Bist du manchmal neidisch auf die Eltern anderer Leute?

Nein 73%
Ja, manchmal 27%

15 Stimmen

7 Antworten

Nein

Nein, das war ich nie, zumal ich früh (mit ca. 9/10 Jahren bereits) gemerkt habe, dass vieles in der Hinsicht sowieso nur Fassade ist. Ich war eigentlich auch deshalb nie neidisch, weil Neid innerlich nur zerfrisst und ich keinen Grund dazu hatte, neidisch zu sein. Es war alles in Ordnung, ich hatte alles. Ich habe mich höchstens manchmal gefragt, warum ich bei meinem Opa wohne und die anderen bei ihren Eltern wohnen, aber nicht aus Neid, sondern nur, weil ich verschiedene Dinge als Kind noch nicht wusste.

Ich hätte ja neidisch sein können, denn ich war in der Realschule der bildungsferne Loser, dem man seine provinzielle und einfache Herkunft anmerkte, der die angesagten Kleidungsmarken nicht mal dem Namen nach kannte, der in der Hauptsache mit der Familie oder Freunden verkehrte, der nie einen Fuß in die teuren Hotels auf den Dörfern gesetzt hatte, der nie im Ausland oder im Skiurlaub war und zur bekannten Keksmischung "Belvedere" nicht "Bell-we-der", sondern in Lautschrift "Bel-ve-de-re" gesagt hat, weil ich nicht wusste, wie man das ausspricht und alle lachten im Chor. Aber ich war nie neidisch - was will ich denn in den teuren Hotel-Stuben oder im Skiurlaub in Garmisch oder sonst wo?

Mein bester Freund hatte es familiär ähnlich wie ich erwischt, da war keiner auf den anderen neidisch, aber unsere jeweils problematischen Verhältnisse waren es auch, die uns emotional zusammengeschweißt haben. Wir waren beide froh, uns zu haben und ein eigenes Zimmer und ein Bett und ein Radio zum Musikhören und ein paar Spielsachen, Bücher, Hobbys, die Familien und jeweils ein Fahrrad.

Diese adretten, ach so tollen Bilderbuchfamilien waren in der Regel oft gar nicht so "bilderbuchmäßig". Ich erinnere mich noch an die Eltern eines Freundes, die sich trennten, als man ca. 12-13 Jahre alt war. Die hatten ein tolles Haus, alles war elegant, so eine richtige "perfekte Familie". Aber ich höre heute noch die Mutter halb heulend schreien "immer nur geackert und geackert" - die stritten sogar, wenn wir Kinder dort spielten, lautstark miteinander und es ging immer um das Haus und das Geld. Die hatten ein schönes Einfamilienhaus mit Garten, Koi-Teich und Doppelgarage, in der zwei neue VWs standen, mit dem obligatorischen Familienhund ... ein richtig nettes, geräumiges Haus, wie sie um 2000 oft in Neubaugebieten von jungen Familien erbaut wurden. Beide haben sicher nicht schlecht verdient - die hatten damals sogar zwei Urlaube in den Sommerferien gehabt, die waren sehr konsumlastig. Immer tolle Kleidung, ein fetter Loewe Fernseher, alles vom Feinsten. Es waren "hübsche" Menschen auch optisch, immer glücklich scheinbar, alles wie aus dem Prospekt, der lachende Vater und die Supermutter wie aus dem Werbefernsehen. Ich war schon geplättet. Mein Opa bekam das damals mit und sagte ... da haben halt zwei Leute klotzen wollen ... war in meiner Heimat leider üblich, alles nach außen hin auf Schau getrimmt. Wir hatten zwar "nur" einen damals ca. zehn Jahre alten Opel Senator und "nur" eine Neue Heimat Mietwohnung, aber dafür waren wir soweit glücklich oder viel mehr zufrieden. Und ich weiß noch, es war ein Sonntag im Mai, als mein Onkel zu uns kam und so sagte ... ach, die Familie M., die haben sich getrennt und das Haus wird verkauft, wisst ihr das schon?! Mein Freund tat mir richtig leid - und am Ende wohnte er mit Mutter und Bruder in einer richtig üblen Kaschemme im sozialen Brennpunkt unseres Stadtteils (richtig eklig, vor allem um 2000 war das übel und der Straßenname eine Diagnose) und der Vater zog zurück zu seinen Eltern, die bei uns um die Ecke ein Reihenhaus hatten.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

