Bin ich ein Feminist, wenn ich Frauen für unterstützter aber nicht gleichbehandelt halte?
Ich mache mir in letzter Zeit viele Gedanken über Gleichberechtigung und ob unsere Gesellschaft Frauen wirklich gerecht behandelt. Dabei bin ich zu einem Widerspruch gekommen:
Einerseits sollen Frauen besonders „geschützt“ werden – gesetzlich, gesellschaftlich, auch im Arbeitsleben. Aber genau dieser Schutz scheint sie in manchen Bereichen eher zu benachteiligen:
Zum Beispiel sieht man deutlich, dass Frauen seltener in Führungspositionen sind. Arbeitgeber denken möglicherweise unbewusst an Mutterschutz, Teilzeitwunsch oder familiäre Verpflichtungen – und bevorzugen deshalb Männer bei der Auswahl für anspruchsvolle Rollen.
Auch das traditionelle Rollenbild („sie kümmert sich um die Familie“) ist noch lange nicht überwunden. Und am Ende trägt das dazu bei, dass viele Frauen später ein höheres Risiko für Altersarmut haben – gerade, wenn sie lange Teilzeit gearbeitet oder keine Top-Positionen erreicht haben.
Ich finde das ungerecht – obwohl es gut gemeint ist. Es fühlt sich fast so an, als würden Schutzmechanismen und Rollenbilder zusammenwirken und Frauen systematisch aus Machtstrukturen raushalten.
Jetzt frage ich mich:
Bin ich mit dieser Haltung eigentlich ein Feminist?
Ich fordere ja nicht „mehr Rechte“ für Frauen, sondern echte Gleichbehandlung, auch wenn das bedeutet, auf gewisse Sonderregelungen zu verzichten.
Was denkt ihr dazu?
7 Antworten
der Begriff Feminismus und seine Bedeutung enthalten leider Widersprüche. Es ist aber zumeist nicht möglich, sachlich darüber zu diskutieren.
Generell lässt sich sagen, dass Gerechtigkeit, Fairness und Gleichheit sich auf diesem Planeten zu großen Teilen gegenseitig ausschließen. Das bringt uns in unzählige Di- und Trilemmata.
Deine Haltung würde ich als Antisexismus bezeichnen. Feminismus ist für mich etwas anderes.
Zum Beispiel sieht man deutlich, dass Frauen seltener in Führungspositionen sind.
Liegt maßgeblich an persönlichen Entscheidungen.
Arbeitgeber denken möglicherweise unbewusst an Mutterschutz, Teilzeitwunsch oder familiäre Verpflichtungen – und bevorzugen deshalb Männer bei der Auswahl für anspruchsvolle Rollen.
Kein Arbeitgeber der was im Kopf hat würde eine qualifizierte Frau einem unqualifizierten Mann vorziehen weil sie schwanger werden könnte.
Auch das traditionelle Rollenbild („sie kümmert sich um die Familie“) ist noch lange nicht überwunden.
Weil es da nichts zu überwinden gibt. Hier wird versucht sich in die Entscheidungen von Individuen einzumischen. Was bitte spricht gegen eine Frau die teilzeit arbeitet weil sie sich um die Familoe kümmern will? Lasst sie doch machen.
Und am Ende trägt das dazu bei, dass viele Frauen später ein höheres Risiko für Altersarmut haben
Das Problem ist nicht das Frauen in Altersarmut geraten sondern, dass das überhaupt möglich ist für jemanden da rein zu geraten der 40 Jahre oder länger gearbeitet hat.
Es fühlt sich fast so an, als würden Schutzmechanismen und Rollenbilder zusammenwirken und Frauen systematisch aus Machtstrukturen raushalten.
Nein werden sie nicht.
Alles in allem willst du keine Gleichberechtigung sondern Ergebnisgleichheit und das ist allgemein abzulehnen.
Du bist auf dem richtigen Weg dahin. Was du jetzt noch tun solltest, ist, dich mal mit dem Ursprung und der Überprüfung der Gültigkeit dieser Annahmen und Klischées zu beschäftigen. Und darüber nachzudenken, wie man das persönlich und gesellschaftlich ändern und somit überwinden kann.
Lös dich mal von dem Gedanken, dass da irgendwas zum "Schutz" von Frauen gedacht ist. Ist es nämlich keineswegs. Dort könnte dein gedanklicher Knackpunkt zu finden sein...
