Konnte ein homo sapiens neanderthalensis mit einem homo sapiens sapiens Sex haben?

5 Antworten

Ja, das ist möglich. Indiz dafür ist, dass wir homo sapiens sapiens Gene des homo sapiens neanderthaliensis in uns tragen. Diese beiden Unterarten haben sich offenbar einmal gekreuzt oder menschlicher "Sex gehabt".

Die neanderthaliensis wurden, soweit ich weiß, von sapiens verdrängt. Es muss wohl Merkmale gegeben haben, über die zwar sapiens aber nicht neanderthaliensis verfügt haben.

Ein Beispiel dafür muss angeblich die Sprache gewesen sein. Während wir sapiens mit dem Broca-Zentrum im Gehirn und gewissen anatomischen Merkmalen im Rachenbereich eine Wortsprache entwickeln konnten, waren wir den neanderthaliensis überlegen, da es eine schnellere Kommunikation ermöglichte. Es hat sicher weitere Merkmale gegeben, weswegen uns die neanderthaliensis unterlegen waren und ausgestorben sind. Sie hatten eine größere Gehirnmasse als wir - aber Masse sagt nichts aus. Es kommt auf den Inhalt an. Und was im Kopf eines neanderthaliensis vorging, werden wir wohl nie erfahren.

Ich fände es mal interessant, wenn beide Unterarten noch parallel leben würden. Würde es denn funktionieren, dass zwei Arten der Gattung homo parallel leben würden? Oder würden sich homo sapiens sapiens und homo sapiens neanderthaliensis gnadenlos bekämpfen bis zur Ausrottung? Wir werden es (vielleicht zum Glück) nie erfahren.

Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen.

Dein ichbinich2000

MarkusPK  30.12.2017, 20:44

Eine "Überlegenheit" des H. sapiens hat es definitiv NICHT gegeben, das ist pure Arroganz und durch keinen einzigen Nachweis bestätigt.

Durch ein gefundenes Zungenbein und dem Nachweis des FOXP2-Gens in Neandertaler-DNS ist erwiesen, dass sie sprechen konnten. Da sie genauso wie wir in Gruppen lebten, besteht kein Grund anzunehmen, dass sie nicht genauso gut kommunizieren konnten wie wir heute. Auch ihre Gehirne waren keineswegs kleiner oder primitiver - im Gegenteil: Der Hirnschädel der Neandertaler ist im Durchschnitt sogar größer als der von modernen Menschen gewesen!

Neandertaler waren für ihre Zeit extrem fortschrittlich und wenn man danach geht, was sie bereits vor den H. sapiens zustande gebracht haben, waren es eigentlich SIE, die uns überlegen waren: Die ersten H. sapiens begannen bereits in der Levante damit, sich Technologien und Handwerksfähigkeiten von den Neandertalern abzuschauen, die ihnen vorher nicht bekannt waren - wie archäologische Funde belegen. Die Neandertaler waren die ersten, welche Hochgebirge passierten, welche das Mittelmeer befuhren und die Jagd auf eiszeitliche Großsäuger machten - das alles schafften unsere Vorfahren erst ein gutes Stück später. Die Neandertaler waren kräftiger, bulliger und robuster gebaut aus unsere Vorfahren und wesentlich besser an ein Leben unter den Extrembedingungen der Eiszeit angepasst.

Allerdings wurde ihnen diese Überspezialisierung wahrscheinlich zum Verhängnis. Durch ihre kurzen Unterschenkel waren sie für lange Wanderungen wesentlich schlechter ausgestattet als H. sapiens und konnten Schwierigkeiten nicht so gut aus dem Weg gehen. Da es wegen der eingeschränkten Mobilität auch zu einem geringeren Austausch untereinander kam, war auch ihre genetische Vielfalt geringer als die des H. sapiens. Genuntersuchungen belegen, dass es vor etwa 40.000 Jahren, als die ersten H. sapiens Europa erreichten, dort nur noch sehr wenige Neandertaler gegeben hat. Vielleicht sind sie durch die Nachwirkungen der Toba-Katastrophe (ein Supervulkanausbruch mit globalen Folgen) ebenso stark dezimiert worden wie unsere eigenen Vorfahren (Flaschenhals-Hypothese) - jedenfalls sind die wenigen Neandertaler, die es noch gab, in den nächsten 10.000 Jahren, in denen sie ihren Lebensraum mit uns teilten, immer seltener und seltener geworden.

Ich würde darauf tippen, dass sie nicht ausstarben, sondern von der neu eingewanderten Menschenpopulation absorbiert worden.

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Herfried1973  30.12.2017, 22:22
@MarkusPK

Sowohl / als auch. Der Ausbruch der Campi Flegrei war verheerend... und traf genau des Verbreitungsgebiet des weniger wanderfreudigen Neandertalers...

