Angst, wegen "Notwehr" ins Gefängnis zu müssen?
Bei mir in der Stadt kommt es immer wieder mal zu Gewalt am Hauptbahnhof, manchmal sogar mit Messern. Im Zweifel ist es sicher besser, zu fliehen und die Polizei zu rufen.
Manchmal gibt es jedoch Situationen, in denen einem selber kaum Gefahr droht, man aber eine aggressive Person z.B. durch einen massiven Schlag auf den Kopf von hinten außer Gefecht zu setzen könnte, wenn diese Person eine Gefahr für andere darstellt. Die Polizei zu rufen, kann dann zu spät sein, man muss innerhalb von Sekunden entscheiden, um ggf. Opfer zu verhindern.
Das sind aber immer Gradwanderungen. Das eine Gericht würde es vielleicht in einer konkreten Situation als Notwehr einstufen, das andere gerade so nicht und dann sogar Mord (Heimtücke, da von hinten) annehmen. Aus dem Studium der Rechtsprechung weiß ich auch, dass es genug lebensfremde Richter gibt, die behaupten, man könne in Stresssituationen doch locker in den Arm des Angreifers stechen anstatt in den Bauch etc.
Bisher war ich noch nie in einer solchen Situation, hab aber Angst, dann falsch zu handeln. Und das, obwohl (oder eher gerade weil) ich die rechtlichen Voraussetzungen der Notwehr sehr gut kenne.
Könnt ihr diese Sorgen verstehen? Vielleicht gerade auch dann, wenn ihr Polizist/Strafrechtler seid? Habt ihr Tipps? Ist meine Angst überzogen?
4 Antworten
Und das, obwohl (oder eher gerade weil) ich die rechtlichen Voraussetzungen der Notwehr sehr gut kenne.
Davon merkt man nicht viel. Kannst du auch nur einen einzigen Fall nennen, wo geurteilt wurde, man hätte jemandem in den Arm anstatt in den Bauch stechen sollen? Alleine schon weil niemand dafür garantieren kann, dass man dadurch einen Angreifer aufhält, wird man so etwas von keinem Richter hören.
Behauptet der Fragesteller auch. Und keiner liefert Belege dafür, weder er noch du.
Da wurde die Notwehr überschritten. Es war nicht erforderlich, überhaupt ein Messer einzusetzen. Das ist ein ganz anderes Thema.
Der von NonNam angesprochene Fall wäre aber tatsächlich einer meiner Beispielfälle gewesen. Es gibt da zu eine sehr interessante, aber leider nicht öffentlich verfügbare Abhandlung von Prof. Erb dazu: Erb, NStZ 2011, 186
Dort wird erklärt, wieso eine Anerkennung von Notwehr naheliegend gewesen wäre und es kommen auch Polizisten aus der Selbstverteidigungsschulung zu Wort. Nur eine kräftigere Statur und höhere Körpergröße reichen jedenfalls nicht aus, um einen Kampf zu gewinnen, insbesondere ist auch die Kampf(un)erfahrenheit sehr wichtig.
Es gibt definitiv Fälle, in denen verschiedene Juristen eine verschiedene Meinung vertreten. Zwar ist das immer so, aber normal kann man solchen Problemen ausweichen, indem man einen weiten Bogen um die juristische Grauzone macht. Bei der Notwehr nicht wirklich, da wird man in eine solche Situation gezwungen und eine zu lasche Gegenwehr kann fatale Folgen haben.
Also die Konstellation die du hier beschreibst ist ja eher Nothilfe. Ein Schlag auf den Kopf kann potentiell tödlich sein. So müsste das angegriffene bzw zu schützende Rechtsgut des Dritten nicht nur die körperliche Unversehrtheit, sondern viel mehr die Gefahr des Todes sein. Also man sollte sich schon ganz genau überlegen wie man jemanden hilft.
better safe then sorry. Bei solchen Sachen lieber auf Nummer sicher gehen und einmal mehr draufhauen statt einmal zu wenig.
Nein, habe ich n icht.
Bei mir selbst ist es egal, ich gehe lieber 4 Jahre wegen Notwehrexzess oder Putativnotwehr ab als dass ich tot oder schwer verletzt bin.
Dritten würde ich nur helfen, wenn sie mir was bedeuten.
Ich würde auch abhauen und nicht auf die Cops warten.
So muss man das in Deutschland 2025 machen.
Vergleichbares gibt es durchaus.