rosenbluete001  24.10.2024, 18:29

Deine Ansicht ist so toll geschrieben. Und ich kann mich dem nur anschließen. Diese Erfahrung habe ich auch im Leben gemacht, nicht ganz so früh wie du aber ich habe sie. Die meisten ach so tollen Fassaden sind in Wirklichkeit oft ganz traurige oder einsame menschen.
ich habe auch gelernt, dass Menschen die mich oder andere herablassend behandeln oder, obwohl sie dich nicht kennen, behandeln wie der letzte a* oft ganz viele Probleme mit sich selbst haben. Die nutzen dich nur grade als Fußabtreter weil du eben da bist.
Menschen die selbst mit sich und ihrem Leben im reinen sind, behandeln andere Menschen nicht schlecht oder tun eingebildet.

rotesand  24.10.2024, 20:16
@rosenbluete001

Danke!

Ich bin sehr geerdet auch durch meine Kindheit und habe früh den Eindruck gewonnen, dass nicht alles Gold ist, was so glänzt und dass gerade da, wo die Menschen am fröhlichsten rüber kommen, alles ganz miserabel läuft und die meisten Leichen im Keller liegen. Auch deinen letzten Punkt kann ich bestätigen und bin froh, dass ich nicht "so jemand" geworden bin - mein Opa hat nicht alles richtig gemacht und meine Familiensituation hat auch einige unschöne Spuren in mir hinterlassen, die ich aufarbeiten musste ... aber in dem Fall hat er mir einen guten Weg gewiesen.

rotesand  24.10.2024, 17:37

Natürlich hat man da mal rüber geschielt und war beeindruckt, weniger von Kinderzimmern und Playstation und den Zwergkaninchen (das war so die Zeit, wo gefühlt jede Familie ein Zwergkaninchen für die Kinder hatte, das im Käfig hauste und gelegentlich gestreichelt wurde) und auch nicht von den großen und neuen Autos oder einem Pool im großen und perfekt gepflegten Garten, eher so vom großen Ganzen!

Tauschen hätte ich aber, Hand aufs Herz, im Leben nie gewollt: Ich habe schon mit 9/10 Jahren, wenn ich auf Kindergeburtstag war oder so, gemerkt dass da nicht so die herzliche Atmosphäre herrscht und es auch viel oberflächlich ist, alles schnell gehen muss und so "tat-tat-tat" aufeinander abgestimmt ist, ganz anders als bei uns, wo es zwar auch Uhren und Kalender gab, es aber keiner "eilig" hatte und es keine dummen frechen Sprüche gab. Hätte so eine Supermutter abends am Bett gesessen und gewartet, bis das kranke oder verängstigte Kind einschläft? Ich glaube, sie hätte eher Tatort geguckt und mit dem Mann einen teuren Wein aufgemacht, das Kind wird's schon überleben.

Mein Opa war bei mir gesessen und hat mir die Welt erklärt oder Geschichten erzählt von Tieren. Oder sonntags: Da sind die geschlossen in den Kindergottesdienst (mit dem neuen Auto, klar^^ womöglich frisch gewaschen) und dann in ein teures Lokal auf den umliegenden Dörfern. Bei uns gab's den ZDF-Fernsehgarten oder so was und dann ein Mittagessen daheim, nachmittags ging es in die Natur oder zu Verwandten - mit dem Opel Senator, der uns noch überall hin brachte. Da habe ich so viel für mich selber mitgenommen und ich denke so oft dran, mein bester Freund von damals hat weitestgehend identische Erinnerungen... gerade menschlich: Bei uns wurde nicht so auf die Uhr geschaut.

