Boltzmann-Gehrin?

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Ja 50%
Nein 50%

3 Antworten

Nein

Die Idee eines Boltzmanngehirns geht nicht auf Ludwig Boltzmann, sondern auf Roger Penrose zurück.

Die Berechnungen von Roger Penrose nehmen als Grundlage die Hypothese, dass das Universum gar nicht real existiert, sondern nur die Illusion eines sogenannten Boltzmann-Gehirnes seien. Ein Boltzmann-Gehirn ist ebenfalls nicht evolutionär und real entstanden, sondern es entsteht dadurch, dass durch zufällige Quantenfluktuationen Teilchenkombinationen entstehen, die gerade komplex genug sind, um für einen Moment ein Bewusstsein zu entwickeln und darauf gleich wieder in die unendlichen Tiefen des Alls zu zerstrahlen. Im einfachsten Fall sind alle Sinneseindrücke und „Beobachtungen“ dieses Gehirns Einbildung bzw. falsche Erinnerungen. Roger Penrose hat nun die Wahrscheinlichkeit abgeschätzt, dass unser Universum genau so beschaffen ist, wie wir es als Boltzmann-Gehirne gerade sehen. Diese Wahrscheinlichkeit beträgt 1 zu 10 hoch 10 hoch 123.

Ein solches Boltzmann-Gehirn (mit dem Ludwig Boltzmann selber übrigens gar nichts zu tun hat. Man hat da lediglich sozusagen seinen Namen missbraucht) ist noch nicht einmal an einen realen Körper gebunden, sondern kann unabhängig von Materie und Energie im Universum entstehen. Es geht ausschließlich um die Wahrscheinlichkeit der Entstehung eines Boltzmann-Gehirnes, welches die Illusion des heutigen Universums entwickeln kann.

Abgesehen von obigen Ausführungen gilt unter fast allen seriösen Wissenschaftlern, die sich mit Leben, Geist, Bewusstsein oder Evolution beschäftigen, die Hypothese eines Boltzmann-Gehirnes als Ergebnis von Quantenfluktuationen als dermaßen absurd, dass diese Idee in den Wissenschaft praktisch keine Rolle spielen.

Demgegenüber hat sich in den „Lebenswissenschaften“ auf breiter Front die Theorie Dissipativer Strukturen durchgesetzt, nach der die Entwicklung von Leben und Bewusstsein kein höchst unwahrscheinlicher Zufall auf Quantenebene ist, sondern ein reales thermodynamisches Phänomen der Selbstorganisation. Diese Ausgangsbasis behauptet letztlich das Gegenteil von Penrose, nämlich dass Leben und Bewusstsein nicht höchst unwahrscheinlich seien, sondern im Rahmen von Naturgesetzlichkeiten fast zwangsläufig entstehen muss, sofern bestimmte Randbedingungen dafür gegeben sind.

Die oben angedeutet philosophische Auseinandersetzung über die Entstehung von Universum, Leben und Bewusstsein lässt sich ontologisch (ontologisch = rein auf Logik beruhend) nicht entscheiden. Eine Entscheidung, welche Strömung recht hat, lässt sich nur durch eine konkrete Beobachtung entscheiden. Eine solche entscheidende Beobachtung wäre die Entdeckung exraterrestrischen Lebens. Sollte diese gelingen, könnte man sowohl die Idee eines Schöpfergottes als auch der eines Boltzmann-Gehirnes als eine von vielen Irrungen des menschlichen Geistes in die Tonne treten.

Andy7754  01.01.2021, 15:29

Gehe ich recht in der Annahme, dass ein solches Boltzmanngehirn ein Gegenstück zu unsererm Denken ist oder wäre? Kann man das so sehen? Im Vergleich: wie sich die Dinge auch in der Natur sozusagen einpendeln, Beispiel: gibt es derzeit sehr viele Mäuse so gibt es später mehr Jäger, die diese Mäuse fressen, es gibt dann auch wieder mehr Jäger, aber die Mäuse sind nun nicht mehr in der bisherigen Anzahl da. Das System fängt somit an sich wider zu "stabilisieren" in dem sich die Mäuse und die Jäger dann wieder auf einen bestimmten "Normalwert" einstellen (die Population). Möglicherweise gibt es so etwas auch als Gegenstück in der Natur, wären wir Menschen zB. superintelligent so könnten wir Realität, Zeit und vieles andere beeinflussen, folge: die uns ("bekannte") Realität würde so nicht mehr existieren. Vielleicht ein Schutzmechanismus damit wir uns nicht selber und die "Realität" (durch Wissen und Technologie) zerstören oder beschädigen könn(t)en.

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Hamburger02  01.01.2021, 15:39
@Andy7754
Gehe ich recht in der Annahme, dass ein solches Boltzmanngehirn ein Gegenstück zu unsererm Denken ist oder wäre?