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Da wir alle in Europa "Neandertal-Gene" in uns tragen, und man damals noch nicht wirklich über die Fähigkeit verfügt hat, durch Genmanipulation das Erbmaterial zu verändern, ist Sex die wohl wahrscheinlichste Variante, wie es dazu kommen konnte.

Magmakobold 
Fragesteller
 29.12.2017, 20:18

Aber: Zwei unterschiedliche Arten könnten sich grundsätzlich nicht paaren! Ansonsten wären es nicht zwei verschiedene Arten.

&

Wir stammen nicht vom Neandertaler ab, obwohl wir gemeinsame Gene haben...

Wir stammen vom heidelbergensis ab. :)

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ichbinich2000  29.12.2017, 20:29
@Magmakobold

Wir sind auch dieselbe Art, nur eine andere Unterart. Somit ist Fortpflanzung möglich.

Gattung: homo (beide)

Art: homo sapiens (beide)

Unterart: homo sapiens sapiens (wir); homo sapiens neanderthaliensis

Deine "Fortpflanzungsregel", abstammend vom Artbegriff, gilt nur für verschiedene Arten.

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Danny4793  29.12.2017, 20:42
@Magmakobold

Unterschiedliche Arten können sich Paaren, es gibt Taxa (biologische Verwandtschaftsgruppen) in denen es sogar häufig vorkommt (etliche Pflanzenfamilien und -gattungen, einige Fische, Reptilien, Amphibien, Vögel und auch Säugetiere). Unter Säugetieren gibt es Hybriden zwischen verschiedenen Arten (meist unter nicht natürlichen Bedingungen), häufig selbst dann nicht fortpflanzungsfähig (Bsp. Maultier, Liger), gelegentlich sind jedoch selbst die Hybriden fortpflanzungsfähig (Eisbär-Braunbär-Hybriden; Grizzly und Eisbär stehen sich als Arten auch zeitlich-evolutiv gesehen noch sehr nahe).

Wie sich das bei Primaten verhält, weiß ich nicht, nur dass es mal Stimmen gab, die Hybridisierungen zwischen Menschanaffen-Arten in der Vergangenheit vermuten. Aber ich kenne nicht die aktuelle Forschungsmeinung.

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Pomophilus  30.12.2017, 10:34
@Danny4793

Das Problem ist einfach unser "Schubladendenken": Wir teilen ein und sagen, so das ist jetzt die eine Art, und das die Andere, und da haben jetzt diese Regeln zu gelten, die können sich jetzt z.B. nicht mehr kreuzen. Leider beschreibt dieses Denken die Natur zwar ziemlich zutreffend, aber eben letztlich doch nicht zu 100 Prozent. Manchmal ist die Realität dich noch etwas komplizierter.

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Danny4793  31.12.2017, 17:50
@Pomophilus

Dass die Frage nach dem Artbegriff oder der Artdefinition aus unterschiedlichen Blickwinkeln unterschiedlich beantwortet werden kann, ist allgemein bekannt. Solange man den Sachverhalt kritisch und differenziert betrachtet (wie du), ist das "Schubladendenken" nur ein Werkzeug; eben eins, das nicht immer in jeder Form zu gebrauchen ist. Und wer sich aus dem bekannten Schubladensystem nicht raustraut, will sich mit der Thematik eh nicht tiefer befassen...

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Durch die Methoden der Paläogenetik konnte sogar bestätigt werden, dass Neandertaler und moderne Menschen sich erfolgreich gekreuzt haben, denn alle Menschen, die nicht aus Afrika südlich der Sahara stammen, weisen geringe Anteile von neandertalertypischem Erbgut auf. Allerdings gibt es auch Hinweise darauf, dass die Kreuzungen bereits nicht mehr ohne Komplikationen verliefen, da männliche Neandertaler keine Spuren in unserem Erbgut hinterlassen haben. Das wird so gedeutet, dass nur Kreuzungen zwischen weiblichen Neandertalern und männlichen modernen Menschen lebensfähigen Nachwuchs hervorbringen konnten.

Dass nachweislich eine Vermischung stattfand, bedeutet aber nicht, dass die Neandertaler wieder in die Art Homo sapiens aufgenommen werden. Der ursprüngliche Grund, warum sie einen Status als eigene Art Homo neanderthalensis erhielten, war nämlich der, dass Neandertaler und moderne Menschen keine direkten Schwestergruppen darstellen, d.h. ihr letzter gemeinsamer Vorfahre kein Homo sapiens, sondern ein Homo erectus war. Um Neandertaler und moderne Menschen wieder in eine gemeinsame Art einzuordnen, müsste man deshalb diverse Individuen von Homo erectus (und andere Arten, die aus dieser Art hevorgegangen sind) neu zuordnen und bezeichnen und damit die gesamte Taxonomie der Homini auf den Kopf stellen.