Ich habe mich zuhause mit gewisser "biederer Strenge" und Suppenteller plus Nachtisch (meist ein Vanille- oder Schokopudding mit Frucht oder Nuss zur Dekoration, jeder bekam ein Schälchen ... schweres Kristallglas) am Mittag, beim Spielen mit den Katzen, im Wohnzimmer auf dem braunen Ledersofa vor unserem fetten Blaupunkt Fernseher von 1978 ("Teutsch Technikland" machte es möglich, Opas ganzer Stolz waren ein BTX-Decoder und Videotext) und in unserem 1990er Opel Senator viel wohler gefühlt und mit 10/11 Jahren wollte ich auf diese Feste in diesen Häusern nicht mehr gehen. So imponierend all diese Leute wirkten, so froh war ich, als ich wieder zuhause war. Dieses Eitel Sonnenschein war anstrengend. Ich will nicht wissen, wie viele "tolle Familien" unsere Biederkeit überlebt hat.

Ich muss sagen -----> klar, mein Opa mit Sakko, weißem Hemd und Hut wirkte dagegen alt, was er an Jahren (!) auch war, und diese Familien wirkten alle so "hübsch", so wie aus dem Prospekt, die hatten so teure und modische Möbel (90er halt), viele CD's und lauter Video-Cassetten sichtbar aufgereiht, eine Wohnlandschaft, einen Kaminofen, geräumige und helle Zimmer usw., die Mütter waren alle top-gekleidet, so lachende blonde Supermütter mit teurer Jeansjacke und Bluse, die auch teilweise einen Halbtagsjob "wuppten", die Väter wirkten so "entspannt", wenn sie mit dem neuen VW mit Klimaanlage abends aus dem Büro kamen und dann immer noch grinsten.

Aber als Erwachsener sehe ich das anders: Dahinter brodelte es häufig und bei uns sowie bei meinem besten Freund war es bieder, aber offenherzig, unser Umgangston war wertschätzend und ich hatte als Kind und Jugendlicher eine große Sicherheit, die ich gespürt habe. Die anderen haben wahrscheinlich jeden Sonntag vor dem Familiengottesdienst schon das große Geschrei daheim hinter sich gehabt, weil einer länger im Bad brauchte und die blonde Supermutti die Krise bekam, ehe sie einen Koller fahren ließ ... nee, echt, mir wurde so viel erspart.

rosenbluete001  29.10.2024, 18:32
@rotesand

Das ganze passt auch noch super in die heutige Zeit was du da beschreibst. Das fühle ich als Mama selbst heute genau so wie du damals als Kind.. wir schwimmen nicht Geld und leben nur zur Miete. Manchmal frage ich mich was wie falsch machen, mein Mann arbeitet und ich arbeite so viele Stunden halt gehen mit Kind ohne Kita Platz und trotzdem sind wir bodenständig sowohl menschlich als auch im Geldbeutel. Manchmal frag ich mich ob das tolle Leben der andere nicht besser wäre. Aber dann erinnere ich mich an vieles zurück was du beschrieben hast. Und nein man braucht diese Oberflächlichkeit nicht um ein glückliches Kind zu haben.

Kein Haus mit Garten einer pv Anlage auf dem Dach und diese anthrazit farbenen Fenster und Türen und Vorgärten die mehr tot als nach Garten aussehen.
könnte noch weiter ausholen aber du weißt was ich meine und auf was ich hinaus will. Halten wir fest, auch so - oder grade so - ist man doch glücklich 😊

Ja, manchmal

jein. Als Teenagerin war ich ein wenig nedisch darauf, dass die Mama meiner besten Freundin immer Nachtschicht schob, was ihr die Möglichkeiten gab, sich auf Partys zu schleichen und so. Was ich aber nicht wusste. sie war neidisch darauf, dass ich eíne Mutter habe, die immer für mich zeit hatte.

Ja, manchmal

Ja weil die einfach normal sind und nicht 24/7 streiten

Nein

Heutzutage nicht mehr.

Als Kind und Jugendliche allerdings schon manchmal. Ich wollte immer Eltern haben, die sich lieben.

Inzwischen bin ich mit Eltern, die beste Freunde sind, ziemlich zufrieden.

Ja, manchmal

Neidisch ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort. Es tut halt weh, aber es ist ich so als würde ich anderen das nicht gönnen. Haha.