Letztlich ist das natürlich alles eine Definitionsfrage und deshalb sind solche Diskussionen zwangsläufig langweilig und ergebnislos. Das fängt schon damit an, daß es ja ganz verschiedene Denkrichtungen im Feminismus gibt, die sich teilweise diametral widersprechen.
Meine Erfahrung ist die, daß wenn Du Dich tatsächlich für Gleichberechtigung einsetzt, die meisten Feministinnen Dich als Antifeministen bezeichnen.
Wenn Du das ganze Thema aber gynozentrisch ausschließlich aus der Perspektive "Was ist am besten für Frauen?" betrachtest und tatsächlich davon ausgehst, daß Frauen bei der Besetzung von Führungspositionen vorsätzlich übergangen werden, bist Du aus meiner Sicht schon Feminist.
Da ich aber aus Gründen keine Ausweise ausstellen kann, wird Dir das wenig weiterhelfen.
Für mich ist das auch immer schwierig mich einzuordnen weil der Begriff "Feminist" halt auch mittlerweile so unglaublich negativ behaftet ist. Aber es ist nunmal so, dass Frauen immernoch zu kämpfen haben. Gleichzeitig gibt es auch Themen bei Männern welche ich unfair finde.
Bei Frauen:
- Gerechtigkeit im Berufsleben
- Gerechtigkeit in der Familie (Erziehung, Haushalt)
- Gerechtigkeit bez. Sexualisierung (als Frau kannst du aussehen und machen was du willst... am Ende bist du immer die Dumme weil du "falsch" riechst, aussiehst, Klamotten provozieren,...)
- Meinung (Frauen werden so oft runtergeredet "naja das ist nur so weil du so emotional bist)
- vieles weitere.. (über andere Länder will ich erst garnicht anfangen da könnte ich heulen und im Strahl kotzen...)
Bei Männern:
- Gerechtigkeit bei häuslicher Gewalt (Männer werden als Opfer fast nicht ernst genommen)
- Gerechtigkeit beim geteilten Sorgerecht (Mütter haben da die Oberhand aber es sollte hier auch einfach 50/50 sein...)
- Gerechtigkeit beim Dating (gesellschaftlich ist der pummelige kleine glatzköpfige Mann mit Brille der als LKW Fahrer arbeitet bei Frauen sehr schlecht dran während Männer selbst ne ...achtung sehr unangebracht... "krebskranke, massiv übergewichtige, stinkende, hochverschuldete, charakterlose Frau mit 8 Brüsten und 50 Kinder" knallen und heiraten würden)
- Gerechtigkeit bei Teilzeitjobs (von Männern wird auf der Arbeit immer mehr Leistung erwartet als bei Frauen)
- weiteres
Klar geht es bei Frauen einfach PRINZIPIELL mehr um ganz normale Menschenrechte und einfach darum nicht objektifiziert und sexualisiert zu werden aber auch Männer leiden in unserer Gesellschaft, das darf man nicht vergessen. Dieses Leiden ist auch oft der Grund dafür, dass sie sich verachtend gegenüber Frauen geben (was das jetzt auch alles nicht entschuldigen soll...)
Alles in allem finde ich aber, dass man das Leid von anderen nicht von Grund auf niederschmettern sollte als wäre es nichts.
Absolut. Genau da liegt ja der Knackpunkt: Viele dieser Schutzmechanismen sind historisch entstanden, um reale Benachteiligungen abzufedern – aber sie greifen oft zu pauschal und führen in der Praxis zu neuen Ungleichgewichten.
Wenn wir ernsthaft Gleichberechtigung wollen, müssen wir die dahinterliegenden Strukturen und Bilder infrage stellen: Warum gelten Frauen immer noch als „risikobehafteter“ für Führungsrollen? Warum ist Care-Arbeit gesellschaftlich kaum anerkannt? Und warum wird individuelle Wahlfreiheit oft mit Geschlechterklischees überlagert?
Ich glaube nicht, dass Feminismus bedeutet, Frauen nur zu schützen. Sondern sie so ernst zu nehmen, dass man ihnen die volle Verantwortung und Teilhabe auf Augenhöhe zutraut – auch wenn das unbequem ist.
Die spannende Frage ist: Wie übersetzt man das in Praxis – ohne ins andere Extrem zu kippen?