Warum die Neandertaler schließlich ausgestorben sind, ist nicht abschließend geklärt, aber man darf vermuten, dass die Zuwanderung des H. sapiens eine Rolle spielte. Womöglich erlagen viele Neandertaler eingeschleppten Krankheiten oder starben in gewaltsamen Auseinandersetzungen. Oder sie konnten dem Konkurrenzdruck durch den H. sapiens nicht standhalten, der über andere Technologie verfügte und flexibler auf die damaligen Umweltveränderungen reagieren konnte.

Magmakobold 
Fragesteller
 29.12.2017, 22:11

Danke für die Antwort. Aber das der gemeinsame Vorfahr, Homo erectus war, stimmt nicht! Der gemeinsame Vorfahr ist Homo heidelbergensis. :)

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DiegoderAeltere  29.12.2017, 22:35
@Magmakobold

Allerdings wird H. heidelbergensis nicht überall als eigene Art behandelt, es ist auch üblich, ihn als späte Variante von H. erectus einzuordnen. Jedenfalls könnte er so oder so nicht mehr als eigene Art gelten, wenn man H. neanderthalensis wieder zu H. sapiens stellt.

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MarkusPK  30.12.2017, 20:01
@Magmakobold

Nein, was du schreibst kann nicht stimmen. H. heidelbergensis ging aus H. erectus ervor, wahrscheinlich aus einer Population, die in der Levante lebte. Von dort aus breiteten sich die Heidelbergmenschen über den Balkan und große Teile Europas aus, wo sie sich zum Neandertaler weiterentwickelten - in Afrika ließen sie sich allerdings niemals nieder. H. sapiens ist aber definitiv in Ostafrika entstanden und erst durch seine Wanderbewegungen auf Heidelbergmenschen bzw. Neandertaler gestoßen. Beide sind keine Vorfahren von H. sapiens.

Die Entwicklung des Menschen zu rekonstruieren ist kompliziert - besonders wegen H. erectus. Da sein zeitliches Verbreitungsfenster verhältnismäßig groß ist (er lebte von vor 1.900.000 bis etwa 14.000. Jahren), brachte er enorm viele Unterarten hervor, aus denen dann wiederum auch eigene Arten hervorgingen. Wann und wo sich dann in den jeweiligen Populationen genetisch und morphologisch festzumachende Artgrenzen vollzogen, kann heute nicht mehr vollständig rekonstruiert werden. Als sicher kann jedoch gelten, dass sich alle späteren Hominiden, vor allem jene außerhalb Afrikas, auf H. erectus als Ahnherren berufen können.

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MarkusPK  30.12.2017, 19:55
Allerdings gibt es auch Hinweise darauf, dass die Kreuzungen bereits nicht mehr ohne Komplikationen verliefen, da männliche Neandertaler keine Spuren in unserem Erbgut hinterlassen haben.

Diese Erkenntnis würde bestätigen, dass H.sapiens und H. neanderthalensis tatsächlich nach biologischer Definition als zwei Arten unterschieden werden müssen - wie Esel und Pferd oder Löwe und Tiger. Auch bei diesen Tieren sind Hybriden möglich, diese sind allerdings (meist) unfruchtbar. Bei Ligern (Löwen-Papa und Tiger-Mama) sind nur die weiblichen Hybriden fruchtbar.

Wennn es sich beim Menschen ebenfalls so verhalten hat, würde dies auch die Neandertaler-Gene in unserem Erbgut erklären - dann konnten sich Mischlings-Frauen ebenfalls fortpflanzen, Mischlings-Männer jedoch nicht.

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Ja, ganz sicher. Die lebten zur gleichen zeit am gleichen Ort und so unterschiedliche wird die Anatomie nicht gewesen sein.

Wir Homo sapiens tragen im Durchschnitt so 1% Gene von neanderthalensis mit uns herum, es gab also auch fortpflanzungsfähigen Nachwuchs.

Für das Aussterben gibt es unterschiedliche Theorien, eine davon wohl, das die Konkurrenz gegen den homo sapiens zu stark war.

Zuerst einmal muss ich ein paar Fehler korrigieren:

Heute wird höchstens noch Homo sapiens idaltu als Unterart des H. sapiens unterschieden, was aber strittig ist. Da H. s. idaltu wahrscheinlich der direkte Vorfahre des H. sapiens sapiens war und nicht eine regional begrenzte Population, ist es eigentlich unsinnig, ihn als Unterart zu führen. Viele Wissenschaftler stellen ihn deshalb zum H. s. sapiens - was das zweite "sapiens" überflüssig macht: Es gibt dann nämlich keine weiteren Unterarten des H. sapiens. Der Neandertaler wird heute nicht mehr als Unterart von H. sapiens geführt, sondern als eigene Art: Homo neanderthalensis.

