Klaasohm auf Borkum: Bleibt es heute friedlich, wird es jetzt langweilig?
Verkleidete Männer schlagen Frauen mit einem Kuhhorn – diesen Teil des Nikolausbrauchs Klaasohm soll es auf Borkum nicht mehr geben. Nach heftiger Kritik versucht die Insel nun einen Neuanfang. Heute Abend wird ganz Deutschland nach Borkum blicken.
Klaasohm: Archaiche Tradition und das höchste Fest auf Borkum.
Auf der Nordseeinsel Borkum soll keine Frau mehr mit Kuhhörnern geschlagen werden. Mit einem Gewaltverbot und einem Schutzkonzept will der Verein Borkumer Jungens von 1830 als Veranstalter einen Neuanfang für den umstrittenen Nikolausbrauch Klaasohm finden. Zu dem Fest am Vorabend des Nikolaustages werden heute Tausende Besucher auf der Insel erwartet. Jahrzehntelang sollten Auswärtige außen vor bleiben, es war ein Fest nur für die Insulaner. Doch dieses Mal werden Journalisten aus ganz Deutschland auf Borkum erwartet.
Ein Bericht des ARD-Magazin „Panorama“ hatte gewalttätige Übergriffe auf Frauen bei vorherigen Klaasohm-Festen auf der ostfriesischen Insel dokumentiert. Die Recherche löste vergangene Woche bundesweit Empörung aus. Die Borkumer Jungens von 1830 kündigten danach an, den „Brauch des Schlagens“ abzuschaffen.
Borkums Bürgermeister Jürgen Akkermann (parteilos) setzt darauf, dass die Zusage der Borkumer Jungens gilt. Dazu habe der Verein, wie in den Vorjahren schon, seinen Mitgliedern eine klare Ansage gemacht. „Das ist verboten und das ist dieses Mal noch eindringlicher gemacht worden“, sagt der Bürgermeister der Deutschen Presse-Agentur. „Wir wollen das nicht mehr, auch wenn es früher so war. Wir distanzieren uns da ganz klar von.“
Zusätzlich will die Stadt eine Telefonnummer und Räume einrichten, wo sich Frauen melden können, sollte es zu gefährlichen oder unangenehmen Situationen kommen. Auch die Polizei soll das Fest absichern. Niedersachsens Innenministerin Behrens (SPD) kündigte an, dass Polizisten deutlich stärker als in den Vorjahren auf der Insel präsent sein werden, damit alle Besucherinnen und Besucher ohne Angst vor Gewalt feiern können.
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Eine solche Diskussion hält auch die emeritierte Historikerin an der Universität Oldenburg, Katharina Hoffmann, für nötig. Dass der „Brauch des Schlagens“ abgeschafft wird, begrüßt die Wissenschaftlerin, die unter anderem 2020 zu Klaasohm geforscht hatte. „Die Borkumerinnen und Borkumer sind spät dran. Aber es ist gut, dass sie jetzt diesen Schritt gemacht haben. Dennoch ist es wichtig, sich weiterhin mit dem Brauch auseinanderzusetzen und ihn weiter zu verändern“, sagte Hoffmann der dpa.
Meine Fragen an Euch:
- Wie wird sich der 200 Jahre alte Brauch jetzt verändern?
- Was könnte das Frauenschlagen ersetzen und trotzdem weiterhin Identität und Zusammenhalt der Borkumer erhalten?
- Verlieren die Borkumer etwas, oder ist die angedachte Reform ein Gewinn?
- Glaubt Ihr es gibt auch noch andere geheime Bräuche und Traditionen in Deutschland, oder ist mittlerweile alles öffentlich bekannt?
- Wie findet Ihr den bisherigen Klaasohm-Brauch und hättet Ihr gerne mitgemacht als es ihn noch gab?
Klaasohm 2024 auf Borkum – der Liveblog
https://www.ga-online.de/artikel/1524589/Klaasohm-2024-auf-Borkum-der-Liveblog
3 Antworten
Es könnten zur Abwechslung die Männer geschlagen werden! Nein, das war nur Spaß. 😉
Ich hatte noch nie vorher von diesem "Brauch" gehört. Ich bin fassungslos, dass das so lange noch durchgezogen wurde.
Das ist gut. Denn dieser Beitrag ist mittlerweile verschwunden.
Ah, dann ist er wieder da. War zwischenzeitlich weg.
Den Bericht auf NDR ("Panorama 3", das sehe ich nach "Visite" und "Abenteuer Diagnose" nach Möglichkeit jeden Dienstag ... drei der wenigen guten Formate im deutschen Fernsehen unserer Zeit) habe ich gesehen, kannte das Fest vorher nicht, aber andererseits ... als bayrischer Schwabe (zugezogen, aber bestens etabliert) kennt man Borkum allenfalls als westlichste der Ostfriesischen Inseln, mehr nicht.
https://www.youtube.com/watch?v=qY2ORbxus84
Wie wird sich der 200 Jahre alte Brauch jetzt verändern?