Nicht unbedingt. Je nach Betrachtungsweise aber vielleicht doch. Das wäre eine alternative Erklärung, wie Bewusstsein entstehen könnte auf einer rein statistischen Grundlage von Quantenereignissen (wegen der statistischen Herleitung wird das wohl Boltzmanngehirn genannt.)

Dein Beispiel mit den Mäusen würde ich eher auf das reale Gehirn beziehen. Das arbeitet auch ständig an der Grenze zum Chaos in einem Zustand ständiger Instabilitäten aus denen es aber dennoch ständig auch wieder ein gewisses Maß an stabiler Ordnung erzeugt (deterministisches Chaos), woraus dann Bewusstein und Kreativität entsteht.

Deine anderen Bemerkungen betreffs superintelligenter Realität finde ich interessant, kann sie aber so spontan nicht ganz nachvollziehen und einordnen.

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Andy7754  01.01.2021, 16:15
@Hamburger02

Danke! Die Wissenschaft hat schon sehr viel erreicht und wir Menschen haben viele Dinge erschaffen, die man sich vor 200 Jahren nicht mal im Traum! hätte vorstellen können. Aber bei vielen anderen Dingen, wo wir heute wissen, das da mehr ist (zB dunkle Materie) (nur 1! Beispiel) haben wir kaum einen Ansatz herauszufinden, was es ist. Ok es gibt da Hürden, Klar! Aber: Auch die Schwierigkeiten, herauszufinden, wie unser Gehirn funktioniert, (wo, wie) werden Daten Bilder etc. abgespeichert. Finde ich schon auch schon komisch. Ich hab da ein bisl das Gefühl man will das nicht wissen. Oder: Die Antwort ist zu deprimierend (was ich für wahrscheinlicher halten würde, im Bezug auf die so tolle Funktion unseres Hirns) Lach :-))   Nein aber: es wäre ja auch so eine Art Baustein (fast schon) um die Realität zu beeinflussen. Sicher weniger im Bezug auf Zeit und Raum, aber sicherlich um unser Leben grundlegend zu verändern (wenn man das dann noch so bezeichnen dürfte). Im Bezug auf eine Art verstehen der Funktionsweise und oder der Digitalisierung des Gehirns. Ich glaube nicht (unbedingt), dass es eine Superintelligenz (wobei man dann wieder diese definieren müsste) gibt, aber dass es Türen gibt, deren Zugang (Schlüssel) wir nicht besitzen (dürfen??).  Oder anderes: deren Schlüssen wir nicht einmal erkennen könnten. Für diesen/solchen Funktionsraum könnte man auch das Boltzman - Gehirn einsetzten? :-)) ist vielleicht etwas zu weit her geholt?

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Hamburger02  01.01.2021, 22:42
@Andy7754

Du sprichst da ein durchaus philosphisches Probllem an. Was kann und was darf Wissenschaft? Es ist unbestritten, dass wir jetzt schon mit unseren Gehirnleistungen die gesamte Erde umgestalten und man kann zurecht fragen, wie wird das bei weiterem wissenschaftlichen Fortschritt aussehen?

Eine schöne Allegorie auf unseren Wissensdurst findet sich in diesem Lied:

https://www.youtube.com/watch?v=YAsX52loeMI

Die angeblich dunkle Materie ist ein sehr interessantes Thema, denn zunächst ist sie ja nur eine Schlussfolgerung aus den mathematischen Gleichungen und es gibt diverse Hinweise, dass sie womöglich doch nicht existiert und es andere Erklärungen für die Bewegung der Sterne in den Galxien gibt. Eine mögliche Erklärung wäre, dass die Gravitation gar keine Grundkraft ist, sondern eine emergente Erscheinung von Energie, die im sehr großen Maßstab eben nicht den Gesetzen Newtons oder Einsteins folgt. Außerdem hat man erst neulich Materie entdeckt, von deren Existenz man bis vor dato nicht einmal etwas ahnte:

https://www.wissenschaft.de/astronomie-physik/intergalaktisches-gespinst-entdeckt/

Was das Gehirn betrifft, wird aber schon intensiv nach dessen Funktionen geforscht. Die Theorie dissipativer Strukturen hat diesem Forschungsbereich ganz neue Impulse gegeben.

Es gibt sicherlich auch Schlüssel, die wir aus prinzipielllen Gründen niemals finden können. Das lässt sich auf den Unvollständigkeitssatz von Kurt Gödel zurückführen, der uns unüberwindbare Grenzen der Erkenntnisfähigkeit aufzeigt.

Mit einem Boltzmanngehirn hat das alles allerdings nichts zu tun. Sobald dieses Gehirn durch zufällige Quantenfluktiationen irgendwo entstehen sollte, was aber höchst unwahrscheinlich ist, ist es mit der nächsten Quantenfluktuation ja schon wieder zerfallen.