Außerdem starb der Neandertaler nicht erst vor 10.000, sondern bereits vor 30.000 Jahren auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit aus.

Nur zur Beantwortung deiner Frage: Ja, es gab auf jeden Fall Techtelmechtel zwischen Neandertalern und frühen H. sapiens (die wir auch als Cro-Magnon-Menschen bezeichnen)!

Laut biologischer Definition können Angehörige zweier Unterschiedlicher Arten, aber ein und derselben Gattung (Homo) sich durchaus miteinander verpaaren und Nachwuchs zeugen. Allerdings ist diese Reproduktion mit erheblichen Komplikationen verbunden, die Mischlinge sind oft nicht lebensfähig und wenn sie doch überleben in den allermeisten Fällen selbst unfruchtbar. Bei Hybriden zwischen Esel und Pferd sind unabhängig vom Geschlecht der Elterntiere sowohl männliche und weibliche Maulesel und Maultiere steril. Es gibt allerdings auch einige wenige Ausnahmen: Weibliche Liger (Hybriden aus einem männlichen Löwen und einem weiblichen Tiger) sind fruchtbar und können sowohl mit männlichen Löwen als auch Tigern lebensfähige Nachkommen zeugen.

Bei H. sapiens und Neandertalern hat es sich nach dem derzeitigen Stand der Forschung ähnlich verhalten wie bei Löwen und Tigern. In der mitochondrialen DNS heutiger Europäer und Asiaten finden sich tatsächlich Gene von Neandertalerfrauen, was bedeutet, dass sich zumindest weibliche Neandertaler mit männlichen H. sapiens vereinigen und Kinder zeugen konnten. Da Gene von Neandertalermännern nicht in unserem Erbgut nachgewiesen werden konnten, scheint es tatsächlich bereits eine genetische Artgrenze zwischen H. sapiens und Neandertalern gegeben zu haben.

Dies ist durch den großen zeitlichen Abstand, der zwischen den Populationen liegt, aber auch nicht verwunderlich: zwar stammen beide von H. erectus-Vorfahren ab, jedoch hat die Linie, die später zum Neandertaler führen sollte, Afrika bereits vor etwa 700.000 Jahren verlassen. Die Population, die in der Levante, auf dem Balkan und in Westeuropa lebte, nennt man zuerst Heidelbergmenschen (H. heidelbergensis), sie entwickelte sich vor etwa 230.000 Jahren zum Neandertaler. Der H. sapiens ging jedoch aus einer Population in Ostafrika, also dem Stammland aller Hominiden hervor und begab sich erst sehr viel später auf Wanderschaft. Erst vor etwa 40.000 Jahren erreichte er Europa, das damals schon seit langem von anderen Menschenarten bewohnt war. Somit liegen ganze 660.000 Jahre zwischen den letzten gemeinsamen Vorfahren von H. sapiens und Neandertalern und dem ersten zwischenartlichen Gevögel!

Wie genau Begegnungen zwischen H. sapiens und Neandertalern ausgesehen haben mögen, ob sie friedlich miteinander zusammenlebten und es Liebesbeziehungen zwischen ihnen gab, oder ob es ganz gegenteilig mit Gewalt und Frauenraub zustande kam, dass sich unsere Gene vermischten, kann heute nicht mehr festgestellt werden. Zwar gibt es Hinweise auf Kannibalismus an Neandertalern, man fand ihre Knochen neben denen von Jagdwild, genauso aufgebrochen und ihr Mark ausgeschlürft wie das der Beute. Aber ob es Cro-Magnon-Menschen waren, welche die Neandertaler gejagt und gegessen haben, lässt sich nicht feststellen - die Grillparty könnte schließlich auch von einem verfeindeten Neandertaler-Clan veranstaltet worden sein.

Da man hier nur spekulieren kann, ist auch der Aussterbegrund des Neandertalers reine Spekulation: Möglicherweise wurde er vom H. sapiens ausgerottet, vielleicht starb er an einer von uns aus Afrika mitgebrachten Seuche, vielleicht ist er aber einfach nur, weil er ohnehin eine recht seltene Spezies war, in den häufigeren H. sapiens aufgegangen. Da wir seine Gene heute noch in uns tragen, kann von Aussterben eigentlich auch keine Rede sein - schließlich lebt das Neandertaler-Erbgut zumindest in geringen Teilen noch in uns weiter.

Woher ich das weiß:Hobby – Die Beschäftigung mit der Urzeit ist seit Jahren mein Hobby.