Offensichtlich ja, wenn man einigen Berichten darüber Glauben schenkt, die nach dem packenden NDR-Report publiziert worden sind.
Was könnte das Frauenschlagen ersetzen und trotzdem weiterhin Identität und Zusammenhalt der Borkumer erhalten?
Puh... ich glaube, das können nur die Insulaner selbst beantworten, die hier kreativ sein müssen und am ehesten wissen, was sie wollen und was sie nicht wollen.
Verlieren die Borkumer etwas, oder ist die angedachte Reform ein Gewinn?
Auch das müssen die Insulaner für sich entscheiden.
Glaubt Ihr es gibt auch noch andere geheime Bräuche und Traditionen in Deutschland, oder ist mittlerweile alles öffentlich bekannt?
Dass es Klaasohm getroffen hat, war Zufall. Es gibt noch viel mehr so Sachen gerade auf dem Land, nur ist es das unter dem Radar und in der Regel auch nicht mit Gewalt verbunden, erst recht nicht mit Gewalt gegen Frauen. Gerade im Bereich Fasching/Karneval/Fastnacht gibt es weit mehr als gedacht, das kurios bis abstoßend oder geschmacklos - je ländlicher und ggf. katholisch-geselliger es zugeht, umso schlimmer und umso respektloser wird das.
Wie findet Ihr den bisherigen Klaasohm-Brauch und hättet Ihr gerne mitgemacht als es ihn noch gab?
Ich finde den Brauch zumindest "archaisch" und respektlos gegenüber Frauen (auch wenn sie jetzt dafür protestieren, dass es Klaasohm weiterhin gibt) und sage mal so: Man muss davor stehen und kann das eigentlich nur beurteilen, wenn es einen direkt oder indirekt selber betrifft. Das hat was mit Gruppenzwang zu tun, wenn man dem Filmbeitrag aus "Panorama 3" Glauben schenkt - es ist bei so was schwer nicht mitzumachen gerade in einem engen sozialen Gefüge wie Borkum es sein wird. Ich kenne aus meiner Heimat ähnliche soziale Zwänge - und wer nicht mitmacht, der wird entweder als arrogant bezeichnet (so ging es mir; ich war der "Studierte", der es ja nicht nötig habe) oder geächtet oder in irgendeiner Weise bestraft, wie auch immer so eine Strafe aussehen kann.
Gerade im Bereich Fasching/Karneval/Fastnacht gibt es weit mehr als gedacht, das kurios bis abstoßend oder geschmacklos - je ländlicher und ggf. katholisch-geselliger es zugeht, umso schlimmer und umso respektloser wird das.
Als Rheinländer feiere ich ja Karneval. Aachen ist da eigentlich kein Unterschied zu Köln. Wir rufen "Oche Alaaf", genau wie es in Köln "Kölle Alaaf" heißt. Die Bräuche von Fettdonnerstag/Weiberfastnacht bis Aschermittwoch sind auch fast deckungsgleich, nur das bei uns keine Figur als Sündenbock verbrannt wird.
Ich war aber auch schon oft an Karneval in Köln.
Je jünger ich war, ein desto größerer Jeck war ich. Seit Corona bzw. schon seit 2019, war ich allerdings nicht mehr feiern. Zuletzt 2019 ging ich als Papst. Wie gesagt war ich früher ein großer Jeck und meine Abstinenz seit 2020 hat andere Gründe als dass ich plötzlich unser Brauchtum nicht mehr mögen würde.
Jedenfalls hat meine Freundin aus Hamburg es total furchtbar gefunden, als ich ihr von der Tradition des Bützchens erzählte. Also dass man sich nicht aufregen darf, wenn man plötzlich von Wildfremden ein Küsschen auf die Wange bekommt. Hamburger sind natürlich sehr viel distanzierter als Rheinländer und sie ist zudem speziell.
Das in der letzten Ergänzung ist übrigens ein LIVE-VIDEOBLOG. Da kann man jetzt hautnah mit dabei sein. Allerdings hängen die Klaasohms den Reporter öfter ab. Man merkt, dass der heute schon ordentlich genervt wurde und ständig in der Kälte warten muss und sich ärgert nicht auch Schnaps trinken zu dürfen.
👍 sind mal wieder verbraucht bis 0 Uhr.
Der Spaß geht weiter, nur mit Zuckerwattebäuschen statt Kuhhörnern.
Böhmermann wusste es übrigens schon vor 2 Jahren:
Der zweite Anruf in dieser kurzen Sendung. Minute 2:10
https://youtu.be/QbPPrQLqXuQ?si=z_PSczriD98eBpC4