerbe anmelde oder es freiberuflich mache. Ich werde als Testleiterin für ein Bildungsunternehmen Studien durchführen (PISA u.ä.). Nicht in eigenen Betriebsräumen, sondern jedes Mal in einer anderen Schule. Zudem möchte ich nicht mehr als 470 Euro monatlich verdienen, damit ich weiterhin familienversichert bleiben kann. Ist es sinnvoller dies als Gewerbe anzumelden oder eher freiberuflich zu arbeiten? Besteht die Gefahr der Scheinselbstständigkeit? Und wie schnell muss ich weitere Auftraggeber dazu bekommen, um nicht scheinselbstständig zu sein?
Ich würde mich über Tipps sehr freuen.
Danke!
7 Antworten
Also ein "Kleingewerbe" gibt es so in D gar nicht - es gibt eine Kleinunternehmer-Regelung: Gewerbetreibende und feiberuflich Tätige sind Unternehmer - auch mit einer noch so kleinen und ggf. nebenberuflichen Selbstständigkeit.
Die oft benutzten Begriffe "Kleingewerbe" oder "Nebengewerbe" gibt es in der Realität der Gesetze und Verordnungen gar nicht. Beide sind Unternehmer.
Auch der Begriff "Mehrwertsteuer" entstammt mehr der Umgangssprache als entsprechenden Gesetzen. In dieser Seite wird daher überwiegend der Begriff "Umsatzsteuer" benutzt.
Für Gewerbetreibende und feiberuflich Tätige gibt es aber hinsichtlich der Umsatzsteuer zwei Verfahren:
- Regelbsteuerung
Der Unternehmer weist in seinen Rechnungen Mehrwertsteuer/Umsatzsteuer aus und führt sie ans Finanzamt ab. Umsatzsteuer, die er selbst für Lieferungen oder Dienstleistungen zu seinem Unternehmen gezahlt hat, bekommt er vom Finanzamt erstattet.
- Kleinunternehmer-Regelung gemäß § 19 UStG
Der Unternehmer weist in seinen Rechnungen keine Mehrwertsteuer/Umsatzsteuer aus. Er kann dafür aber auch keine Umsatzsteuer vom Finanzamt erstattet bekommen.
Bei Umsätzen unter 22.000 € pro Jahr (bis 2019:17.500 € pro Jahr) (oft am Anfang der selbstständigen unternehmerischen Tätigkeit) kann man zwischen diesen Besteuerungsarten wählen. Argumente für oder gegen die beiden Besteuerungsarten finden Sie in meiner Seite Gewerbe-FAQ.
https://www.gutefrage.net/frage/freiberuflich-oder-kleingewerbe-2#comment-323470662
https://www.klicktipps.de/gewerbe-freiberuf.php
Betreffs kostenlose Familienversicherung mußt du nicht nur auf die Einkommensgrenze achten, sondern auch auf die Gewerbeanmeldung als Nebenerwerb. Selbstständige können nicht in der kostenlosen Familienversicherung krankenversichert werden :-((
Welche Einkommensgrenzen gelten für die Familienversicherung?- Das monatliche Gesamteinkommen des Familienmitglieds darf 470 Euro (hier: 2021) nicht übersteigen. Bitte beachten Sie: Mit einem regelmäßigen Arbeitsentgelt über 450 Euro sind Sie versicherungspflichtig. Sie dürfen dann nicht mehr in der beitragsfreien Familienversicherung mitversichert sein.
- Bei einem Minijob liegt die Grenze bei 450 Euro.
- Die genannten Einkommensgrenzen gelten auch für Kinder und Studenten sowie für Rentner. Der Teil der Rente, der für Zeiten der Kindererziehung gezahlt wird, bleibt bei der Berechnung unberücksichtigt.
- Eine kurzfristige Beschäftigung steht einer Familienversicherung nicht entgegen. Sie ist auf maximal drei Monate befristet beziehungsweise auf maximal 70 Arbeitstage innerhalb eines Kalenderjahres begrenzt.
- Für hauptberuflich Selbstständige und Auszubildende mit Ausbildungsvergütung ist keine Familienversicherung möglich.
https://www.aok.de/pk/uni/inhalt/familienversicherung/
Gruß siola55
Es gibt keine Wahlmöglichkeit. Freiberufler sind die Angehörigen der freien Berufe wie Ärzte oder Rechtsanwälte. Du wirst ein Gewerbe anmelden müssen. Ein 'Kleingewerbe' gibt es übrigens nicht.
