Wieso denken manche Leute "wahre Ägypter" seien schwarz?


29.12.2024, 18:31

An die die das wirklich glauben:

1. Falls ihr euch auf die Bezeichnung "Khemet" bezieht, es meint die schwarze Erde.

2. Schaut euch an, wie die alten Ägypter sich im Gegensatz zu Schwarzen dargestellt haben.

3. Schaut euch an, wie sie ihre Gesichtszüge dargestellt haben. Sieht nicht schwarz aus....

4. Die ägyptischen Kopten sind ziemlich direkt mit den alten Ägyptern verwandt. Sie sehen aus wie der Rest Ägyptens.

6 Antworten

Die Behauptung, die alten Ägypter wären schwarz gewesen ist natürlich absurd. Man braucht nur die abertausende von erhaltenen Malereien anschauen, und die dann mit heutigen Dorfbewohnern vergleichen .

Aber es hat wohl politische Gründe. Wer aus einem Volk stammt, das keine beindruckende Geschichte vorweisen kann, der versucht die Geschichte zu fälschen. Sich halt mit "fremden Federn zu schmücken" wie man sagt.

Wer sich mit Ägypten auskennt, sollte die Lüge leicht erkennen. Aber sehr viel Menschen glauben ja an absurde Verschwörungstheorien. Ich kenne sogar einen gebildeten Ägypter, der diesen schwarze-Pharaonen Blödsinn für glaubwürdig hielt.


verreisterNutzer  28.12.2024, 00:27

Oh nein. Jetzt haben sie es schon geschafft das welche von uns das glauben😭 Ich finde das absolut unangemessen, einfach unsere Geschichte und Kuktur zu stehlen.

Das geht ja so weit, dass Netflix kürzlich das Leben der Kleopatra neu verfilmt hat mit einer schwarzen Hauptdarstellerin.

Zu der daraus folgenden Debatte gibt es eine WP Seite https://en.wikipedia.org/wiki/Ethnicity_of_Cleopatra , aber nicht auf Deutsch.

Es heisst dort, dass die Behauptung schwarzer Abstammung der Ägypter sich hauptsächlich auf die Gebräuche der amerikanischen Sklavenhalter stützt, und daher aus den USA kommt und deren historischen Gegebenheiten einfach weltweit ausrollt.

Ergänzung: die Cleopatra-Darstellerin hier wird in Artikeln meistens als "black" bezeichnet, sie ist aber tatsächlich "mixed" und nicht sooo dunkel - aber halt auch nicht griechisch oder makedonisch wie die meisten zeitgenössischen Abbildungen.


Meiner Meinung nach wurde die ganze Tragödie von einem Missverständnis angestoßen. Nämlich von der schwammigen Definition des Wortes "schwarz".

Der größte Teil der "Kemet" -Bewegung, die gerne die gesamte altägyptische Bevölkerung als "schwarz" definieren will, stammt aus den USA.

In den USA gilt jeder Mensch als "schwarz", der auch nur irgendeinen kleinen Anteil afrikanischer Vorfahren hat - das war eine fiese Definition der europäischen Sklavenhalter. So konnten sie ihre Sklavinnen vergewaltigen und ihre eigenen Kinder weiter versklaven, weil die trotz ihrer gemischten Herkunft ja "nur" Schwarze waren.

Das Erbe dieser brutalen Praktiken wirkt noch heute nach. In den USA gibt es heute sehr viele, auch relativ hellhäutige Menschen, die von anderen und von sich selbst als "schwarz" definiert werden. Und wenn nun jemand mit diesem amerikanischen Mindset altägyptische Quellen betrachtet, dann ist es ziemlich einfach, alle braunhäutigen Leute einfach als "schwarz" zu definieren ... besonders, wenn sie mit schwarzen, lockige Haaren und vollen Lippen dargestellt sind.

Dazu kommt noch, dass rassistische Forschende in der frühen Ägyptologie gerne mal eine "weiße" Oberschicht im alten Ägypten behauptet haben - analog zu einer kolonialen Gesellschaft im 19.Jahrhundert. und das ist halt auch Unsinn. Genau wie die Praxis, ägyptische Figuren in Hollywoodfilmen dauernd mit europäischen SchauspielerInnen zu besetzen. Dagegen beschweren sich Afroamerikaner mit Recht, sie schießen dann nur manchmal über das Ziel hinaus.

Im modernen Ägypten selbst gibt es aber eine umgekehrte Tendenz. Dort gilt eine helle Haut mehrheitlich als Schönheitsideal. Und auch Ägypten hat eine schwierige Vergangenheit voller Kolonialismus und Sklavenhandel. Man will sich von Ethnien mit dunklerer Haut hier bewusst abgrenzen - vor allem von den südlichen Nachbarn, den Nubiern. Wenn ich heute in Assuan bin, dann erzählen mir manche Menschen dort, sie seien Nubier, keine Ägypter.