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Andy7754  01.01.2021, 23:03
@Hamburger02

Verstehe. Nun ja, "zufällige" Quantenfluktuationen ist/wäre doch letztlich auch eine Bezeichnung für, "wir wissen nicht so ganz genau" was da grad abläuft:-)) oder? wobei ich jetzt wirklich nicht an Hexerei oder so was glaube..

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Hamburger02  01.01.2021, 23:20
@Andy7754
oder?

Die Fragestellung von Penrose lautete: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Quantenfluktiationen zufälligerweise so kombinieren, dass dabei eine bewusstseinserzeugende Struktur entsteht. Diese Struktur hat er dann Boltzmann-Gehirn genannnt. Das ist nicht mehr als eine mathematische Spielerei mit zweifelhafter Herleitung und frei von Erkenntnisgewinn oder praktschem Nutzen.

Genausogut könnte man die Frage stellen: Wenn man 10 Affen eine Maschinenpistole in die Hand drückt und sie auf eine weiße Wand schießen lässt, wie groß ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass die Einschusslöcher einen sinnvollen Satz ergeben? Das ließe sich mit denselben Methoden ebenfalls mathematisch berechnen, aber wozu?

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Andy7754  01.01.2021, 23:28
@Hamburger02

Also im Rahmen der Gesamtheit der Zeit könnte es ja dann doch schon vorgekommen sein (müssen) :-))) (das Gehirn) Frage wäre dann die Auswirkung oder der Nutzen. Sicher zweifelhaft und wohl ehr nicht vorhanden. ABER ich denke das muss man als Metapher sehen. Man könnte es auch für die Erscheinung "Gott" oder so etwas "fehlinterpretieren".

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Hamburger02  01.01.2021, 23:33
@Andy7754
Sicher zweifelhaft und wohl ehr nicht vorhanden.

Das auf jeden Fall, denn eine solche Struktur, die für den Bruchteil von Milisekunden mal eben sich selber bewusst werden kann und dann gleich wieder verschwindet, dürfte kaum eine Wirkung haben.

Als Gott kann man alles interpretieren, was man nicht versteht. Das war in der Antike Gang und Gäbe und hat sich bis heute in breiten Bevölkerungsschichten so tradiert. Ungewissheit und Nichtwissen ist für viele halt schwer zu ertragen und da kommen Scheinlösungen gerade recht.

Nur nebenbei: wusstest du, dass Thales von Milet nicht nur den Thaleskreis erfunden hat, sondern der erste antike Philosoph war, der gefordert hat, Vorgänge in der Natur und dem Kosmos nicht mehr mit Göttern zu erklären, sondern dafür natürliche Ursachen suchen und finden müsse?

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Andy7754  02.01.2021, 00:01
@Hamburger02

Hamburger02: "Vorgänge in der Natur und dem Kosmos nicht mehr mit Göttern zu erklären, sondern dafür natürliche Ursachen suchen und finden müsse?"

Ja ich glaube die haben wohl die "Quantenwelt" noch nicht gekannt :-)))

Und dabei: für die "Quantenwelt" spielt ja Zeit und Raum eine nicht so besondere Rolle (sagen wir mal "relativ" ist Zeit zu Raum und umgekehrt), von daher können dann Ereignisse die sich mit unseren Maschinen kaum messen lassen würden, für die Quantenwelt aber eine "Ewigkeit" sein.

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Wenn man im Nachhinein über das Geträume nachdenkt, erscheint der Trauminahlt mitunter ziemlich konfus, zufällig und verzerrt. Die Geschichten, die sich während dem Träumen manchmal abspielen, ergeben eigentlich keinen Sinn. Und dennoch hat man während des Träumens das Gefühl, dass alles normal ist. Man weiß, warum bestimmte Dinge passieren, ohne das es erklärt werden müsste. So, als wüsste man, was passiert ist, bevor das, was man vom Traum tatsächlich mitbekommt, angefangen hat.

Insofern bestünde eine gewisse Ähnlichkeit zum Boltzmann-Gehirn, welches, samt Erinnerungen, erscheint und zu wissen meint, dass es schon immer bzw. schon länger da war. Meinst du das so in etwa?

Wenn ich das richtig verstehe, geht das Boltzmann-Gehirn aus einer Fluktuation hervor, in der die Erinnerungen und Informationen, die das Hirn zu haben meint, eigentlich nicht enthalten sind.

Das Traumgeschehen dagegen ergibt sich aus den bewussten und unbewussten Erfahrungen, Gefühlen und Wahrnehmungen, die man vor allem im wachen Zustand anreichert. Die Informationen, die im Traum konfus, zufällig und verzerrt verarbeitet werden, haben einen mehr oder weniger nachvollziehbaren Ursprung außerhalb des Traums.

Woher ich das weiß:Hobby – Interessierter Laie ✅ Kein Fachmann, kein Arzt ❌