Zitat aus der Frage:
Ich werde als Testleiterin für ein Bildungsunternehmen Studien durchführen
Hört sich für mich nicht nach Lehrtätigkeit, könnte aber als wissenschaftliche Tätigkeit angesehen werden, was auf's Selbe heraus kommt.
Die Abgrenzung zwischen 'freiem Beruf' und 'Gewerbe' ist oft etwas kompliziert.
Und wie schnell muss ich weitere Auftraggeber dazu bekommen, um nicht scheinselbstständig zu sein?
Das ist nicht so einfach zu beantworten. Theoretisch kannst Du auch für einen AG tätig sein. Musst dann halt schauen, dass Du ein paar Kriterien erfüllst, damit die RV Dir nicht an den Karren fahren kann. Scheint mir hier aber schwierig. Ohne genau zu wissen, was Du da machst, denke ich, dass Du zum einen weisungsgebunden bist, zum anderen in deren Betriebsräumen arbeitest.
Ach ja: Selbstständig und familienversichert geht mM gar nicht. Da bitte unbedingt vorher erkundigen.
Danke für die Antwort. Also ich werde als Testleiterin Bildungsstudien durchführen (PISA u.ä.). Nicht in eigenen Betriebsräumen, sondern jedes Mal in einer anderen Schule. Macht es das dann leichter im Hinblick auf Scheinselbstständigkeit?
Nein, nicht wirklich. Du bist weisungsgebunden, denke ich mal. Das macht es schwierig.
sondern du hast erstmal nur ein Auftraggeber und selbst keine Angestellten
Das sind die am wenigsten relevanten Aspekte.
Und was bitte sind dann nach deiner Meinung die am meisten relevanten Aspekte???
- ist nicht weisungsgebunden, sprich der Auftraggeber schreibt nicht vor, wie und wann welche Arbeit zu erledigen ist, keine Nachweispflichten
- ist nicht in die Organisationsstruktur eingebunden, muss sich an keine Dienstpläne oder feste Zeiten halten
- hat keinen festen Arbeitsplatz im Betrieb
- trägt eigenes unternehmerisches Risiko
- Nutzt eigene Betriebsmitteln und Infrastruktur
- tritt unternehmerisch auf, z.B. Werbung
- erhält keine festen monatlichen Bezüge
Und hier die Kriterien der IHK:
Die Kriterien der Scheinselbstständigkeit
Der Auftragnehmer beschäftigt außer Familienangehörigen keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer
• die Person beschäftigt im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig im Monat 450 EUR übersteigt
• sie ist auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig,
• ihr Auftraggeber oder ein vergleichbarer Auftraggeber lässt entsprechende Tätigkeiten regelmäßig durch von ihm beschäftigte Arbeitnehmer verrichten,
• ihre Tätigkeit lässt typische Merkmale unternehmerischen Handelns nicht erkennen,
• ihre Tätigkeit entspricht dem äußeren Erscheinungsbild nach der Tätigkeit, die sie für denselben Auftraggeber zuvor aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hatte.
Also u.a. genau meine Aufzählung...
Wenn`s Dir guttut.
Allerdings entscheidet nicht die IHK darüber, ob es eine Scheinselbstständigkeit ist oder nicht.
Für max. 3 Monate könntest du doch auch eine kurzfristige Beschäftigung ausüben, vorausgesetzt die Tätigkeit ist nicht berufsmäßig ausgeübt:
wie z.B.: Ein kurzfristiger Minijobber hat generell keine Verdienstbeschränkung. Nur, wenn er über 450 Euro monatlich verdient, müssen Sie als sein Arbeitgeber prüfen, ob er berufsmäßig arbeitet. Denn: Wer berufsmäßig arbeitet, darf nicht kurzfristig beschäftigt werden und hat damit keinen Minijob.
Wichtig zu wissen
Berufsmäßigkeit heißt: Die Beschäftigung ist für Ihre Aushilfe nicht von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung, sondern sie sichert damit ihren Lebensunterhalt. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Aushilfe als erwerbstätige Person gilt.
Bei einer unterrichtenden Tätigkeit kommt ein Freier Beruf in Frage.
Bei geringem Einkommen sind die Unterschiede zwischen Freier Beruf und Gewerbe nur ganz gering. Im wesentlichen der IHK Beitrag.
Bist du nur für einen Auftraggeber tätig handelst du scheinselbständig.
Ja danke, das ist mir bewusst. Aber gibt es so etwas wie eine Startphase, in der ich mir weitere Auftraggeber suchen kann? Oder muss ich direkt bei Aufnahme einer Tätigkeit mehrere Auftraggeber haben?
Hm, Lehrtätigkeit könnte schon freiberuflich sein.