Ich glaube, dass moderne Ägypterinnen und moderne Afroamerikaner auf dieselben altägyptischen Bilder schauen... und die eine sieht "weiße", der andere sieht "schwarze" Menschen. Das hat aber herzlich wenig mit dem alten Ägypten und sehr viel mit dem Erbe des modernen Rassismus zu tun

Nach aktuellem Forschungsstand ist es ziemlich unsinnig, Ägypten als "schwarz" oder "weiß" zu definieren. Die Bevölkerung blieb relativ konstant, dort leben heute noch Nachfahren jeder Menschen, die sich bei der Austrocknung der Sahara im Niltal sammelten. Sie sind definitionsmäßig Afrikaner, weil sie auf dem afrikanischen Kontinent leben. Sie haben aber geografisch eine enge Verbindung zur Levante. Man kann nämlich einfacher an der Mittelmeerküste und durch den Sinai nach Nordosten reisen, als den Nil südwärts bis Äthiopien (allein die Entfernung ist viel weiter). Oder westwärts durch die Sahara in andere Teile Afrikas.

In Ägypten gibt es auch schon seit Jahrtausenden eine gewisse Vermischung mit den benachbarten Gruppen und das Klima ändert dich Richtung Süden. Daher sind Menschen in Südägypten tendenziell etwas dunkler als die im Delta.

Fazit: "schwarz" und "weiß" sind willkürliche, rassistische Definitionen. das Spektrum menschlicher Hautfarbe ist fließend und kaum ein Land beweist die Absurdität dieser Segregation besser als Ägypten.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Grundstudium Ägyptologie und Geschichtswissenschaft

verreisterNutzer  01.01.2025, 14:08

Okay, danke für deine hilfreiche und lange Antwort.

Ich will dir das gerne glauben, aber das kann ich mir nicht vorstellen. Warum sollten die schwarz sein?


verreisterNutzer  27.12.2024, 18:40

Was möchtest du mir glauben? Ich sagte ja, das die Behauptung falsch ist, aber es gab wenige, die schwarz waren, z.B Leute die aus Nubien nach Ägypten kamen.

Die Konzeption dass das alte Ägypten eine "schwarze Gesellschaft" gewesen sein, kam in den durch "Rassengegensätze" geprägten USA des 19. Jahrhunderts auf.

Die "Rassen" dieser Welt wurden in dieser Gesellschaft vereinheitlicht und mehr oder weniger den Kontinenten zugeschrieben. Weiße Europa, Schwarze Afrika usw. In dieser Zeit machte es Sinn vorauszusetzen, dass Ägypten ursprünglich eine schwarze (und nicht multiethnische) Gesellschaft war und die schwarzen irgendwann von aus Asien einrückenden Arabern verdrängt wurden.

Abolitionisten machten sich diese Annahme zu nutze, um sie dem Glauben dass die "Schwarzen" keinerlei Kultur hätten entgegen zu setzen. Immerhin waren, dass antike Griechenland und Rom, dass als "Brutstätte" der (vereinhetlichten) "weißen Kultur" galt, stark durch das antike Ägypten geprägt.

Damals wurde diese Vorstellung also eingesetzt, um eine Gleichwertigkeit der Schwarzen gegenüber den Weißen in den USA zu beweisen. Araber hatten damit wenig zu tun. Heute hält sich diese Annahme allerdings insbesondere bei Proponenten eine "schwarzen Überlegenheit."


verreisterNutzer  27.12.2024, 18:54

Vielen Dank, das scheint eine logische Erklärung zu sein. Der Höhepunkt war ja zu behaupten Kleopatra wäre schwarz gewesen...dabei war sie Griechin.

IanGaepit  27.12.2024, 19:05
@verreisterNutzer

Ganz offen gesagt, gibt es da deutlich absurdere Behauptungen in der Sphäre des "schwarzen Nationalismus."

Von der Behauptung, dass die biblischen Israeliten, bis hin dazu relativ modernen europäischen "Führungspersonen" schwarz waren, findet sich da so Einiges. ^^

IanGaepit  27.12.2024, 19:21
@verreisterNutzer

Mei, es ist eine größtenteils nordamerikanische Erscheinung die sich heute durch das Internet verbreitet.

Irgendwo ist es aber verständlich, dass sich Schwarze dort an solche Konstruktionen klammern, wurde ihnen doch ihr "kulturelles Erbe" im Rahmen des transatlantischen Sklavenhandels genommen.

Ich denke weder als Deutscher noch als Araber kann man das in der Form nachvollziehen.

verreisterNutzer  27.12.2024, 19:25
@IanGaepit

Ja, überhaupt nicht. Wäre es für diese Leute nicht von Vorteil sich auf die Geschichte zu konzenrrieren die auch wirklich "schwarz" war/ist, anstatt Geschichte zu "klauen"? Naja, man muss nicht alles verstehen.

IanGaepit  27.12.2024, 19:38
@verreisterNutzer

Sicherlich. US-Amerikanische Schwarze haben durchaus eine "stolze" Geschichte. Sie haben es geschafft sich zu einem großen Teil der Fesseln der Unterdrückung die ihnen die US-Gesellschaft auferlegt hat zu befreien (Sklaverei, Rassentrennung.)

Leider wird in der US-Gesellschaft diese Selbstemanzipation der Schwarzen oft zu Gunsten, der weißen Unterstützer kleingeredet.

Um das für dich vielleicht verständlich auszudrücken. Stellen wir uns mal vor, die Israelische Okkupation steht aufgrund des palästinensischen Wiederstandes kurz vor dem Fall. Die mit Israel verbündeten Mächte entschließen sich dazu, Israel fallen zu lassen und erlassen Sanktionen.

20 Jahre später tun alle so, als seien es die Sanktionen gewesen, die das Ende der Okkupation erzwangen und Israels vorherige alliierten Mächte feiern sich selbst dafür.

In etwa so ist es mit der schwarzen Selbstemanzipation in den USA. Deswegen ist für viele Schwarze ihre eigene Geschichte unsichtbar und viele schießen sich auf solche Konstruktionen wie die diskutiert ein.

verreisterNutzer  27.12.2024, 19:42
@IanGaepit

Vielen Dank, ich kann verstehen, was du meinst. Ich hoffe nur einfach für die Zukunft das unsere Geschichte auch unsere bleiben kann.

Schemset  01.01.2025, 08:59
@verreisterNutzer

Zu Kleopatra... bedenke bitte, dass die Ptolemäer da bereits 300 Jahre in Ägypten regierten. Klar betrieben sie eine ziemlich extreme Inzucht und heirateten am liebsten nur untereinander... Aber sie hatten auch Nebenfrauen und Affären. Ich bin mir sicher, dass nach 300 Jahren zumindest eine gewisse Durchmischung mit der einheimischen Bevölkerung stattgefunden hatte. Und die Identität von Kleopatras Mutter ist nicht sicher geklärt.

Was ich damit sagen will: ich würde Kleopatra nicht als "schwarz" bezeichnen... ich würde sie aber auch nicht einfach eine "Griechin" nennen, wenn ihre Familie schon vor 300 Jahren eingewandert ist. Zu diesem Zeitpunkt waren die Ptolemäer und allgemein die griechisch-stämmigen Ägypter schon lange im Land etabliert.

Schemset  01.01.2025, 14:12
@verreisterNutzer

Also, wenn eine Gruppe von Leuten schon 300 Jahre in einer Gegend ansässig ist, würdest du sie noch nicht als einheimisch bezeichnen?

Schemset  01.01.2025, 14:26
@verreisterNutzer

Ich würde argumentieren, dass die Ptolemäer zwar innerhalb Ägyptens eine erkennbar eigene Gruppe bildeten, dass man sie aber nach ein paar Generationen auch nicht mehr einfach als "Griechen" bezeichnen kann. Die griechische Sprache wurde ja in der Zeit zur internationalen Verkehrssprache im ganzen hellenistischen Raum, und ist somit nicht wirklich ein exklusives Unterscheidungsmerkmal. Die Kultur änderte sich auch, denn die Ptolemäer übernahmen ja viele Dinge aus der ägyptischen Religion und Königsideologie und auch von der lokalen Verwaltungsstruktur.

Kurz: ein Grieche, der mit Alexanders Eroberung ins Land kam, und dessen Nachfahren dort blieben, dessen Familie kann man vielleicht noch nach 300 Jahren als "griechisch-stämmig" bezeichnen, aber nicht mehr als "Griechen". Stell dir mal vor wenn Kleopatra, mit ihrem ägyptischen Akzent, ägyptisch beeinflussten Kleidern und ihrem ganzen pharaonischen Prunk in Athen angelegt hätte - glaubst du wirklich, sie wären von der Stadtbevölkerung als Landsfrau empfangen worden?

Wenn ein Ami heute nach Deutschland kommt, dann sehen wir ihn ja auch nicht als Deutschen an, und mag er noch so deutsche Vorfahren haben.